Franzosen in Berlin: Die erste Sorge galt der Mutter und den Brüdern
Rund 15 000 Franzosen leben in der Stadt. Zum Schock angesichts des Terrors kam bei ihnen die Angst um Angehörige und Freunde.
Als er am späten Freitagabend die ersten Meldungen von den Anschlägen in Paris hörte, griff Christophe Bourdoiseau sofort zum Handy. Zuallererst rief er seine Mutter an, denn sie wohnt nur etwa 500 Meter vom Konzertsaal „Le Bataclan“ im 11. Arrondissement entfernt, wo die Attentäter nach letzten Meldungen etwa hundert Menschen im Publikum töteten. Die Mutter war wie ihr Sohn „zutiefst schockiert“, zumal ihre Wohngegend schon einmal im Visier von Islamisten gestanden hatte: Auch die Zentrale der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, in deren Redaktion Attentäter im Januar elf Menschen ermordeten, befindet sich ganz in der Nähe.
Chansonnier Christophe Bourdoiseau rief sofort seine Mutter an
Christophe Bourdoiseau (58), bundesweit bekannter französischer Chansonnier, wuchs in Paris auf, lebt aber seit vielen Jahren in Prenzlauer Berg. Auch mit seinen Brüdern Stephan und Laurent hat er per SMS sogleich Kontakt aufgenommen. Vor allem um Stephan machte er sich Sorgen. „Stephan arbeitet in Paris in der Musikbranche und geht oft zu Konzerten“, sagt Bourdoiseau.
Die ersten Meldungen kamen Fotografin Amélie Losier surreal vor
Berlin gilt als die Hauptstadt der Franzosen in Deutschland, rund 15 000 von ihnen leben an der Spree. Die Ereignisse in ihrer Heimat haben sie tief getroffen. „Meine erste Reaktion war Fassungslosigkeit“, sagt die freie Fotografin Amélie Losier. Es kam ihr „irgendwie surreal“ vor, zumal die Nachrichten sie „so weit weg“ von ihrem früheren Pariser Zuhause erreichten. Dann hat sie sofort die Websites der französischen Tageszeitungen „Le Monde“ und „Libération“ aufgerufen, um erst einmal alle Informationen zu bekommen. Und anschließend rief sie Verwandte und Freunde in Paris an. Auch etliche Berufskollegen waren darunter, denn an der Seine findet gerade eine Messe mit vielen Fotoausstellungen statt, „Paris Photo“. Am Nachmittag eilte Amélie Losier dann zum Pariser Platz, wo sich zahlreiche Franzosen zum Gedenken an die Opfer der Anschläge spontan versammelten. Dazu aufgerufen hatte unter anderem die Berliner Redaktion von „Radio France International“(RFI). Sie sendet regelmäßig Rundmails mit neuesten Informationen an ihre Landsleute, die in Berlin leben.
Das Maison de France erhielt zahlreiche Solidaritäts-Mails
Auch Fabrice Gabriel, Direktor des „Maison de France“ am Kurfürstendamm, sprach zuallererst mit seiner Familie in Paris, bevor er sich Gedanken machte, wie sein Institut auf die Anschläge reagieren sollte. Möglicherweise werde man im „Cinema Paris“, das zum Maison de France gehört, eine Veranstaltung für alle Menschen organisieren, „die gemeinsam trauern und Antworten auf die vielen jetzt offenen Fragen finden wollen“, sagt er. Was Fabrice Gabriel besonders berührte: „Schon seit dem frühen Sonnabend erreichten uns ganz viele Solidaritäts-Mails von Berlinern und Franzosen in der Stadt, aber auch aus ganz Deutschland oder Polen“, erzählt er.
Französische Protestanten rufen zum Zusammenstehen auf
Auch die Protestanten in der Französischen Friedrichstadtkirche gleich neben dem Französischen Dom am Gendarmenmarkt versuchten am Sonnabend erst einmal „mit dem Schock klarzukommen“, wie Claudine Hornung vom Gemeinderat sagt. Zur Gemeinde gehören zwei Gruppen: eine deutschsprachige Gliederung und die französischsprachige „Communauté protestante francophone“. Beide kommen zu ihren Gottesdiensten in der Friedrichstadtkirche zusammen, auch Hugenottenkirche genannt. Claudine Hornung gehört zur frankophonen Gemeinde. Sie ist zwar Studienrätin, aber sie vertritt an diesem Sonntag den Pastor auf der Kanzel. In ihrer Predigt will sie an die „Solidarität aller religiösen Freunde“appellieren. Sie leide darunter, dass sie – „weit von Paris entfernt“ – an der nationalen Trauer in Frankreich gar nicht so intensiv teilnehmen könne, wie sie eigentlich möchte, beklagt Hornung. „Ich kann zum Beispiel nicht spontan in eine Klinik gehen und mein Blut für die schwerverletzten Opfer spenden, wie das jetzt viele Pariser Bürger tun“, sagt sie.
"Wann kommt die Terrorwelle auf Berlin zu?"
Bei Dominique Lacroix in Wilmersdorf läuft seit Samstagfrüh fast ununterbrochen das Radio. Sie kommt aus Belgien, arbeitet in der Verwaltung der Charité und ist seit vielen Jahren mit einem Berliner verheiratet. Den Franzosen fühlt sich die 58-Jährige schon alleine der Sprache wegen eng verbunden. „Ich war, als ich das hörte, erst einmal still, komplett sprachlos“, sagt sie. „Ich empfinde das als ganz ähnlich wie bei dem schrecklichen Terrorangriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001.“ Besonders schockiert habe sie auch der neue perfide Trick der Terroristen, „die im Konzertsaal offenbar bewusst unmaskiert auftraten, um ihre Opfer möglichst lange in Sicherheit zu wiegen“.
Nun fragt sich Dominique Lacroix, wann die Terrorwelle auf Berlin zukommt. „Anschläge müssen wir doch auch in der deutschen Hauptstadt befürchten.“
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