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Jetzt Ruine. Im August kündigte das Studio das Ende der „Berliner Straße“ an. Ihre Fassaden erwiesen sich aber als ziemlich stabil.
© Studio Babelsberg

Von Polanski bis Tarantino: Die berühmteste Berliner Straße wird neu gebaut

Die „Berliner Straße“ im Studio Babelsberg führte schon durch Warschau, London, Paris, New York und San Francisco. In den vergangenen Wochen wurde die Filmkulisse abgerissen, doch im Frühjahr soll sie an anderer Stelle wiederauferstehen.

Das Werk der Zerstörung ist fast vollendet. Eine Knochenarbeit, an der seit Wochen tagein, tagaus bis zu 30 Mann mitwirkten. Pappwände? Von wegen. Bis zu neun Meter tief ragen die Stahlträger der als „Berliner Straße“ bekannt gewordenen Kulisse auf dem Gelände des Studios Babelsberg in den märkischen Sand. Das dauert, bis alles wieder besenrein ist.

Im August hatte das Studio bekannt gegeben, dass die Kulissenstraße, die schon viele Städte darstellen durfte, weg muss. Das nur gepachtete Areal, auf dem sie 1998 für den Film „Sonnenallee“ aufgebaut worden war und dem Ost-Berliner Leben der siebziger Jahre einen bildkräftigen Drehort bot, soll, wie berichtet, für Neubauten genutzt werden, mit bis zu 400 Studentenwohnungen, Boarding-Häusern für Langzeitgäste, Büros, Gastronomie und mehr. Alt-Berlin musste da weichen.

Berliner Straße in Babelsberg wird durch Neubau ersetzt

Damals wusste das Studio noch nicht, wo ein Ersatz für die attraktive Außenkulisse hingebaut werden könnte, jetzt aber ist die Entscheidung gefallen, wie Studiosprecher Eike Wolf mitteilte: Geplant ist ein Neubau in der Nähe des alten Lokschuppens jenseits der Großbeerenstraße, in dem Tom Tykwer 2008 für „The International“ die Rotunde des New Yorker Guggenheim-Museums zusammenschrauben und im Kugelhagel zerkleinern ließ und in dessen Nähe 2010 für Roland Emmerichs „Anonymous“  Shakespeares Globe-Theatre gezimmert wurde. Dort werden schon zwei Nebenstudios betrieben, nun soll noch die Außenkulisse dazukommen. Der Baubeginn ist fürs Frühjahr avisiert, einige Teile, auch die Pflastersteine, die wiederverwendet werden sollen, lagert man ein. Man begreife den notwendigen Neubau als Chance, wolle da alles richtig machen, sagt Wolf. Wenn man so will: nicht kleckern, sondern klotzen.

Mit Roman Polanskis "Pianist" begann alles

Ihren letzten Auftritt hatte die Straße in der Romanverfilmung „Die Bücherdiebin“ mit Geoffrey Rush, Emily Watson, Heike Makatsch und der jungen Francokanadierin Sophie Nélisse in der Titelrolle, der kürzlich in den US-Kinos angelaufen ist. Die Kulisse durfte da diverse Straßen in einer bayerischen Kleinstadt und im Heidelberg der vierziger Jahre mimen, Abschluss einer internationalen Karriere, die vor elf Jahren mit Roman Polanskis oscarprämiertem Holocaustdrama „Der Pianist“ begonnen hatte. Damals stellten die künstlichen Bauten das Warschauer Ghetto dar. Ohnehin erwies sich die Berliner Straße mit ihren 7000 Quadratmetern Fläche und den 26 Hausfassaden als echtes Chamäleon, angelegt von Anfang an für eine flexible Nutzung. Durch Lücken in der Häuserschlucht und angedeutete Straßeneinmündungen konnten besondere historische Fassaden nachträglich ergänzt oder bei Bedarf sogar Hinterhofsituationen geschaffen werden. Farblich waren die mit mineralischem Putz bedeckten Wände sowieso je nach Wunsch variabel.

Quentin Tarantino verlegte die Straße nach Paris

Für Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ wurde die Berliner Straße 2009 sogar nach Paris verlegt und mit einem Kino ausgestattet, dem Ort des für Hitler tödlichen Showdowns. Für die Jackie-Chan- Komödie „In 80 Tagen um die Welt“ (2004) lag die Straße mal in London, mal in San Franciscos Chinatown, in „Beyond the Sea“ (2004) in New York und wiederum in San Francisco. Als Berliner Straße führte sie mal durch Treptow („Sonnenallee“), mal durch Kreuzberg („Herr Lehmann“, 2003), Mitte („Russendisko“, 2012) oder Friedrichshain („Boxhagener Platz“, 2010). Kurz: Eine Straße, die viel herumgekommen ist.

Andreas Conrad

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