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Ihr Gesicht gehörte zum Boulevard wie das Theater am Kurfürstendamm: Die Berliner Schauspielerin Edith Hancke ist jetzt im Alter von 86 Jahren verstorben.
©  Marjjan Murat/dpa

Zum Tod von Edith Hancke: Die ewige Göre

Herz und Schnauze in perfekter Verbindung:  Edith Hancke ist mit 86 Jahren gestorben. Sie war eine der letzten großen deutschen Volksschauspielerinnen - und eine Berliner Ikone mit beachtlichem Rampensau-Faktor.

Das Lampenfieber hat sie ihr Leben lang verfolgt, vom ersten großen Auftritt 1949 bis zum letzten 62 Jahre später. „Aber nur, bis der erste Satz fällt“, sagte sie einschränkend, „danach ist es ja egal, dann muss man siegen oder untergehen." Edith Hancke ist niemals untergegangen, nicht auf der Bühne und nicht in ihren zahlreichen Film- und Fernsehrollen, mit denen sie zu einer großen Volksschauspielerin wurde. Am Donnerstag ist sie im Alter von 86 Jahren nach langer Krankheit in ihrer Heimatstadt Berlin gestorben - eine der letzten ihrer Art.

Edith Hancke war für Berlin vermutlich, was Heidi Kabel für Hamburg war oder Willy Millowitsch für Köln. Ein Original mit dem unverwechselbaren Zungenschlag, mit Berliner Herz und Schnauze, verwurzelt in der Heimat. Dazu gesegnet mit hoher Schlagfertigkeit auch dann, wenn die Pointe in keinem Textbuch stand, und mit dem Rampensau-Faktor, der auch zweitrangige Klamotten auf Touren bringt, spursicher zwischen den klappernden Tapetentüren der Ehe- und Verwechslungskomödie.

Eine Nachkriegskarriere: 1928 geboren als Tochter eines Charlottenburger Bankangestellten, besuchte sie im zerbombten Berlin eine Haushaltsschule, um was Solides zu haben, sattelte dann aber aufs Schauspielen um, schwer beeindruckt vor allem von Hannelore Schroth, noch im Krieg in der Titelrolle in Lessings „Minna von Barnhelm“ – auch, weil ihr nach der Vorstellung die Schroth in der U-Bahn begegnete: „Ich war fassungslos, dass die nicht mit einem Auto fährt.“

Der Widerstand der Eltern gegen die Berufswahl schien wenig ausgeprägt zu sein, denn sie erinnerte sich später: „Mein Vater hat nur gesagt, Kind, du musst wissen, worauf du dich da einlässt. Da kommen sicher manche Herren, die dir viel versprechen, was auf eine unschöne Art enden könnte.“ Sie passte auf.

Schauspielen war ihr Traum, obwohl sie nach der zunächst gescheiterten Prüfung als talentlos geschmäht wurde und das mögliche Rollenfach ohnehin ziemlich eng schien. Denn die Quäkstimme, die sie einer vermurksten Mandeloperation verdankte, ließ Auftritte als jugendliche Liebhaberin oder ergreifende Tragödin ziemlich sinnlos erscheinen, „ich war viel zu frech, ich war überhaupt nicht sexy“, sagte sie einmal, ein ausladendes Dekolleté andeutend.

Ihr erstes Engagement scheiterte fast am Sexismus

Seltsamerweise wäre das erste Engagement der jungen Mimin dennoch fast an etwas gescheitert, was heute „Sexismus“ heißen würde: Beim ersten Vorsprechen für die Verfilmung von Hauptmanns „Biberpelz“ verlangte der Regisseur Erich Engel, sie solle den Rock heben und ihre Beine zeigen – was sie empört ablehnte. Irgendwie schaffte sie es dennoch in den Film, noch bevor sie zum ersten Mal auf der Bühne auftreten durfte.

Das nämlich gelang ihr erst im Dezember 1949: Sie spielte die Hedwig in Ibsens „Wildente“ am Renaissance-Theater. Hancke traf den Regisseur Ernst Schröder, „da haben wir erst mal zusammen Erbsensuppe gegessen, von einem kleinen Ofen, was nach dem Krieg eben so da war“. Die Beurteilung durch Theaterdirektor Kurt Raeck lief nicht problemlos, denn als Vorspielpartner wurde ihr Wolfgang Gruner hingestellt, der noch kleiner war als sie – und den sie dann als Vater auch noch umarmen sollte. „Seien Sie so lieb“, sagte Raeck, „ich würde es gerne noch mit einem Herren sehen, der etwas größer ist.“

Sie glänzte bei den "Stachelschweinen" und "Hesselbachs"

An diesem Tag begann der Aufstieg Edith Hanckes zu einer der großen deutschen Volksschauspielerinnen. In unzähligen Theater-, Film- und Fernsehrollen entfaltete sie ihr unverkennbar komisches, manchmal groteskes Talent, das sie auch ins Kabarett führen musste, als Ensemblemitglied der Berliner „Stachelschweine“. Im Fernsehen spielte sie neben Heinz Rühmann im „Hauptmann von Köpenick“, gab die Titelrolle in „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ oder glänzte bei den „Hesselbachs“.

Beim Rias war sie in der Unterhaltungsserie „Pension Spreewitz“ ein Publikumsliebling. Für Synchronrollen war ihre Stimme sicher nicht optimal, aber wenn etwas Geeignetes kam, dann machte sie was draus: Von 1991 bis 1994 sprach sie in der amerikanischen Zeichentrick-Serie „Die Dinos“ das Baby Sinclair, das für den geflügelten Ausruf „Nicht die Mama!“ berühmt wurde.

