"Make City"-Festival: "Die Berliner Mischung muss neu gedacht werden"
Beim "Make City"-Festival zeigen Planer, Künstler und Initiativen Ideen für eine lebenswerte Stadt. Ein Gespräch mit der Initiatorin.
Als 2013 klar wurde, dass es 2020 doch keine Internationale Bauausstellung in Berlin geben wird, entwickelte Francesca Ferguson, frühere Leiterin des Architekturmuseums Basel, zusammen mit verschiedensten Mitstreitern das "Make City Festival für Architektur und Andersmachen". Ab Donnerstag findet es zum zweiten Mal statt – in fast allen Bezirken .
Frau Ferguson, Make City hört sich zunächst nach Architekturfestival an. Doch an den 260 Veranstaltungen beteiligen sich auch Künstler, Aktivisten und Initiativen aus aller Welt. Können Architekten und Stadtplaner die baulichen Probleme nicht mehr allein lösen?
Genau. Die einzige Form smarter Stadtentwicklung heute ist, ganzheitlich zu denken. Wenn Politik und Verwaltung einer Stadt nicht mitziehen, hat es keinen Sinn, wenn Architekten sich beispielsweise gegenüber neuen Ideen und Materialien wie Holzbau öffnen. Zig bestehende Regularien würden die Umsetzung verhindern. Das gleiche gilt für Planungsverfahren mit Bürgerbeteiligung. Deswegen heißt das Festival dieses Jahr "Berlin Remixing – Stadt neu gemischt".
Was hat sich in den Köpfen der Berliner denn ihrer Meinung nach neu gemischt?
Es gibt eine zunehmend politisierte Zivilgesellschaft, nicht nur in Berlin. Die ganzen Austauschplattformen, die in den letzten Jahren entstanden sind, aber auch neue genossenschaftliche Finanzierungsmodelle beim Wohnungsbau zeigen, dass die Bürgerschaft öfter Dinge selbst in die Hand nimmt – vor allem, wenn die Verwaltung Probleme nicht rechtzeitig löst.
Eines der größten Probleme in Berlin ist die Wohnungsnot. Hat das Festival da Lösungsvorschläge?
Wir haben unter anderem Kooperativen aus Spanien und der Schweiz zu Gast, die sich mit einer neuen Form von Banken organisiert haben, um mehr Wohnungsbau zu sichern. Diese arbeiten nicht mit Gewinnziel, sondern müssen als Solidaritätsfonds ihre Gewinne wieder für den Bau neuer Wohnungen einsetzen. Manches davon könnten Blaupausen sein.
Sie bringen also Utopien aus aller Welt nach Berlin, um zu gucken, was davon übertragbar ist?
Nicht nur Utopien, sondern schon funktionierende Modelle. Von denen gibt es übrigens auch schon einige in Berlin, die man im Festival besichtigen kann.
Zum Beispiel?
Der Neubau am Blumengroßmarkt in Kreuzberg. Dort haben ganz verschiedene Gewerbe gemeinschaftlich mit anderen Akteuren eine Idee entwickelt. Jetzt entsteht dort ein Mix von Gewerbe und integrativem Wohnen. Eine neue Mischung aus Genossenschaft und Eigentumswohnungen ermöglicht, dass die Kosten der Eigentumswohnungen die Finanzierung günstigerer Mietwohnungen auf dem Gelände mitermöglichen. Das ist auch eine Antwort auf das Problem von oftmals sehr monokulturellem Sozialen Wohnungsbau.
Sie wollen die Berliner Mischung retten?
Entmischung sehe ich derzeit tatsächlich als das größte Problem der Stadt. Die Berliner Mischung war eigentlich schon immer eine sehr avantgardistische Idee, zu sagen, wir mischen Produktion, Handwerk und Wohnen. Inzwischen wurde aber in vielen Städten der Welt das Handwerk nahezu völlig an die Stadtränder gedrängt. Also zeigen wir Beispiele, wie man die Idee der Berliner Mischung neu denken könnte.
Wie soll das funktionieren?
Zum Beispiel durch ein Wiederbeleben der Erdgeschosse. Da zeigen wir Beispiele aus Peking, wie das einen ganzen Kiez beleben kann. Und in Hohenschönhausen werden im Rahmen des Festivals leerstehende Räume reaktiviert. Die schwer vermietbaren Räume werden zu Stadtwerkstädten, wo niederländische Architekten zeigen, wie man aus Plastikmüll neue Gebäudeteile herstellen kann – also wieder etwas produziert.
Wo ist die Berliner Mischung noch in Gefahr?
Ich finde extrem wichtig, die Innenhöfe wieder zu aktivieren. In unserer Gesellschaft leben heutzutage sowieso alle zunehmend in ihren Nischen. Und jetzt werden in Innenhöfen auch noch Zäune gebaut, wo eigentlich Offenheit herrschte. Im Festival gibt es Führungen durch die Gerichtshöfe und die Wiesenburg in Wedding. Dort sind teils absolute Oasen entstanden – deren Zukunft aber unklar ist.
Im Festivalprogramm ist sogar die Rede von einem neuen Gesellschaftsvertrag, den die Stadt braucht. Was heißt das ?
Der Eigentümer, der mit seinem Immobilienbesitz Profit macht, sollte selbstverständlich eine Gemeinwohlverpflichtung haben. Gerade auch bei neuen Unternehmen wie der Factory am Nordbahnhof oder dem Google Campus wäre es gut, wenn es eine Verpflichtung gäbe, der Stadt oder dem Kiez etwas wiedergeben zu müssen: Warum nicht eine Küche für Bedürftige in den Hof der Factory integrieren? Dann würden die Start-up-Mitarbeiter zwischendurch öfter auch mal das andere Berlin sehen.
Was hoffen Sie, dass die Besucher von dem Festival mitnehmen?
Dass Stadt anders gedacht werden kann. Das erfordert ein Aufmischen im Kopf. Und dass das konkret umgesetzt werden kann. Und zwar nicht immer nur von Experten. Sondern genauso von Zivilgesellschaft, Genossenschaften und ungewöhnlichen Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und Privaten. Und von ihnen selbst.
Das Programm finden Sie unter www.makecity.berlin
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