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Nach fünf Stunden ist die Räumung des Hauses abgeschlossen, die Bewohner wurden festgenommen.
© dpa
Update

Fünf Stunden Polizeieinsatz: Die Liebigstraße 14 ist geräumt

Fünf Stunden nach Beginn des Polizeieinsatzes ist die Liebigstraße 14 geräumt. Die Bewohner wurden festgenommen. Bei Krawallen in der Frankfurter Allee gab es Verletzte und ebenfalls Festnahmen.

Die Räumung des linken Wohnprojekts lief bereits vier Stunden, als die Polizei zu den Bewohnern vordrang. Neun Besetzer, sechs Männer und drei Frauen hatten sich in einer Wohnung im dritten Stock verbarrikadiert. Sie wurden festgenommen wegen der Vorwürfe gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Nach Auskunft der Polizei seien Beamte unter anderem mit Feuerlöschern und Reizgas attackiert worden. Elf Beamte wurden bei dem Einsatz verletzt. Aus Unterstützerkreisen der Bewohner hieß es, die Polizei habe Pfefferspray auf Bewohner gesprüht. Insgesamt wurden im Zusammenhang mit der Räumung 32 Personen vorläufig festgenommen.

Kurz zuvor hatten sich die Hausbewohner nach der Räumung erstmals seit Beginn des Einsatzes am frühen Morgen bemerkbar gemacht. Von einem Balkon im dritten Stock aus skandierten sie Parolen und versprühten den Inhalt von Feuerlöschern auf die Straße hinab.

Mühsame Räumung

Polizei und Gerichtsvollzieher mussten sich mühsam vorarbeiten. Nach dem Beginn der Räumung um acht Uhr am Mittwochmorgen waren sie zunächst durch den Aufgang des Nachbarhauses und über den Dachboden ins oberste Stockwerk des Wohnprojekts Liebigstraße 14 gelangt - kamen allerdings dann erst einmal nicht weiter.

Im Erdgeschoss hatten die Bewohner die Treppe mit einer riesigen Stahlplatte blockiert. Und als die Beamten sich über den verbarrikadierten Dachboden nach einiger Zeit ins oberste Stockwerk vorgearbeitet hatten, stießen sie auf Behälter mit zunächst nicht identifizierten Flüssigkeiten. Ob diese giftig oder explosiv seien, musste zunächst analysiert werden, hieß es bei der Einsatzleitung. Später erwiesen sich die Flüssigkeiten als harmlos.

Die Bewohner hätten regelrechte Falltüren angelegt, hieß es bei der Polizei weiter. Zudem seien Wasserhähne aufgedreht hinterlassen worden. Sogar in Nachbarwohnungen drang Flüssigkeit durch Lüftungsschächte, wie Anwohner dem Tagesspiegel mitteilten. Im gesamten Häuserblock wurde daraufhin das Wasser abgestellt. Außerdem sei alles verbarrikadiert und mit Metallteilen verschweißt. Die Räumung stockte deshalb stundenlang.

Der grüne Friedrichshain-Kreuzberger Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele erschien inzwischen am Ort des Geschehens - wie immer mit dem Fahrrad. "Wenn ich vermittele, läuft es vielleicht friedlicher ab", sagte Ströbele. Ein Bild von der Lage im Innern des Hauses durfte sich Ströbele allerdings nicht verschaffen. Der Eigentümer der Liebigstraße 14 legte sein Veto ein.

Autonome attackieren die Polizei in der Frankfurter Allee

Hunderte Autonome hatten schon am Morgen die Kreuzung Frankfurter Allee/Warschauer Straße/Petersburger Straße besetzt. Der Berufsverkehr war lahmgelegt. Durch einen Durchgang in den "Stalinbauten" an der Frankfurter Allee hatten die Autonomen versucht, in Richtung Liebigstraße vorzudringen, scheiterten aber zunächst an einer Polizeikette mit Hunden. Daraufhin attackierten die Autonomen immer wieder die Polizeikette. Pflastersteine, Flaschen und Knallkörper flogen auf Polizisten. Es gab an der Frankfurter Allee 23 Festnahmen. Fünf Polizisten wurden verletzt, einer davon schwer. Der Beamte musste mit einem Knalltrauma ins Krankenhaus.

In der Frankfurter Allee hatten sich schon am frühen Morgen Hunderte Sympathisanten der linken Szene versammelt, samt einiger angetrunkener "erlebnisorientierter Jugendlicher", die offenbar noch aus der Nacht übrig geblieben waren. Die Polizei versuchte, den Protestzug gegen die Räumung der Liebigstraße 14 zu kanalisieren. Dabei gab es Handgemenge und ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen Beamten und Demonstranten. Aus umliegenden Baustellen wurde Material für Barrikaden herbeigeschafft und auf die Frankfurter Allee geworfen.

Polizisten auf allen Dächern

Im Schutze großer Planen hatte die Polizei sich auch an der Haustür zu schaffen gemacht. Das war allerdings nur ein Art Scheinangriff, wie der Tagesspiegel erfuhr. Die Polizisten operierten aus einem Transportfahrzeug heraus, in dem schweres Gerät wie Kreissägen, Rammböcke und Äxte gelagert werden.

Rund um das Haus haben Sicherheitskräfte die Dächer besetzt. Starke Strahler erhellen seit den frühen Morgenstunden den gesamten Bereich in dem Friedrichshainer Kiez.

