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Blick aufs blaue U-Bahnschild am Rathaus Neukölln.
© imago/Olaf Wagner

Vor der Bundestagswahl: Die Neuköllner Wählerschaft ist tief gespalten

Laut Prognosen ist kein anderer deutscher Wahlkreis so umkämpft wie Neukölln. Südlich der Ringbahn ticken die Uhren wohl anders.

Hipsterkneipen im Reuterkiez, arabische Spätis in der Sonnenallee, Arbeitersiedlungen in Britz und Einfamilienhausidyll in Rudow – wohl kaum ein Bezirk ist so divers wie Neukölln. Kein Wunder, dass der Wahlkreis 82 der politisch am stärksten umkämpfte Deutschlands ist. Während Nord-Neukölln mit steigenden Mieten und den Folgen der Gentrifizierung kämpft, sorgen sich die Bewohner des Blumenviertels in Südneukölln eher um den steigenden Grundwasserpegel, der die Keller ihrer Eigenheime flutet. Einen Wahlkampf zu führen, der alle Neuköllner anspricht, ist also nicht leicht.

Ein klares Nord-Süd-Gefälle

Bei den letzten Bundestagswahlen holte Fritz Felgentreu von der SPD mit 32,3 Prozent der Erststimmen das Direktmandat, mit nur 1,7 Prozent Vorsprung zur CDU-Kandidatin Christina Schwarzer. In den Jahren zuvor war es ähnlich knapp, stets trennten die Kandidaten von SPD und CDU nur wenige Prozentpunkte. Am 24. September stehen sich Felgentreu und Schwarzer erneut gegenüber, und es wird laut den Prognosen wieder eng. Dabei ziehen sich durch den Bezirk klare politische Grenzen, wie ein Blick auf die Ergebnisse der vergangenen Wahlen zeigt.

Die Stadtautobahn und die Gleise der Ringbahn trennen Nord- und Südneukölln nicht nur politisch. Während der nördliche Teil des Bezirks eine Grünen-Hochburg und damit auch politisch näher am Nachbarwahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg- Prenzlauer Berg Ost ist, hat die CDU am südlichen Ende des Bezirks traditionell die absolute Mehrheit. Die Verteilung korreliert auch mit dem Altersdurchschnitt der Neuköllner: Südlich der Ringbahn leben laut Sozialbericht mehrheitlich Menschen jenseits der 45, nördlich der Bahnstrecke liegt der Altersdurchschnitt unter 40.

Fritz Felgentreu beschreibt, dass die Unterstützung für die SPD im gesamten Bezirk relativ stabil bei 30 Prozent liege, die Verschiebungen im Mächteverhältnis zwischen SPD und CDU begründet er vor allem mit dem Bundestrend. Für Christina Schwarzer spielen die Prognosen keine Rolle: „Die Menschen, mit denen ich täglich spreche, interessieren sich nicht für Umfragen oder den Wahlkampf.“

Buschkowsky wirkt noch nach

Susanna Kahlefeld, Grüne-Direktkandidatin für Neukölln, bewertet die aktuellen Prognosen etwas anders. Neukölln sei vor allem durch Heinz Buschkowsky bundesweit als SPD-Hochburg bekannt, obwohl die CDU im Süden des Bezirks seit jeher die Vormacht hat. Der SPD-Politiker Buschkowsky, der 1991 bis 1992 und erneut von 2001 bis 2015 Bezirksbürgermeister war, erregte mit seiner These „Multikulti ist gescheitert“ und seiner Politik der Trennung zwischen Politik und politischem Islam bundesweit Aufmerksamkeit. Nach der Amtsübergabe an seine Nachfolgerin Franziska Giffey (SPD) kam es zu Verwerfungen mit der Neuköllner SPD-Fraktion.

Seit dem Wechsel im Bezirksamt brächen der SPD in Nord-Neukölln Stimmen weg, sagt Kahlefeld: „Wir Grünen profitieren von den linksliberalen Zuzüglern, die sich mit den Bevölkerungsteilen verbinden, die schon immer gegen Buschkowskys Politik waren.“ Außerdem wählten viele „Hipster schon aus Milieu-Gründen“ grün. Während die SPD also im Norden Stimmen an die Grünen (und teilweise auch an die Linke) verliert, bewahrt die CDU im Süden ihre traditionelle Stärke. „Bald wird es dann wahrscheinlich eher knapp zwischen CDU und Grünen“, prognostiziert Kahlefeld.

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