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Die Energiewende ist das Ziel, der Weg noch weit. Frank Vach kämpft jetzt das fünfte Jahr um sein zweites Windrad.
© Kitty Kleist-Heinrich

Behördenposse: Der Wind weht, wo er will

Das Verwaltungsgericht besichtigt einen Acker am Stadtrand. Eine Firma will dort ein Windrad bauen, doch die Behörden sind dagegen.

Frank Vach betreibt Berlins erstes Windrad. Fast sechs Jahre kämpfte er dafür, auch vor Gericht. Seit 2008 versorgt es 1200 Haushalte mit Strom. Seit damals will Vach noch ein zweites bauen – und wieder musste er dafür klagen. Immer neue Bedenken hatte das Land, warum das Vorhaben nicht zulässig sei. So kam es, dass sich eine Kammer des Verwaltungsgerichts am Mittwoch auf einem sonnigen Acker in Weißensee wiederfand, direkt an der Grenze zu Brandenburg. Die gewonnenen Erkenntnisse bei der Ortsbegehung lassen jedoch eher auf eine Behördenposse schließen.

Es gibt in Berlin nur zwei Gebiete, die als geeignet für die Nutzung von Windkraft eingestuft wurden. Auf dem einen steht das eingangs genannte Windrad, auf dem anderen möchten Frank Vach und Peter Weber das zweite bauen. Das Gelände an der B 2 Ecke Am Luchgraben haben sie vom Bezirk Pankow für 25 Jahre gepachtet. Vach und Weber zahlen noch nicht viel dafür – und das Land hat es anscheinend doppelt verpachtet, denn irgendwer baut hier unverkennbar Getreide an. Wenn die Anlage steht, müssen die beiden nach eigenen Angaben jährlich 20 000 Euro Pacht bezahlen. „Das würde reichen, um den Park schön instand zu halten“, sagt Peter Weber, gemeinsam mit Vach Geschäftsführer der Neue Energie Berlin GmbH & Co. KG, der Klägerin dieses Verfahrens. Äh, den Park? Welchen Park?

Neben dem Acker befindet sich tatsächlich ein graffitibeschmiertes Betongebilde ohne erkennbaren Zweck, das wenig einladend aussieht, umgeben von unstrukturiert wirkendem Grün. Dennoch ist dieser „Park“ ein Grund, warum die untere Naturschutzbehörde Pankow die Genehmigung für den Bau des Windrades nicht erteilt hat. Fünf Millionen Euro Steuergeld wurden hier ausgegeben, damit die Bewohner der Plattenbauten von Marzahn und Hellersdorf ein Naherholungsgebiet haben. Der Schlagschatten der Rotorblätter des Windrades störe sie in ihrer Erholung, meint die untere Naturschutzbehörde in Pankow. Es seien auch Vögel und Fledermäuse gefährdet. Außerdem verschandelten Windräder die Landschaft. Und der Flächennutzungsplan stehe ebenfalls entgegen.

Zum Gerichtstermin kam niemand aus der Pankower Behörde. Die beklagte Senatsverwaltung entsandte einen sonnengebräunten Beamten, der recht uninformiert und ehrgeizlos wirkte. Bei der Verhandlung, die anschließend an den Ortstermin in Weißensee im Gerichtsgebäude in der Kirchstraße fortgesetzt wurde, machte das Gericht deutlich, dass es keine entgegenstehenden öffentlichen Belange sehe. Die Punkte wurden im Einzelnen ausgeräumt.

Die Parteien bewegten sich darauf zu, binnen drei Monaten zu einer Genehmigung zu kommen. Das allerdings schien dem Beamten aus der Senatsverwaltung sehr zackig. „Ob ich das in drei Monaten schaffe…“, sinnierte er und schlug sechs Monate vor.

Dabei ist das Vorhaben vom Bezirksamt durchaus politisch gewollt. Und der Gesetzgeber hat im Baugesetzbuch den Bau von Windrädern privilegiert – irgendwo muss die Energiewende schließlich herkommen. „Es reicht nicht, einfach eine Grünfläche auszuweisen, um Windkraft zu verhindern“, sagte der Vorsitzende Richter Michael Richter bei der Verhandlung. Es sei möglich, Windparks zu verhindern, indem bestimmte Tabuzonen ausgewiesen und alle Belange im Einzelfall gegeneinander abgewogen würden. Hier sei aber nichts abgewogen worden. Das Argument, die Windräder verschandelten die Landschaft, gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur, wenn die Umgebung besonders schön sei. Ach ja, der „Park“. Das lasse sich hier nicht darstellen, befand das Gericht. Rundherum stehen übrigens ohnehin schon Windräder – nämlich auf Brandenburger Gebiet. Politische Probleme sind nicht bekannt.

Für sein 186 Meter hohes zweites Windrad erwartet Frank Vach eine Bauzeit von drei Monaten. Das Genehmigungsverfahren läuft schon Jahre, obwohl das Gesetz dafür auch drei Monate vorsieht. Es werden 3,4 Millionen Euro investiert. Frühestens nach zwölf Jahren hat das Rad seine Kosten wieder eingespielt; beim ersten Windrad könnte es sogar 17 Jahre dauern. „Das ist ein langfristiges Projekt“, sagt der 44-Jährige. Er ist Diplomingenieur für elektrische Energietechnik und handelt nach eigenen Angaben aus Überzeugung. Berlins erstes Windrad ist mittlerweile ein Ausflugsziel für Schulen und Kitas, es kann – von unten – besichtigt werden. Drinnen gibt es eine kleine Filmvorführung.

Der Vorsitzende der zehnten Kammer kündigte an, er werde die Akte jetzt erst einmal weglegen. Sie könne aber jederzeit wieder hochkommen, wenn die Sache mit der Genehmigung scheitere. Die Parteien haben dafür bis Ende September Zeit. Schneller sei es kaum möglich, so der Beamte von Senatsseite, denn in den Sommerferien sei ja niemand da.

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