Kommunalwahlen in Potsdam: Die geteilte Stadt
Am Sonntag ist Kommunalwahl in Potsdam. Ein Hauptthema: die Kluft zwischen der alten Linken und dem immer stärker werdenden neuen Bürgertum.
In Potsdam ist Kommunalwahl – und Deutschland amüsiert sich darüber. Vermutlich hätte sich außerhalb der Grenzen Brandenburgs kaum jemand für die Wahl der Stadtverordneten in der Landeshauptstadt interessiert. Doch dann war da dieses Wahlplakat, das bundesweite Aufmerksamkeit gebracht hat: Das Motiv von Susann Prinzessin von Preußen, die am Sonntag für die von Ex-CDU-Stadtverordneten gegründete Wählergruppe Potsdamer Demokraten antritt.
Auf dem Plakat ist die 1964 geborene Adlige mit schwarzen Locken zu sehen, auf ihrem Arm sitzen zwei kleine weiße Hunde, in den Hintergrund wurde ein Plattenbau montiert. In dieser Woche zog erst die Satire-Show „Extra 3“ im NDR das Plakat durch den Kakao: „Wenn es für die französische Revolution noch gute Argumente bräuchte, hier hätten wir gleich drei.“ Auch im Internet wurde das Plakat mit Spott überzogen.
Für die Prinzessin kommt der Trubel überraschend, doch sie nimmt ihn mit Humor: „Ich habe über einige Kommentare lachen müssen.“ Das Fotomotiv hatte ihr der Freundeskreis empfohlen: „Das sieht nicht so steif aus.“ Ihre Kandidatur ist auch ernst gemeint, speziell für ein Tierheim und benachteiligte Kinder will sie sich im Parlament engagieren – wie sie es seit Jahren außerhalb der Politik tut.
Die Prinzessin vorm Plattenbau
Die Prinzessin vorm Plattenbau – ein zugespitztes Bild für die Gegensätze in der Stadt. Denn Potsdam ist seit Jahren tief gespalten. Auf der einen Seite die Linke, stets stärkste Kraft, die dennoch bei den Wahlen des Oberbürgermeisters stets der SPD unterlag, mit ihren Hochburgen in den alten DDR-Plattenbauvierteln. Auf der anderen Seite das stetig wachsende bürgerliche Potsdam, die Villen der Prominenten kurz hinter der Glienicker Brücke, über die Stadt verteilt das Bildungsbürgertum, Bundesbeamte, Wirtschaftslenker und Wissenschaftler.
Das bringt Konflikte mit sich: um die Gestaltung der Stadt, etwa den Wiederaufbau der historischen Mitte rund um das Landtagsschloss. Gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche mit all seiner historischen Last aus dem Dritten Reich regt sich Widerstand, ein Bürgerbegehren sammelt erfolgreich Unterschriften. Und dann immer wieder die Debatten um dem Abriss des Mercure-Hotels gleich neben dem Stadtschloss – für die einen ein Ungetüm von DDR-Architektur, für die anderen ein Stück Stadtidentität. Nicht zuletzt das Thema Mieten und Wohnraum: Potsdam ist teuer geworden.
Schaden die neuen Potsdamer der Linken?
Diese Veränderungen werden sich wohl auf die Abstimmung am Sonntag auswirken. 133.000 Potsdamer ab 16 Jahren sind von 8 bis 18 Uhr aufgerufen, die nächste Stadtverordnetenversammlung zu wählen. Es kandidieren 534 Bewerber für 56 Sitze. Es geht um die Frage, mit welchen Mehrheiten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in den letzten vier Jahren seiner Amtszeit regieren kann. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2008 waren es noch 5000 Wahlberechtigte weniger. Das wirft spannende Fragen auf: Wird es der Linken gelingen, trotz des Zuzugs erneut stärkste Fraktion im Stadtparlament zu werden – oder zieht die SPD an ihr vorbei? Wird die CDU ihr historisch schlechtes Ergebnis von 11,8 Prozent bei der vergangenen Kommunalwahl 2008 verbessern können? Die Konkurrenz für die Union ist groß, Wählergruppen buhlen um Stimmen aus dem bürgerlichen Lager. Dazu kommt die in Teilen rechtspopulistische Alternative für Deutschland, die schon bei der vergangenen Bundestagswahl mehr als fünf Prozent in Potsdam erreichte. Bei der Kommunalwahl gibt es zudem keine Fünfprozenthürde, daher erwarten Beobachter, dass künftig mehr als die jetzt schon acht vertretenen Parteien und Wählergruppen ins Stadtparlament einziehen könnten.
Die Stadt hat Wachstumsschmerzen
Zu tun hat die Potsdamer Politik genug. Die Stadt wächst seit 14 Jahren kontinuierlich, die Geburtenrate ist hoch, Studierende und Touristen kommen in Scharen. Doch die Stadt hat Wachstumsschmerzen. Diese zeigen sich auch in der Politik. Seit der Kommunalwahl 2008 wurde Potsdam von einer Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und FDP regiert, die Linke saß – als größte Fraktion – auf der Oppositionsbank. Doch das Bündnis zerbrach Anfang des Jahres im Streit um die Finanzierung der aufgrund des Bevölkerungswachstums dringend benötigten neuen Schulen. Dafür sind in den kommenden Jahren insgesamt 160 Millionen Euro nötig.
Nun müssen Touristen, die privat in Potsdam übernachten, künftig eine Bettensteuer von fünf Prozent des Nettoübernachtungspreises zahlen. Noch in diesem Jahr soll die Abgabe eingeführt werden. Die geschätzten Einnahmen von rund 870.000 Euro im Jahr fließen in die Sanierung und den Neubau von Schulen. Mit dem Beschluss der Bettensteuer konnte eines der größten Streitthemen aus dem Kommunalwahlkampf herausgehalten werden. Erledigt ist das Thema aber nicht. Und es stehen weitere unbequeme Entscheidungen an: So könnten zur Finanzierung der Infrastruktur der wachsenden Stadt weitere Steuererhöhungen nötig sein. Inzwischen wird in der SPD bereits darüber nachgedacht, ob nach der Wahl auch ein reines Rot-Rot wie auf Landesebene möglich ist. Die alte Spaltung Potsdams könnte damit zumindest teilweise gekittet werden. Gegen ein solches Bündnis sprechen aber starke persönliche Vorbehalte entscheidender Protagonisten auf beiden Seiten.
Alexander Fröhlich, Henri Kramer