zum Hauptinhalt
Bernhard Mackowiak (l.) und Harry Heyer sprechen über Erfahrungen aus ihrer Kindheit im geteilten Berlin.
© Lea Diehl

Zeitzeugenportal sammelt Berlin-Geschichten: "Die Amerikaner mit ihren Jeeps waren für mich extrem spannend"

Auf einem neuen Zeitzeugenportal erzählen Berliner von Erinnerungen an Ost und West - und illustrieren so über 100 Jahre Geschichte.

Bernhard Mackowiak erinnert sich an seine Kindheit in West-Berlin: An die Stimmung während der Kuba-Krise Anfang der Sechziger Jahre. Die Worte eines Geschäftsmannes hat er noch im Ohr: „Junge, ich weiß nicht, ob wir morgen noch leben.“ Mackowiak, 1951 geboren, wuchs „zwischen den Panzern der Besatzungsmächte“ auf, wie er heute sagt. Seine und andere Zeitzeugenberichte sind seit Dienstag auf der Website www.zeitzeugen-portal.de der Stiftung "Haus der Geschichte" der Bundesrepublik Deutschland abrufbar.

Das Portal führt Videomaterial aus verschiedenen von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, geförderten Institutionen zusammen, um es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In den Archiven der Einrichtungen sollen rund 12.000 solcher Aufnahmen schlummern, zum Teil noch auf Super-8-Filmen. Hinzu kämen 1.000 Videos des Vereins „Gedächtnis der Nation“.

Die Beiträge beginnen mit dem Jahr 1914 und reichen bis in die Gegenwart. Rund ein Viertel der Videos habe einen Bezug zu Berlin, sagt Ruth Rosenberger, Leiterin der Abteilung Digitale Dienste. Schließlich sei Berlin ein „Brennglas deutscher Geschichte“.

Zwischen Absurdität und Faszination

Zeitzeuge Mackowiak hält diese Videos für wichtig. Man habe „eben eine ganze Menge erlebt“, sagt der Charlottenburger, der zur Vorstellung des Portals mit Kork-Hut und brauner Lederjacke erschienen war. Viele Dinge könnten nachfolgende Generationen gar nicht mehr nachvollziehen – etwa den Mauerbau, die Kuba-Krise, die gesamte Lebenswirklichkeit zur Zeit des Kalten Krieges. Die Situation in West-Berlin sei absurd gewesen. „Hier war Wild West“, sagt er. Als Elfjähriger habe er gelernt, „dass nichts in der Welt sicher ist“.

Bei aller Absurdität seien die Sechziger faszinierend gewesen. „Die Amerikaner, die mit ihren Jeeps durch Kreuzberg fuhren, waren für mich kleinen Bengel extrem spannend.“, Und dann war da noch der Besuch von John F. Kennedy. Jüngere könnten sich ein „Leben mit der Mauer“ heute nicht mehr vorstellen, sagt der Mittsechziger. Dabei sei die Mauer in der Stadt Normalität gewesen: „Man gewöhnte sich daran.“

Ein weiterer Zeitzeuge ist der vier Jahre ältere Harry Heyer aus Rudow. Auf dem Zeitzeugenportal schildert er Erinnerungen aus derselben Zeit - aus anderer Perspektive. Anders als Mackowiak ist er im Osten geboren. Heyer erzählt, wie er als DDR-Flüchtling 1954 mit dem Zug nach West-Berlin kam.

„Die Kontrollen waren zu dem Zeitpunkt noch nicht so stark“, erzählt er in einem Video. Wie andere Kinder gelangte er über die Kinderluftbrücke vom Flughafen Tempelhof nach Frankfurt und lebte dort zur Erholung bei einer Gastfamilie. Heyer sagt: „Das war wie im Schlaraffenland.“

Sprechen über Ungerechtigkeit

Die Videos betrachte er als Würdigung seines Vaters. Dieser war in den Fünfzigern verhaftet worden und hatte als CDU-Mitglied über zwölf Jahre in Haft gesessen. „Erst in Stasi-Haft, dann in allen möglichen Zuchthäusern“, erzählt sein Sohn. Weil er andere nicht verraten wollte, sei der Vater gefoltert worden. Die Haftfolgeschäden wurden lange nicht anerkannt. Am Tag der Anerkennung 1994 sei der Vater am Abend „mit Lachen im Gesicht“ gestorben.

Heyer hält es ebenfalls für wichtig, dass die Geschichten zugänglich gemacht werden: „Es geht nicht, dass wir heute über Ungerechtigkeit reden, und die nächste Generation weiß davon nichts.“

Zur Startseite