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Mit gefälltem Bajonett. Das Scharmützel vor dem Berliner Königstor war ein Vorgeplänkel zu den großen Schlachten der Befreiungskriege wie die am 23. August 1813 bei Großbeeren (hier auf einem um 1900 entstandenen Farbdruck t von Carl Roechling).
© akg-images

Stadtgeschichte: Der Tod des preußischen Kosaken

Heute vor 200 Jahren fiel bei einem Scharmützel zwischen Franzosen und Russen Hauptmann Alexander von Blomberg. Er gilt als der erste Tote der Freiheitskriege gegen Napoleon.

Ein dummes Ende, man hätte es vermeiden können: „Tschernitscheff theilte dies seiner Umgebung so mit: das Bernauer Thor habe sich bewegt, und da habe Hauptmann von Blomberg geglaubt, es werde für ihn geöffnet; er sei also mit Kosaken heran gesprengt, sei aber aus dem offenen Thore, dem Wachthause und eben so aus dem Hause des Steuer-Einnehmers mit Gewehrfeuer empfangen worden, worauf man ihn, zwei Kosaken und einige Pferde habe zusammenstürzen sehen.“ Ein Heldentod aus Versehen, doch verständlich angesichts des Durcheinanders, der widersprüchlichen Lage, die an diesem 20. Februar 1813 in der preußischen Hauptstadt herrschten. Husarenleutnant von Hobe beispielsweise, der zitierte Zeitzeuge, gleich dem glücklosen Alexander von Blomberg in russischen Diensten stehend und bei der Attacke auf das französisch besetzte Berlin dabei, war im Gefolge der Kommandeure Tschernitscheff und Tettenborn durch das weit geöffnete und nicht verteidigte Schönhauser Tor in die Stadt ein- und bis zum Alexanderplatz vorgedrungen. Erst dort musste der Vorstoß abgebrochen, der Rückzug angetreten werden.

Ein Vorgeplänkel der Freiheitskriege gegen Napoleon, nach zwei Jahrhunderten aus dem Gedächtnis der Stadt weitgehend verschwunden. Das sah 1913 noch ganz anders aus. Eigens war Fürst Leopold von Lippe angereist, um am 100. Todestag des Husaren an der Bartholomäuskirche, nahe dem heutigen Platz am Königstor in Prenzlauer Berg, einen Gedenkstein zu enthüllen. Sogar die russische Botschaft hatte eine Abordnung entsandt, um den ehemaligen Waffenbruder zu ehren. Schon vorher gab es dort eine Gedenktafel, nun erinnerte ein vom Verein der Lipper in Berlin gestifteter Stein aus Muschelkalk, gekrönt von einem antiken Helm, an den 1788 in Iggenhausen (Lippe) geborenen Alexander von Blomberg, und eine Bronzetafel pries ihn als „erstes Opfer in den deutschen Freiheitskämpfen“. Eine nicht ganz korrekte Glorifizierung: Zwei Tage zuvor war bei Werneuchen der ebenfalls in russischen Diensten stehende Leutnant Otto von Arnim bei einem Gefecht mit deutschen Alliierten der Franzosen gefallen.

Helm ab zum Gedenken. Dieser Stein an der Bartholomäuskirche in Prenzlauer Berg erinnert an den am 20. Februar 1813 dort gefallenen Alexander von Blomberg.
Helm ab zum Gedenken. Dieser Stein an der Bartholomäuskirche in Prenzlauer Berg erinnert an den am 20. Februar 1813 dort gefallenen Alexander von Blomberg.
© Thilo Rückeis

Offiziell war Preußen zu diesem Zeitpunkt noch mit Napoleon verbündet, hatte auch an dem desaströsen Feldzug gegen Russland 1812 teilnehmen müssen. Die Konvention von Tauroggen am 30. Dezember 1812, in der Generalleutnant Johann David von Yorck, Befehlshaber von Napoleons preußischem Hilfskorps, und der russische Generalmajor Hans Karl von Diebitsch einen Waffenstillstand schlossen, fand noch ohne Zustimmung von König Friedrich Wilhelm III. statt – ein Riss in dem erzwungenen Bündnis zwischen Preußen und Frankreich, der sich rasch verbreiterte. Besonders in Berlin, in dem seit März 1812 wieder Tausende von französischen Soldaten stationiert waren, gewann die patriotische Stimmung rasch an Raum. Flugschriften, Karikaturen und agitatorische Reden fanden begieriges Publikum, immer wieder gab es Schlägereien zwischen Berlinern und Franzosen, auch Sabotageaktionen. Das wurde dem König zu brenzlig, und so verließ er am 22. Januar 1813 samt Regierung die Stadt und wechselte nach Breslau, sein zweiter Rückzug aus Berlin. Vergessen die triumphale erste Rückkehr am 23. Dezember 1809, sein Einzug durchs Bernauer Tor, das danach in Königstor umbenannt wurde.

Aber dass er nicht tatenlos bleiben konnte, hatte Friedrich Wilhelm eingesehen, rief am 3. Januar 1813 zur Bildung von freiwilligen Jägerkorps auf – und löste einen Sturm der Begeisterung aus. „Das Gedränge von Freiwilligen, die sich eintragen lassen, ist heute so groß wie vor einem Bäckerladen bei einer Teuerung“, schrieb der Berliner Geschichtsprofessor Barthold Georg Niebuhr.

Die Stimmung war kurz vor der Explosion, als am 16. und 17. Februar erstmals Kosaken, eine Vorhut der Napoleon nachsetzenden russischen Armee, auftauchten. Zu Tausenden zog es die Berliner hinaus vor die Tore, erhofften sie sich doch von fremden Soldaten Erlösung vom Franzosenjoch. Auch Delegationen wurden bei den von Tschernitscheff und Tettenborn kommandieren Reitertruppen vorstellig, die versprachen, bei einem Angriff werde die Bevölkerung sich erheben.

Ein Irrtum, wie sich am 20. Februar herausstellte: Im Handstreich könnten sie Berlin nehmen, so hatten die Russen gehofft. Doch nur etwa 200 Reitern standen 10 000 Franzosen gegenüber, erstaunlich, dass sie anfangs wie gelähmt waren, als die Kosaken, darunter ehemalige preußische Offiziere wie von Blomberg, gegen Mittag vor den nordöstlichen Toren auftauchten und in die Stadt eindrangen. Die Sympathie der Berliner war aufseiten der Russen, aber bis auf Einzelfälle blieben sie passiv, beobachteten die Scharmützel lieber durch die Ritzen ihrer Fensterläden. Den Kosaken blieb nur der Rückzug.

Aber den Franzosen war klar geworden, dass Berlin nicht zu halten war. In der Nacht auf den 4. März zogen sie ab, 13 Tage später erklärte der König Frankreich den Krieg. So wurde der Gefallene vom Königstor, sein sinnloser Heldentod, doch noch der Auftakt zu den Befreiungskriegen, zu den Schlachten von Großbeeren, Leipzig und schließlich Waterloo.

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