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Berlin: Die Herren aus Indochina

Dat Vuong und sein Vater Hoanh sind von Saigon nach Mitte gekommen – ins „Monsieur Vuong“

„Mein Vater und ich haben ein paar ziemlich weite Reisen hinter uns, von Saigon bis nach Berlin. Aber jetzt sind wir da. Mitte ist voller Leute, die nicht jammern, die Ideen haben, die aus den verschiedensten Ecken der Welt kommen und neue Menschen kennen lernen wollen. Ich habe mich quer durch Berlin gewohnt, Moabit, Wedding, Neukölln, Prenzlauer Berg, aber Mitte ist die einzig richtige Ecke. Hier bleiben wir mit dem „Monsieur Vuong“, mein Vater wohnt hier, und ich und mein Freund wohnen auch direkt um die Ecke.

Meine Mutter und zwei meiner Geschwister waren Anfang der 80er aus Saigon geflüchtet und nach Deutschland gekommen. Es war nicht mehr schön, nachdem der Vietcong den Krieg gewonnen hatte, und meine Eltern wussten, dass im Kommunismus eine gute Ausbildung für uns Kinder unmöglich sein würde.

Meine Mutter hatte dann großes Glück. Die „Cap Anamur“ hat sie gefunden und mitgenommen. Mein Vater und ich haben es erst zehn Jahre später nach Deutschland geschafft, im Rahmen der Familienzusammenführung. Damals flüchteten viele Familien getrennt, damit, falls der Versuch scheiterte, jemand da war, der helfen konnte. Ich hatte es auch öfter probiert. Zwei Mal saß ich dafür im Gefängnis, mit 15 und mit 17.

Nach drei Jahren im Rheinland, wo meine Mutter gelandet war, bin ich nach Berlin gegangen. Meine Mutter lebt immer noch bei Köln, aber mein Vater ist vor drei Jahren zu mir gekommen. Es hatte eben seinen Preis. Zehn Jahre war meine Mutter alleine in Deutschland, bevor wir kamen, sie musste sehr selbstständig sein. Und mein Vater ist schon ein Patriarch.

Ich habe in Berlin dann Japanologie studiert, allerdings nicht zu Ende, und viel gejobbt. Im Lenz, im Berio, im Nola’s. Und da habe ich gemerkt, dass ich am liebsten selber ein Restaurant hätte. Mein Chef im Nola’s sagte damals, ich sei ein schlechter Kellner und hat mich entlassen. Das war der Auslöser. Da habe ich das „Monsieur Vuong“ eröffnet, obwohl vietnamesische Küche vor sechs Jahren noch recht unbekannt war. Mein Vater hat mich damals gebeten, ein China-Restaurant aufzumachen. Aber ich wusste, in Mitte würde es gehen.

Viele Leute denken, mein Vater sei der Chef, aber das stimmt nicht. Allerdings ist er schon zum Sinnbild des „Monsieur Vuong“ geworden. Er ist abends immer da, oft im Anzug, und schüttelt jedem Gast die Hand. Ich habe ihm am Anfang gesagt, er soll das nicht tun, aber jetzt ist er fast populärer als ich. Ich fände es auch besser, wenn er sein Alter einfach nur genießen würde, er ist jetzt 70, statt jeden Abend in den Laden zu kommen. Er hatte Aufregung genug. Im Vietnamkrieg hat er mehr als 20 Jahre als Kriegsreporter gearbeitet. In amerikanischer Uniform war er mit den US-Soldaten an der Front. Er war vier Jahre im Gefängnis. Aber ich sehe: Die Arbeit tut ihm sehr gut. Er ist manchmal einsam, und hier trifft er viele Menschen.“Aufgezeichnet von C.-F. Röhrs

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