Agrarmesse in Berlin: Die erste Grüne Woche in Berlin
Heute beginnt in Berlin die Grüne Woche mit 1658 Ausstellern. Es ist die 80. Agrar-Schau. Bei ihrem ersten Mal fing die Messe noch ganz klein an. Doch ihren Namen hatte sie schon – wegen der Lodenmäntel der Besucher.
Berlin – ein großes Dorf mit imponierendem Tierbestand: 45 000 Pferde, 21 000 Milchkühe, 25 000 Schweine, 530 000 Hühner. Etwa ein Fünftel der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft tätig, nicht zu vergessen die 180 000 Kleingärten und 47 Rittergüter, die sich auf dem Stadtgebiet befinden.
Eine deutschlandweite Landwirtschaftsausstellung in der Reichshauptstadt, das war für Berlins Oberbürgermeister Gustav Böß mehr als logisch, so ist seine zur Eröffnung der ersten „Grünen Woche“ vorgetragene Agrarstatistik wohl zu deuten. Sie fand am 20. Februar 1926 statt und war der Beginn einer noch immer leuchtend grünen Tradition in der seiner landwirtschaftlichen Nutzbetriebe längst weitgehend verlustig gegangenen Stadt. Von diesem Freitag wird die Grüne Woche zum bereits 80. Mal gefeiert, Anlass genug, sich auf die Anfänge zu besinnen.
Eine bekanntlich alljährliche Tradition, während einiger Jahre musste sie jedoch aus diesem oder jenem Grund ausfallen: Mal grassierte die Maul- und Klauenseuche, mal herrschte Krieg, mal wurde auf dem Messegelände gebaut. So konnte eben der 80. Geburtstag der Agrarschau schon 2006 gefeiert werden, ihre 80. Ausgabe aber gibt es erst in diesem Jahr.
Der Ursprung des Namens ist nicht mehr aufzuklären
Heute sind die modischen Unterschiede zwischen Land- und Stadtbevölkerung weitgehend verwischt. Mitte der zwanziger Jahre dagegen waren die Besuchergruppen noch viel einfacher nach der Herkunft zu sortieren, war die Grüne Woche in gewisser Hinsicht auch eine Modemesse. Aufschlussreich eine zu Beginn der ersten Agrarschau in Berliner Blättern wie der „Vossischen Zeitung“ oder der „Morgenpost“ abgedruckten Anzeige der „Baer Sohn A-G., Berlin, Chausseestraße 29, U-Bahnhof Stettiner Bahnhof“, die „Zur Grünen Woche!“ ihre „Kleidung für Landwirte und Jäger“ bewarb. So beispielsweise „Loden-Anzüge mit Breeches“ zu 24 Mark, Nappa-Handschuhe zu 4,75 Mark oder gar Jagdpelze zu 168 Mark. Die vorwiegend angebotene, von der bäuerisch-waidmännischen Kundschaft ohnehin bevorzugte Farbe: Grün, Grün, Grün.
Wer nun aber den Namen „Grüne Woche“ stiftete, haben die Chronisten nicht bis ins Letzte aufklären können. Fest steht, dass kurz nach der Jahrhundertwende in den Berliner Kaufhäusern „Weiße Wochen“ in der Nachweihnachtszeit üblich wurden, eine Art Vorläufer des Winterschlussverkaufs, bei dem vor allem Weißwaren günstiger angeboten wurden. Auch gab es die traditionell Ende Januar/Anfang Februar in Berlin abgehaltene Wintertagung der „Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft“ (DLG), deren Besucher vielfach in grünen Loden, oft mit klassischem Gamsbart am Filzhut, auftraten und die hauptstädtische Presse und besonders deren Karikaturisten zu manchen ironischen Späßen animierten. Als aus der Tagung dann erstmals die Grüne Woche erwuchs, stand der Name sofort fest – ein Fall von Gemeingut gewordener Journalistenpoesie, so die heute übliche Erklärung.
Zurück zu Oberbürgermeister Böß. Der pries die neue Messe bei ihrer Eröffnung über alle Maßen. Sie sei – so der Bericht im „Berliner Tageblatt“ – keine neue künstlich geschaffene Veranstaltung, vielmehr eine seit langem als notwendig erkannte Zusammenfassung der Splitterausstellungen und -messen, die alljährlich während der DLG-Tagung stattfänden. Die Idee dazu hatte ein der Kleinmachnower Adelsfamilie von Hake entstammender Mitarbeiter der Berliner Fremdenverkehrswerbung, Hans-Jürgen von Hake, der dem Chef von Messe- und Fremdenverkehrsamt die Umwandlung der Tagung zur Landwirtschaftsmesse vorschlug und dann auch gleich organisierte.
Auch Hindenburg schaute vorbei
Der DLG behagte die Umwandlung ihrer Fachtagung zur Publikumsmesse anfangs gar nicht, aber gegen den Erfolg schon der ersten, vom 20. bis zum 28. Februar dauernden Leistungsschau, war nur schwer anzudiskutieren: Bereits am 26. Februar konnte der 50 000. Besucher begrüßt werden, und selbst Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichswehrminister Otto Geßler schauten an dem Tag vorbei. Der Eröffnung hatten bereits der preußische Landwirtschaftsminister Heinrich Steiger („Der Nährstand ist die Quelle für die Erneuerung der Volkskraft“), Ministerpräsident Otto Braun und Berlins Polizeipräsident Albert Grzesinski beigewohnt – die Politik nahm die neue Messe sehr ernst, erhoffte sich davon eine Beflügelung der deutschen Landwirtschaft.
Als Wahrzeichen waren zwei Ähren gewählt worden, noch geradezu militärisch stramm in Habachtstellung dargestellt, erst seit 1935 zeigt man sie vom Winde gebogen. Als Ort der Messe dienten die längst verschwundenen „Ausstellungshallen am Kaiserdamm“, wie es auf dem Programmheft hieß. Das waren das „Haus der Funkindustrie“ zwischen dem noch nicht eröffneten Funkturm und dem heutigen Messedamm, als Mittelpunkt der Ausstellung mit allen Facetten des Agrar-, Forst- und Fischereiwesens; weiter die beiden Hallen der Deutschen Automobilausstellung auf Höhe des heutigen Busbahnhofs, die eine der Jagd reserviert, die andere für Reit- und Fahrvorführungen; schließlich das Freigelände dazwischen, wo die Holzindustrie ihre Produkte zeigte.
Insgesamt 351 Aussteller waren gekommen, im Vergleich zu den heute 1658 Anbietern aus 68 Ländern eine sehr überschaubare Gruppe, auch wirken gegenüber den diesmal wieder erwarteten 400 000 Gästen die Besucherzahlen von damals kümmerlich. Und dennoch: Ein Anfang war getan, eine Tradition begründet – und alles im Zeichen der Ähre.
Den Service zur aktuellen Grünen Woche finden Sie hier.
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