Staatssekretär Lütke Daldrup: „Die Mieten sind ein Kardinalthema der Stadt“
Berlin hat noch viel Experimentierraum im Vergleich zu anderen Metropolen, sagt der neue Staatssekretär für Wohnungspolitik. Und manche Kritik an Investoren hält er für überzogen.
Engelbert Lütke Daldrup ist Nachfolger von Staatssekretär Ephraim Gothe, der von Bau- und Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) vor kurzem entlassen wurde. Im ersten Interview spricht er mit dem Tagesspiegel über teure Wohnungen und seinen Stil.
Herr Lütke Daldrup, damit Sie Staatssekretär werden konnten, musste Ephraim Gothe gehen – kannten Sie ihn eigentlich?
Ich kenne ihn gut, weil ich ihn vor 21 Jahren eingestellt hatte. Das war Anfang der 90er Jahre, als ich als Referatsleiter für den Hauptstadtbereich bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tätig war und zuständig für die Entwicklungsmaßnahmen im Parlaments- und Regierungsviertel. Sie wurde von unserem Haus und der Senatskanzlei mit dem Bund verhandelt. Wir hatten damals die Chance, junge Kollegen einzustellen. Unter dem halben Dutzend Neuer war auch Ephraim Gothe, mit dem ich zwei Jahre gut zusammengearbeitet habe, bis ich 1995 zum Stadtbaurat von Leipzig gewählt wurde.
Gothe war beliebt. Wie reagieren die Leute auf Sie, beispielsweise die Aktivisten auf den umkämpften Brachen?
In der Verwaltung haben mir viele die Hand gereicht und gesagt, „schön, dass du wieder da bist“. Viele kenne ich noch von früher, auch bei den Initiativen, die ich ja letzte Woche auf dem Ex-Rotaprint- Gelände in Wedding schon getroffen habe. Da ist man sehr offen mit mir umgegangen, was mich freut, weil ich das selbst auch tue.
Die Mieten explodieren, wie wohnen Sie?
Ich konnte mir Anfang der 1990er Jahre als technischer Referent eine Eigentumswohnung in Charlottenburg gerade so leisten. Mein Kiez dort war damals nicht besonders angesagt und deshalb gerade noch erschwinglich.
Verstehen Sie die Sorgen wegen der steigenden Mieten?
Natürlich, denn Berlin war ja immer eine bezahlbare Metropole. Die Mieten sind deshalb ein Kardinalthema dieser Stadt.
Was war eines der ersten Gespräche in Ihrer neuen Funktion?
Mit dem Berliner Mieterverein, dessen Chef Reiner Wild ich aus meinen ersten Berliner Jahren kenne. Damals habe ich als Koordinator die großen Wohnungsbauprojekte des Senats mit angeschoben. Ich teile die Forderungen des Mietervereins, ein wichtiges Augenmerk auch auf den Bestand und den Schutz von bezahlbaren Wohnungen zu legen. Da haben wir in den letzten zwei Jahren schon viele Instrumente geschaffen, die jetzt so umgesetzt werden müssen, dass sie Wirkung entfalten. Der Mieterverein fordert auch das Umwandlungsverbot für Miet- in Eigentumswohnungen. Das ist ein gutes Instrument, aber beim Koalitionspartner schwer durchzusetzen.
Der Yaam-Club musste umziehen, das Tacheles ist geräumt, die kultigen und trashigen Lückenfüller, die Berlin so magisch für Touristen macht, gehen verloren. Ideen, wie man das ändern kann?
Da habe ich einen anderen Blick auf die Stadt, Berlin hat noch viel Experimentierraum im Vergleich zu anderen Metropolen. Wir müssen aber eine Balance finden, um die Berliner Mischung zu erhalten und auch neue, möglichst preiswerte Wohnungen zu schaffen. Und Orte wie beispielsweise das Ex-Rotaprint, die stabil und fantastisch funktionieren, stehen ohnehin nicht infrage. Es gibt diese Orte und jeder einzelne von ihnen wird mit Augenmaß zu diskutieren sein, wenn er in Gefahr gerät.
Aber der Druck des Kapitals ist groß. Wie wollen Sie dagegenhalten?
Ich verstehe die Ängste, aber zu Teilen schießen sie auch über das Ziel hinaus. Das Grundprinzip ist eine vernünftige Balance, und dabei muss intensiv und gemeinsam mit Partnern wie den Bezirken gearbeitet werden. Dabei werden uns auch die vermehrten Mittel helfen, die der Bund im Haushalt bereitgestellt hat. Den Etat für die Stadterneuerung hat der Bund von 450 auf 700 Millionen Euro aufgestockt. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf Programme für die Soziale Stadt. Davon profitiert Berlin. Und es gibt uns auch die Möglichkeit, kreative Freiräume zu erhalten.
Viele der Neuberliner kommen aus Ländern, die in der Wirtschaftskrise stecken. Damit wachsen die bestehenden sozialen Probleme in der Stadt weiter. Eine gefährliche Entwicklung?
Zu großen Teilen sind das gut qualifizierte Menschen, die hier Jobs finden. Die Wirtschaft wächst in Berlin seit 2005 schneller als im Bundesdurchschnitt. Dasselbe gilt für die Zahl der neuen Stellen. Es gibt einen erheblichen Anteil von Haushalten mit mittlerem Einkommensniveau, die Wohnungen nachfragen. Da spielt der Neubau dann eine wichtige Rolle. Insgesamt bin ich optimistisch bei den ökonomischen Perspektiven der Stadt.
Wie gehen Sie mit Konflikten um: Werfen Sie mit Aktenordnern, oder moderieren Sie eher?
Zielorientiert und entscheidungsfreudig, wenn sie es so genau wissen wollen. Ich bin jetzt 57 und habe 28 Jahre im öffentlichen Sektor und der Stadtentwicklung gearbeitet und vieles kennengelernt. Ich bin offen für Themen, führe den Dialog, höre mir alle Meinungen an. Aber eine Verwaltung braucht auch Entscheidungen.