Tempelhofer Feld: Die Gärtner an der Rollbahn
Hunderte Menschen gärtnern auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof in selbstorganisierten Stadtgärten. Ein Besuch zwischen Blumen, Gemüse und Kräutern.
Dieser Artikel ist ein Teil der Serie Field Trip zum Tempelhofer Feld. Noch mehr Geschichten von Menschen, deren Leben mit diesem Ort verbunden ist gibt es in Form von kurzen Dokumentarfilmen auf der Webseite fieldtrip.tagesspiegel.de.
Da wächst was: Seit fast zehn Jahren sind Christian Puder und Gerhard Foss schon im Stadtteilgarten Schillerkiez auf dem Tempelhofer Feld aktiv, sie haben das Projekt gestartet. Was als politisches Statement gegen eine Bebauung der Freiflächen begann, ist längst ein engagiertes Gärtnereiprojekt. In den Hochbeeten blühen die ersten Blumen, alles grünt, Hobbygärtner werkeln auf dem gemeinschaftlich genutzten Areal.
Fast alle sind Anwohner. „Unser Anliegen zu Beginn war gar nicht unbedingt das Gärtnern“, sagt Foss. „Vielmehr wollten wir einen Begegnungsraum für unsere Nachbarschaft schaffen.“
Es geht nicht ums Gärtnern allein
Der Rentner verbringt viel Zeit auf dem Gelände, obwohl er selbst kaum gärtnert. Sein Herzensprojekt ist die Gemeinschaft. Genau wie im Schillerkiez verändere sich auch einiges in den Gärten, sagt er, die Gentrifizierung mache sich bemerkbar. Kürzlich habe etwa eine Familie ihr Beet aufgeben müssen, weil sie wegziehen musste, die Wohnung wurde verkauft.
Gerade jetzt, wo der Sommer ansteht, erscheinen immer wieder neue Gesichter zu den monatlichen Nutzertreffen (Infos und Kontakt: schillerkiez@gmx.de). Da gibt es dann die Bestandsaufnahme: Wer möchte seine Beete weiterführen, wer kommt neu dazu, wer hört auf? Wer hat Vorschläge? Gelebte Basisdemokratie eben, sagt Christian Puder. Zuletzt kommen vor allem jüngere Leute dazu, Familien etwa oder WGs.
Anders als die benachbarten Gemeinschaftsgärten Allmende-Kontor ist der Stadtteilgarten Schillerkiez kein Verein mit festen Mitgliedsbeiträgen, das Geld für Wasser und Feldmiete wird zusammengelegt, wenn Zahlungen fällig sind.
Zu Gast zwischen Gärtnerweisheiten und Geigen
Die Gründe warum Menschen in den Gärten ihre Zeit verbringen sind so unterschiedlich wie die Pflanzen, die dort wachsen. Im Film kann man einige von ihnen besuchen. (Video: Field Trip/ ronjafilm)
Neben den liebevoll gepflegten Hochbeeten gibt es etliche andere kleine Projekte. So hat eine kleine Gruppe im letzten Jahr einen Bereich des Gartens zur „Sternwarte“ umgebaut. Aus einfachsten Materialien gezimmert steht das Observatorium allen Besuchern des Felds und der Gärten zur Verfügung.
Christian Puder schwebt noch etwas anderes vor: Gezielt platzierte Brennnesseln sollen Schmetterlinge anlocken. Deren natürlicher Lebensraum schwindet immer schneller, dabei sind die Falter wichtig für das Ökosystem. Er träumt von einem Biotop, „um der Natur selbst wieder mehr Raum zu geben“.
Unmut im Paradies
Viele Kiezgärtner haben Bänke und schattige Sitzgelegenheiten gebaut, die auch von Besuchern gern genutzt werden. Und das ist manchmal problematisch: Foss und Puder beklagen, manche würden sich rücksichtslos verhalten, etwa Picknicks mit lauter Musik veranstalten und ihren Müll nicht wegräumen. „Das ist hier keine Partyzone“, stellen die beiden klar. Ärgerlich sei auch, dass immer wieder Obst und Gemüse klammheimlich geerntet und mitgenommen wird – wer nur für sich anbauen will, wird mit dem offenen Raumkonzept des Areals nicht glücklich sein.
Aber eine ertragreiche Ernte, betonen die Gartengründer, steht hier ja sowieso nicht im Vordergrund. Abschrecken lassen sie und ihre Mitstreiter sich jedenfalls nicht. Sie sind eben zähe Gewächse.
Dies ist eine von zahlreichen Geschichten von Menschen, deren Leben mit dem Tempelhofer Feld verbunden sind. Das Dokumentarfilm-Projekt Field Trip, produziert von Ronjafilm, sammelt diese Geschichten auf einer interaktiven Webseite, die wir anlässlich des 70. Jahrestages des Endes der Berlin-Blockade veröffentlichen. Sie können dort alle bisher verfügbaren Geschichten als Filme erkunden: fieldtrip.tagesspiegel.de
Das Projekt Field Trip ist ein langfristiges Dokumentationsprojekt von Eva Stotz (Regisseurin, Autorin, Produzentin), Frédéric Dubois (Autor und Interactive Producer), Joscha Jäger (Creative Technologist), Svenja Klüh (Producerin).
Rabea Westarp