Die Rigaer und die Liebigstraße sind von allen Seiten abgeriegelt. Mannschaftswagen, die so genannten Wannen, stehen quer auf den Straßen. Niemand soll mehr durchkommen. Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers ist vor Ort - im Einsatzanzug mit Helm.

Teils vermummte Aktivisten haben auf den Balkonen der Nachbarhäuser Stellung bezogen. Aber auch Familien mit Kindern aus den einst besetzten Häusern in der Nachbarschaft haben sich auf Balkonen versammelt. Sie schlagen auf Töpfe und protestieren gegen die Räumung. Der Anwalt der Hausbewohner hatte kurz vor der Räumung noch einmal vergeblich und in letzter Minute Kontakt mit dem Gerichtsvollzieher aufgenommen, der den Bewohnern die Räumung ankündigt.

Die Polizei kam früh zur Räumung der Liebigstraße. Bereits um fünf Uhr bezogen behelmte Trupps Stellung auf den Dächern der Rigaer- und Liebigstraße, stellten mit Generatoren betriebene Flutlichtanlagen auf.

Anwohner von Sprechchören geweckt

Anwohner wachten spätestens jetzt durch die Sprechchöre der etwa 70 Demonstranten auf, die sich auf der Kreuzung Rigaer- Ecke Liebigstraße versammelt hatten. In der Nacht hatten sie sich bereits lautstarke Auseinandersetzungen mit Polizei und Feuerwehr geliefert, nachdem sie ein Feuer im Kreuzungsbereich entzündet hatten.

Die Polizei begann zügig, den Kreuzungsbereich zu räumen und die Demonstranten zurückzudrängen. Unter Sprechchören wie „Die Häuser denen, die drin wohnen“ oder „Anti … Anti … Antifascista“ ließen sich die etwa 70 Leute widerwillig abdrängen. Um 5:30 war die Polizei alleine in der Gegend und ließ nur noch Anwohner passieren.

Lautstark bemerkbar machten sich Bewohner der Liebigstraße 34, eines linken Hausprojekts gegenüber der Liebig 14. Sie spielten unter anderem die Titelmelodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Passend dazu hatten offenbar Bewohner eine Grabkerze vor der Liebig 14 abgestellt. Auch auf den Balkonen des Nachbarhauses, der Liebig 15, standen protestierende Bewohner.  

Vor Gericht gescheitert

Zuvor war das Hausprojekt Liebigstraße in letzter Minute vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, die am heutigen Mittwoch anstehende Räumung noch zu verhindern. Das Amtsgericht wies gestern Nachmittag einen am Montag eingereichten Antrag der Bewohner zurück, diese Entscheidung bestätigte am Abend das Landgericht. Experten hatten den Antrag schon tags zuvor als juristisch aussichtslos gewertet, da 2009 alle Bewohner in zweiter Instanz die Prozesse um die Gültigkeit ihrer Mietverträge verloren hatten.

Damit wird das Szeneobjekt seit heute früh acht Uhr geräumt. Stadtweit sind mehr als 2000 Polizisten im Einsatz sein, denn die linke und linksextremistische Szene hat vielfältige Aktionen angekündigt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kündigte an, dass die Polizei „so deeskalierend wie möglich“ vorgehen werde. Er betonte aber, dass die Gewalt bei der Liebig-Demo am Sonnabend ausschließlich von den Teilnehmern ausgegangen war „und nicht von der Polizei, wie von einigen linken Spinnern wieder behauptet wird“. Körting (SPD) rief die Gegner der Räumung auf, friedlich zu demonstrieren. „Wir haben kein Interesse an einer Eskalation.“

Youtube, Blog, Livestream

Auf der Internetseite der Berliner Piratenpartei wird die heutige Räumung der Liebigstraße mit einem Livestream begleitet, mit der Begründung, dass sich Bürger selbst ein Bild von den Geschehnissen machen können. Allerdings wird dort kurioserweise nach einiger Zeit ein Bezahlmodus vorgeschaltet, was zu einigem Unmut von Nutzern geführt hat. "Wir finden es äußerst bedauerlich, dass der Dienst, der dort angeboten wird, kostenpflichtig ist", sagte Christopher Lauer, Politischer Sprecher der Piratenpartei. "Das hängt damit zusammen, dass sich so viele Leute dafür interessieren, womit wir nicht gerechnet haben. Die bereits aufgezeichneten Videos sind jedoch kostenlos ansehbar."

Lauer übte im Gegenzug aber auch Kritik an den Medien: "Es ist nicht die Aufgabe einer Partei, Dienste anzubieten, die klassischerweise von Medien wie zum Beispiel auch dem Tagesspiegel durchgeführt werden müssten. Ich finde es sehr bedauerlich, dass Sie sich während der Räumung eines besetzten Hauses durch die Polizei dafür interessieren, warum der Stream der Piratenpartei kostenpflichtig ist."

Einen weiteren Livestream gibt es hier. Der Live-Blog der Unterstützer der Liebigstraße ist hier zu verfolgen.

Bei Youtube tauchte gestern zudem ein Video auf, das einen Polizisten zeigt, der bei einer der bisherigen Solidaritätsaktionen für die Liebigstraße 14 einen Demonstranten von hinten attackiert.

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