Für viele war sie die ewige Göre, Friedrich Luft nannte sie „eine Labsal an Berlinischer Schnodderigkeit“, aber ausnahmsweise für einen ernsten Stoff: Das war 1956 nach der Uraufführung von Erich Maria Remarques Stück „Die letzte Station", einem Drama über einen KZ-Flüchtling in den letzten Kriegstagen. Remarques Frau Paulette Goddard verehrte ihr Parfüm, und auch das Publikum beschenkte sie – mit Emotionen, „bei den Frauen besonders, als mich dann auf der Bühne die Russen abschleppten, da hatten die Damen ja nun auch ihre einschlägigen Erfahrungen“.

In der Tribüne feierte die Hancke viele Triumphe

Curth Flatow, der einige seiner Figuren eigens für sie erfunden hat, nannte sie „Die Duse vom Ernst-Reuter-Platz“ – dort stand die „Tribüne“, in der sie viele ihrer Bühnen-Triumphe feierte. Sie forderte ihn: „Ich habe mir ausbedungen, möglichst alle fünf Jahre mal ein Stück zu spielen, in dem nicht nur Quatsch gemacht wird. Ich will ja auch mal zeigen, dass ich auch noch etwas anderes kann.“ Eines dieser Stücke, das sozialkritische „Fenster zum Flur“ von Flatow und Horst Pillau, bezeichnete sie nach unzähligen Auftritten als ihre Lieblingsrolle.

Ein Leben, prall von Anekdoten. 1961 bekam sie es mit Klaus Kinski zu tun, der sie am Set der Dreharbeiten zum Film „Die seltsame Gräfin“ fast erwürgt hätte. „Kinski war eigentlich pflegeleicht“, erinnerte sie sich, „aber wenn er spielte, war er unkontrollierbar. Er sollte natürlich nur so tun, als würgte er mich, aber dann hat er mit beiden Händen meinen Hals gepackt und so fest zugedrückt, dass ich Panik bekam, ausholte und ihn ohrfeigte.“ Die Szene konnte dann mit einem etwas vorsichtigeren Kinski wiederholt werden.

Ganz ohne Intrigen lief die Chose aber nicht, andere waren unfreundlicher als Kinski, etwa der der Remarque- Regisseur Paul Verhoeven, der sie klammheimlich durch seine Tochter Lis ersetzen wollte, oder die Kollegin Heidemarie Hatheyer, die sich immer absichtlich so hinstellte, dass Edith Hancke mit dem Rücken zum Publikum spielen musste.

Heute gibt es ihr Schiller-Theater nicht mehr, auch nicht die „Tribüne“, an der sie 1970 ihren späteren Mann Klaus Sonnenschein kennenlernte. Beide feierten dort große Erfolge mit den Stücken von Curth Flatow, arbeiteten aber auch an den Kudamm-Bühnen, zum Beispiel mit der unverwüstlichen Klamotte „Pension Schöller“. Fernsehen hin, Film her: Ihr Herz gehörte dem Theater. Nur dort erlebte sie persönlich und ohne Abwarten die unmittelbaren Reaktionen auf die eigene Arbeit: „Ob die Leute über mich lachen oder weinen, das will ich doch hören.“

Den Boulevard-Zeitungen gönnte sie keinen Skandal

Vor allem das Boulevard-Theater war ihr Leben – aber den Boulevard-Zeitungen versagte sie jeden Skandal. Klaus Sonnenschein, ihren robusten, kaum weniger populären Schauspielerkollegen, heiratete sie 1972 – er hat sie bis zu ihrem Tod begleitet. 2011 schrieb er ihr in der „BZ“: „Vor zwei Jahren hattest Du Dein 62-jähriges Bühnenjubiläum. Und dann sagtest Du: So, jetzt ist es gut. Wir hatten ja auch Jahrzehnte lang jeden Abend – außer Heiligabend – auf der Bühne gestanden, dazu noch die Tourneen, Proben. Nein, es reicht jetzt mal.“

Vorher hatte es nie eine rauschende Jubiläumsgala gegeben, nicht einmal zum 60. Sie winkte ab, widersetzte sich allen einschlägigen Ansinnen. „Andere Leute sind auch 60 Jahre am Theater, ich will gar nicht, dass da so viel Wirbel drum gemacht wird.“ Ohnehin hat sie mehrfach betont, sie wolle es auf keinen Fall so lange wie Jopie Heesters treiben, „wenn ich mal den Löffel abgeben muss, dann bloß nicht im Theater. Die Leute sollen sich schließlich entspannen“.

Auch die Frage, welche Kollegen sie denn im Jenseits wiedertreffen wolle, hat sie noch mit großer Freude und sehr berlinisch beantwortet: „Na, viele! Günter Pfitzmann, Horst Buchholz, Brigitte Mira, Heinz Rühmann, um nur ein paar zu nennen.“ Das lustige Ensemble dort droben hat wichtige Verstärkung bekommen.

"Den Rock heben? Wo kämen wir denn da hin!": Lesen Sie hier eine Würdigung unseres Redakteurs Andreas Conrad zum 85. Geburtstag Edith Hanckes im Oktober 2013.

"Ich war frech, nicht sexy": Patrick Wildermann hat sich 2009 mit Edith Hanke über ihr Leben unterhalten.

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