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Hertha BCS sind mit ihrem alten Olympiastadion nicht mehr zufrieden - es ist zu groß.
© Kay Nietfeld/dpa

Stadionfrage in Berlin: Die 20-jährige Diskussion um den Hertha-Palast

Die Berliner Hertha wünscht sich aktuell ein Heim, das ihren Verhältnissen entspricht. Diskutiert wird über eine neue Arena oder einen fußballgerechten Umbau des alten Olympiastadions - und das schon seit 20 Jahren.

Noch drei Heimspiele, dann ist die Saison zu Ende. Am heutigen Sonnabend spielt Hertha BSC gegen den VfL Wolfsburg, im Olympiastadion – wo sonst? Naja, es hätte auch anders kommen können. Denn die Diskussion über eine neue Heimstatt für Berlins Erstliga-Klub, die jetzt wieder aufflammt, wurde schon einmal geführt. In den neunziger Jahren, als Politiker, Sportfunktionäre und Architekten über die Zukunft des völlig maroden Olympiastadions stritten, das ohne die Fußball-WM 2006 in Deutschland vielleicht sogar abgerissen worden wäre.

Damals zogen jene den Kürzeren, die für eine neue Hertha-Arena plädierten oder das Baudenkmal im Westen Berlins zu einem reinen Fußballstadion umbauen wollten. Kurz nach dem Mauerfall, als die frisch gebackene Hauptstadt von Olympischen Spielen in Berlin träumte, begann die Debatte über eine Komplettsanierung des Olympiastadions. Doch der Senat hatte große Mühe, sich auf eine tragfähige und bezahlbare Lösung des Problems zu einigen. Erst nach mehrjährigem Ringen beschloss die schwarz-rote Regierung im Mai 1998, den ruinösen Bau zu einem Austragungsort für Fußball, Leichtathletik und kulturelle Großveranstaltungen „bei möglichst weitgehender Wahrung des historischen Erscheinungsbildes“ zu machen.

Eine Fußballarena sollte gebaut werden

Vorher hatten sich der damalige Stadtentwicklungssenator und SPD-Landeschef Peter Strieder, der Bundesligaverein Hertha BSC und der Landessportbund (LSB) dafür eingesetzt, auf dem Olympiagelände eine klassische Fußballarena zu bauen. Es sei nötig, so Strieder, für den „Wirtschaftsfaktor Fußball optimale Produktionsbedingungen zu schaffen“. Die Politik müsse umdenken und den Fußball „fern jeglicher Sentimentalität“ als eine Gewerbeansiedlung begreifen, die von der Stadt durch die Bereitstellung eines attraktiven Grundstücks und gute Verkehrsanbindungen gefördert werde.

Für einen Neubau gab es sogar Pläne, die vom Berliner Architekten Jürgen Sawade erarbeitet wurden. Auf dem Hockeyplatz des Olympiageländes sollte eine Fußballarena für 65 000 Zuschauer errichtet werden. Für 125 Millionen Euro, die der Konzern Hochtief übernommen hätte. Die Refinanzierung sollte durch die private Vermarktung der Hertha-Arena gesichert werden. Gleichzeitig sollte das Olympiastadion mit öffentlichen Mitteln vor dem endgültigen Verfall gerettet werden. Die Kosten für eine Grundsanierung wurden auf 100 Millionen Euro geschätzt. Anschließend sollten dort, so die Idee Strieders, Großveranstaltungen vom Rockkonzert bis zum Papstbesuch stattfinden.

Kritik von vielen Seiten

Aber dieses Konzept hatte in der Politik zu viele Gegner. In der eigenen Partei konnte sich Senator Strieder nicht gegen die Sportsenatorin Ingrid Stahmer und deren einflussreichen Staatssekretär Klaus Löhe durchsetzen. Auch der Koalitionspartner CDU sowie die Oppositionsparteien Grüne und Linke (ehemals PDS) waren gegen einen Neubau in enger Nachbarschaft zum Olympiastadion. Dies sei „prinzipiell abzulehnen“, hieß es in einem Parlamentsantrag der Grünen.

Eine andere Variante wurde ebenfalls verworfen: Der privat finanzierte Umbau des Olympiastadions zu einer reinen Fußballarena. Eine Idee, die zunächst vom Bundesfinanzministerium favorisiert wurde. Denn damals gehörte das Stadion dem Bund, der damit finanziell so wenig wie möglich zu tun haben wollte. Auch die Unternehmensberatung Seebauer, die für den Senat eine Entscheidungsgrundlage für den Umgang mit dem Olympiastadion erarbeiten sollte, sprach sich dafür aus, in die Außenmauern des Baudenkmals ein reines Fußballstadion zu setzen. Die Kosten wurden auf etwa 150 Millionen Euro geschätzt, der Bund hätte die Immobilie einem privaten Investor kostenlos zur Verfügung gestellt.

„Kathedrale des Sports und der Unterhaltung“

Am Ende setzten sich aber, vor allem aus finanziellen Gründen, die Befürworter eines multifunktional nutzbaren Stadions im öffentlichen Eigentum durch. Auch Senator Strieder lenkte ein und lobte nach dem Senatsbeschluss den Umbau zu einer „Kathedrale des Sports und der Unterhaltung“. Die Pläne kamen vom Achitekturbüro Gerkan, Marg und Partner, das damals behauptete, den „Zielkonflikt zwischen den Anforderungen einer multifunktionalen Nutzung und einer reinen Fußballarena in eine Synthese verwandeln“ zu können. Das erwies sich, jedenfalls aus Sicht von Hertha BSC und vielen Fans, als eine Fehleinschätzung.

Jetzt fordert der Verein wieder einen Neubau auf dem Olympiagelände – oder notfalls im brandenburgischen Ludwigsfelde, wenn sich der Senat verweigern sollte. Die Berliner SPD bringt – als Alternative dazu – den Umbau des Olympiastadions zu einer klassischen Fußballarena wieder ins Gespräch. Sollte Rot-Rot- Grün diese Position übernehmen, sind schwierige Fragen zu klären: Bliebe das Stadion im Landeseigentum? Wer finanziert den Umbau und den Betrieb? Geklärt werden müsste auch, wo künftig internationale Leichtathletikveranstaltungen stattfinden, denn mit der Sanierung des dafür grundsätzlich geeigneten Jahn-Stadions wird frühestens 2020 begonnen. Und ist es möglich, bei einem Umbau des Olympiastadions für den Fußball dem Denkmalschutz zu genügen? Denn dafür müssten die Tribünen umgebaut und der Boden abgesenkt werden.

Es ist wohl davon auszugehen, dass der erneute Umbau des Stadions eine größere dreistellige Millionensumme verschlingen würde – und deutlich teurer sein dürfte als ein Neubau. In jedem Fall drängt die Zeit. Hertha BSC will nur noch bis 2025 im alten Stadion spielen, dann läuft der Nutzungsvertrag mit der landeseigenen Olympiastadion GmbH aus. Für eine politische Entscheidungsfindung, die Erarbeitung von Plänen und den Bau wären acht Jahre Zeit. Für Berliner Verhältnisse ist das ziemlich knapp.

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