Berlin: Die Berliner können die Kanäle einfach nicht mehr voll bekommen
Das Berliner Wasser- und Abwassernetz muss regelmäßig durchgespült werden – die Dimensionen entsprechen nicht mehr dem aktuellen Wasserverbrauch
Wasser marsch! Täglich werden rund 550 000 Kubikmeter Wasser durch das Berliner Leitungssystem gepumpt. Das klingt viel, ist es aber gar nicht. Denn seit 1990 hat sich der Gesamtverbrauch der Stadt halbiert. Das liegt zum einen an moderneren Haushaltsgeräten, wie Geschirrspülern und Waschmaschinen, die wesentlich weniger Wasser verbrauchen als noch vor zwanzig Jahren. Zum anderen hat die industrielle Abwanderung aus Berlin auch ihren Teil dazu beigetragen, dass der Wasserbedarf gesunken ist.
„Wir müssen gerade im Sommer die Rohre und Abwasserkanäle durchspülen“, sagt Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben. „Wasser ist ein Lebensmittel und das System braucht eine Mindestdurchspülung, um den hohen Qualitätsstandard zu halten.“ Trinkwasser könnte verkeimen und Abwasser faulen. Die dabei entstehende Schwefelsäure wirkt korrodierend auf Stahl und Beton im Leitungssystem, außerdem belästigt der schwefelige Geruch die Umgebung. „Wir spülen aus finanziellen Gründen“, so Natz. Der Rückbau der Anlagen sei wesentlich teurer als das Durchspülen.
Die Berliner Wasserbetriebe investieren jährlich rund 250 Millionen Euro in ihre Infrastruktur, davon fließen gut 200 Millionen Euro in Erneuerungsprojekte für ein Prozent des 18 500 Kilometer langen Netzwerks. „Würden wir nur zwei Prozent des Netzes jährlich erneuern wollen, müssten wir 400 Millionen Euro investieren“, sagt Natz. Das sei einfach zu teuer.
Außerdem weißt er darauf hin, dass auch mit Blick auf den Klimawandel eine Redimensionierung des Abwassersystems schwierig sei. „In Zukunft werden die Sommer eher Dürren sein, die periodisch von sintflutartigen Unwettern durchbrochen werden.“ Für die Unmengen an Regenwasser müsse es dann Abflussmöglichkeiten geben und dafür seien größere Kanäle besser geeignet als kleinere. Bis Anfang 2008 ist nähr- und schadstoffhaltiger Straßendreck, der vor allem über das Regenwasser ins Netz gespült wurde, durch Regenüberläufe direkt in die Gewässer gelangt. Heute wird ein Teil dieses Wassers zu Klärwerken geführt, die noch freie Kapazitäten haben. Jährlich werden so etwa 1,5 Millionen Kubikmeter Mischwasserüberläufe vermieden. Seit 1990 haben die Berliner Wasserbetriebe sieben Milliarden Euro in die Infrastruktur investiert. Rund zwei Drittel dieses Betrages flossen in den 90er Jahren in den Ostteil der Stadt und dort in den in den Abwasserbereich. „Der Osten ist heute moderner als der Westen“, so Natz. Hier habe es in den letzten zwanzig Jahren den größeren Modernisierungsschub gegeben.
Dazu zählt auch die Ausweitung des Abwassernetzes in Bestandssiedlungen, die noch zu DDR-Zeiten unerschlossen blieben – wie etwa Karow oder Buch. Über 99 Prozent der Grundstücke im Berliner Siedlungsgebiet sind somit heute an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Jetzt modernisiere sich der Westen langsam heran, so Natz weiter. Eine Folge dieser Entwicklung ist eine Verbesserung der Rohrbruchquote. „Noch Anfang der 90er Jahre war sie im Osten der Stadt dreimal so hoch gewesen wie im Westen.“ Heute rechnet man im gesamten Berliner Wassernetz mit etwa zwei Schäden pro Tag und einem jährlichen Wasserverlust von gerademal drei Prozent, was weit unter dem deutschen Durchschnitt von acht Prozent liegt.
Auch in Zukunft will das Unternehmen weiter in die Infrastruktur investieren. Bis 2020 sollen es jährlich 220 bis 270 Millionen Euro sein. Dabei liegt der Schwerpunkt der Investitionen in der Modernisierung des Abwasserbereichs – wie schon in der Vergangenheit. Die wesentlichen Akzente setzten dabei die Steigerung der Reinigungsleistung der Klärwerke, die Erhaltung und Pflege des Kanalnetzes sowie die Schaffung zusätzlicher Speicherkapazitäten für Abwasser, wie Stephan Natz bestätigt. Im Bereich der Wasserversorgung habe die Erneuerung der Wasserwerke Priorität, darunter der Neubau des Wasserwerks Johannisthal. Tong-Jin Smith
Tong-Jin Smith
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