Easyjet-Schrumpfung, Ryanair-Forderung: Die Billigairlines passen nicht zum Geschäftsmodell des BER
Easyjet zieht Maschinen ab, Ryanair fordert Rabatt. Wie beim Öl in Schwedt oder Tesla zeigt sich: Die Abhängigkeit von wenigen Playern ist fatal. Ein Kommentar.
Wieder platzen Berliner Träume vom Fliegen, wie so oft seit dem Fall der Mauer, wo es drei Jahrzehnte dauerte, ehe ein neuer Hauptstadtflughafen eröffnet werden konnte: Nun hat die britische Airline Easyjet unerwartet verkündet, ab Winter 2022/23, sich von weiteren 275 Piloten und Flugbegleitern zu trennen, sieben der 18 Flugzeuge vom BER-Airport abzuziehen, Flüge von und nach Berlin auszudünnen.
Und das, nachdem sie ihre Berliner Flotte samt Personal seit Beginn der Pandemie bereits halbierte. Aber warum ausgerechnet jetzt, obwohl sich der Luftverkehr spürbar erholt, nur noch ein letzter Berliner Sommer von Easyjet?
Wieder wird die Hoffnung in ein Unternehmen, von dem man sich viel versprach, enttäuscht. Die Hauptstadtregion, die bis heute an Spätfolgen der Teilung leidet, hat seit 1990 Pech mit „ihren“ Airlines: Für die Lufthansa, mal mit großen Versprechen angetreten, blieb Berlin ein Nebenflugplatz – gewiss, mit Ausnahme der Corona-Phase, wo die Staatslinie dank Staatsmilliarden zeitweise fast allein flog. Ihr Fokus bleibt aber auf Frankfurt/Main und München, Langstrecke ab Berlin ist nicht in Sicht.
Die Billigflieger sind immer auf der Jagd nach einem günstigeren Flughafen. Nur haben die irgendwann alle durch und es sich mit denen verscherzt oder wie Altenburg und Hahn in die Pleite getrieben. Geflogen wird trotzdem weiterhin, wenn nicht gerade Corona ist.
schreibt NutzerIn 13587
Oder Air Berlin. Vielen Passagieren in guter Erinnerung. Eineinhalb Jahrzehnte war das hier die Nummer eins, bis zur Pleite 2017. Die Airline wollte zu schnell zu hoch hinaus, übernahm sich, auch hier zu viel Traumtänzerei, zu wenig Realitätssinn, durchaus typisch für Berlin.
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Es folgte Easyjet. Nahtlos. Aufbruch statt Einbruch, Marktführer, samt der Hoffnung, dass die Airline das Rückgrat des BER-Airports würde. Dazu passte der Anspruch, den Deutschlandchef Stephan Erler noch im Januar 2022 formulierte, die „Heimat-Airline für Berlin, Brandenburg und Ostdeutschland“ zu sein.
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Heimat-Airline? Fehlanzeige. Betriebswirtschaftlich verbirgt sich hinter dem jetzt verkündeten Abflug auf Raten die Abkehr vom Geschäftsmodell der goldenen Mitte – preiswerte Flüge, aber mit besserem Service und sozialen Standards für die Belegschaft – hin zur Billigairline pur, zur Profit-Only-Company à la Ryanair.
EU-Auflage: Keine neuen Rabatte für Airlines am BER
Grundsätzlich zeigt sich auch hier, wie fatal Abhängigkeiten von einzelnen Großplayern sein können, ob am BER oder in Schwedt mit der Raffinerie, die an einem Rohr aus Russland hängt. So etwas macht verletzbar, erpressbar. Das bleibt auch ein Risiko für Teslas neue Gigafactory in Brandenburg. Elon Musk verlegte schließlich schon mal rüde die Tesla-Zentrale: aus dem progressiven Kalifornien ins konservative Texas, weil die Anforderungen dort niedriger sind. Gerade bei Leuchtturmprojekten, auf die Politik in strukturschwachen Regionen oft setzt – auch der BER ist eins –, können Segen und Fluch dicht beieinander liegen.
Deutschlands drittgrößter Airport ist, was sich rächt, zu abhängig von ein, zwei ziemlich dominierenden Billigfliegern wie Easyjet. Die sicherten lange rasantes Wachstum, angelockt durch günstige Konditionen.
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Das war kein Problem, denn die alten Flughäfen Tegel und Schönefeld/Alt kosteten wenig, verdienten aber viel, was seit der Eröffnung des fast sieben Milliarden Euro teuren BER und mit den üblichen höheren Gebühren fundamental anders war. Und mit dem Corona-Einbruch fiel mit Schönefeld/Alt auch noch das für Easyjet und Co. kostengünstige Billigterminal weg.
Die Zahlen passen nicht mehr zusammen. Die Geschäftsmodelle des neuen Metropolen-Airports und der Billigairlines kollidieren, was kaum auflösbar ist. Zu befürchten ist deshalb, dass auch die aggressive irische Airline Ryanair zum Rückzug blasen könnte, die sich Anfang 2021 bereits vom Frankfurter Flughafen zurückzog. Begründung: zu hohe Gebühren. Auch am BER fordert Ryanair nun eine Absenkung.
Der BER darf Airlines aber keine neuen Rabatte gewähren. Das war die Auflage der EU, als sie die staatliche 1,7-Milliarden-Rettungsspritze genehmigte, um eine drohende BER-Insolvenz abzuwenden. Das Geld reicht nun nicht, um bis 2026 die Gewinnzone zu erreichen. Erneut steht der Flughafen von Berlin und Brandenburg vor einer harten Landung in der Realität. Es wird schwierig genug, eine Bruchlandung abzuwenden.