Berlin: Die Abgeordneten werden von oben erleuchtet
BERLIN .Sie wird vermutlich bald die bekannteste Kuppel Deutschlands sein und als Halt auf keiner Stadtrundfahrt fehlen.
BERLIN .Sie wird vermutlich bald die bekannteste Kuppel Deutschlands sein und als Halt auf keiner Stadtrundfahrt fehlen.Zu Spitzenzeiten werden mehrere hundert Besucher stündlich auf ihren Rampen in die Höhe schlendern und sich bis in den späten Abend Berlin von allen Seiten ansehen können.Rita Süssmuth brauchte gestern rund sieben Minuten, um gemächlichen Schritts nach oben zu kommen.Die 23 Meter hohe Kuppel über dem Reichstagsgebäude ist fast fertig; die Bundestagspräsidentin nutzte den Anlaß, um sich ein aktuelles Bild vom 600-Millionen-Umbau zu machen.Die Schlußphase ist erreicht: Ende des Jahres wird das Reichstagsgebäude dem Bundestag übergeben, Ende April 1999 feierlich eröffnet.
Wie das Hohe Haus dann heißt, wußte Rita Süssmuth gestern in der Kuppel noch nicht zu sagen.Die Frage sei weiterhin offen.Da hier bekanntlich der Bundestag einziehe, werde es vielleicht Bundeshaus, aber "auf keinen Fall Reichstag" heißen, auch wenn man Zweifel habe, ob sich der Begriff zumindest aus dem Wortschatz der Berliner tilgen lasse.Offiziell lautet die Adresse derzeit "Deutscher Bundestag, Platz der Republik", inoffiziell spricht die Parlamentsverwaltung nur vom "Plenargebäude" oder legt Wert darauf, daß - wenn schon der alte Name genannt wird - vom "ehemaligen" Reichstagsgebäude die Rede ist.
Rita Süssmuth und der Vorsitzende der Baukommission des Bundestags, Dietmar Kansy, hatten sich mit Vertretern der Bundesbaugesellschaft und einer großen Schar von Presseleuten auf den Weg nach oben gemacht, die 750 Bauarbeiter rückten dezent zur Seite.Zwischenstation war das Herzstück des Hauses, der neue Plenarsaal, der vielen Betrachtern überraschend klein vorkam.Dabei fehlen noch die Stühle.Sie werden erst im nächsten Monat installiert.Rita Süssmuth erinnerte an die berühmte Reuter-Rede vor 50 Jahren und betonte, man werde nie wieder diesen Platz der freiheitlichen Demokratie aufgeben und unverteidigt lassen.Dietmar Kansy betonte, der von Sir Norman Foster geplante Umbau, der lange mit der Denkmalpflege erörtert worden sei, orientiere sich an den ursprünglichen Strukturen des alten Wallot-Baus, habe nun keine "Kaninchenställe und Zwischenetagen" mehr, wie nach der früheren Umgestaltung der sechziger Jahre.
Während er das sagte, blendete von oben das Sonnenlicht in den Saal mit seinem trichterförmigen, gespiegelten Licht-Umlenk-Element, wegen seiner Form auch "Möhre" genannt.Skeptiker vermuteten bereits eine Fehlkonstruktion und stellten sich schon von grellem Licht verstörte Bundestagsabgeordnete vor, wurden dann aber eines Besseren belehrt: In der Kuppel ist das bewegliche Sonnenschutzelement noch nicht fertig; den Stahlrahmen gibt es zwar schon, die Aluminiumlamellen müssen aber noch angebracht werden.
Und oben konnten sich dann alle davon überzeugen, daß die Kuppel kaum noch verändert werden muß.Rund 3000 Quadratmeter Glassfassade (17 übereinander liegende Reihen von Scheiben) und 800 Tonnen Stahlkonstruktion sind montiert.Die Kuppel werde nicht nur Licht auf die Abgeordneten werfen, "auf daß wir erhellt werden", sondern den Plenarsaal natürlich entlüften, weil sie oben offen sei.Sie werde ein städtebauliches Highlight sein, weithin vom Parlament künden und vor allem für die Besucher eine Attraktion sein.Auf der 200 Quadratmeter großen Aussichtsplattform sicherte Mark Braun vom Architekturbüro Foster einigen Zweiflern zu, daß selbst bei Regen und im härtesten Winter der Aufenthalt hier empfehlenswert ist; Regenwasser kann schnell ablaufen, und die Rampen, die noch einen Belag aus Gußasphalt erhalten, werden beheizt.
Und wer oben ist, muß sich ohnehin nicht vom Wetter beindrucken lassen: Es wird im Reichstagsgebäude unter anderem ein Dachgartenrestaurant neben der Glaskupel geben, "mit einem atemberaubenden Blick über Berlin", wie Feinkost Käfer formulierte.Das Unternehmen nutzte die Visite der Bundestagspräsidentin, am Eingang der Baustelle mit einer Werbemappe auf die künftige Gastronomie hinzuweisen.
CHRISTIAN VAN LESSEN
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