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Im obersten Stockwerk auf der rechten Seite soll der Verdächtige gelebt haben.
© Nina Breher

GSG9-Einsatz im Bayerischen Viertel: Der Terrorverdächtige aus dem bürgerlichen Kiez

Der am Dienstag festgenommene Terrorverdächtige wohnte im Bayerischen Viertel – einer gutbürgerlichen Gegend. Wie reagieren die Anwohner?

Mütter schieben Kinderwägen über den Bürgersteig, Rentner ziehen Einkaufstrolleys: Die Meraner Straße im Bayerischen Viertel gibt am Dienstag ein gewohnt gediegenes Bild ab. Doch ausgerechnet in dieser gutbürgerlichen Wohngegend hat die GSG 9 heute Morgen einen Terrorverdächtigen festgenommen. Der mutmaßliche Islamist soll aus Syrien stammen.

Vor dem Haus, in dem er wohnte, stehen am Nachmittag sechs schwarze Transporter. Einige Passanten verwechseln die schwarzen Vans der Polizei mit denen einer Filmcrew. „Ich dachte, hier wird ein Film gedreht“, sagt einer. „Erst jetzt sehe ich die Blaulichter auf den Dächern der Autos.“

Man glaubt gern, dass hier öfter Filmteams als SEK-Einheiten vor Ort sind: An den prächtigen Altbauten wächst Efeu, die Straßen sind sauber, die vielen Grünflächen selbst im späten November noch grün. Auf den Bürgersteigen liegt buntes Laub.

Vor der NS-Zeit lebten viele jüdische Menschen hier

Schon im 20. Jahrhundert fühlten sich etliche Literaten und Intellektuelle von der zentralen und schon damals als gutes Viertel bekannten Gegend angezogen: Die Autoren Arno Holz und Gottfried Benn lebten hier, ebenso der Physiker Albert Einstein. John F. Kennedy hielt 1963 seine berühmte „Ich bin ein Berliner“-Rede - vor dem Rathaus Schöneberg, nur 500 Meter von der Wohnung entfernt, die jetzt durchsucht wurde.

Von etwa 1900 bis zur Zeit des Nationalsozialismus war das Viertel auch ein Anziehungspunkt für jüdische Menschen. Jetzt wurde hier jemand festgenommen, der nach Tagesspiegel-Informationen Mitglied in einer Telegram-Gruppe war, in der sich die Teilnehmer darüber austauschten, Sprengstoff gegen Juden einzusetzen.

„Ein Terrorist? Dabei ist es hier doch friedlich“

Nachbarn reagieren auf die Festnahme überrascht: „Ach Mensch, hier in der Gegend. Das ist ja ein Ding“, sagt ein Mann, der in einem der gepflegten Altbauten schräg gegenüber wohnt. Er beschreibt sein Bayerisches Viertel als gutbürgerlich, die Menschen auf der Straße als freundlich. Auch eine Seniorin hätte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet hier die GSG 9 zugreift: „Ein mutmaßlicher Terrorist? Dabei ist es hier doch eigentlich ganz friedlich.“ Schon am Vormittag habe sie sich über das massive Polizeiaufgebot gewundert.

Die Nummer 45, in der der Verdächtige wohnte, ist das einzige Haus in diesem Teil in der Meraner Straße, das etwas heruntergekommen aussieht: eine Nachkriegs-Platte, die ihre besten Jahre hinter sich hat. Auf einem der roten Balkone verrottet ein Sonnenschirm, auf einem Fensterbrett im Hochparterre stehen leere Bier- und Weinflaschen. Im Treppenhaus riecht es streng nach Katzenstreu. In jedem Stockwerk sind Gemeinschaftsduschen: Die sehr kleinen Wohnungen sind meist nur mit einer Toilette ausgestattet.

Eine Polizeibeamtin trägt Koffer mit sichergestellten Gegenständen nach draußen.
Eine Polizeibeamtin trägt Koffer mit sichergestellten Gegenständen nach draußen.
© Nina Breher

Das Haus sei früher mal ein Seniorenwohnheim gewesen, sagt ein Student, der in dem Haus wohnt. Seine Nachbarn beschreibt er als einen Mix aus Studenten, Immigranten und ehemaligen Obdachlosen. „Wer hier einzieht, tut das, weil er schnell was braucht oder nichts anderes findet“, sagt er. Dafür seien die Mieten günstig, vor allem für die schöne Gegend.

Festnahme nach drei Monaten Observation

Der Festgenommene arbeitete in Berlin an einer Grundschule als Reinigungskraft. Drei Monate sei er von Kräften des Landes- und des Bundeskriminalamtes rund um die Uhr observiert worden. Es besteht demnach der dringende Verdacht, dass er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat verüben wollte. Über ein mögliches Anschlagsziel des Verdächtigen liegen laut Polizei keine Erkenntnisse vor.

„Befreundeter Geheimnis“ gab den Tipp

Auf die Spur des 26-Jährigen seien die deutschen Sicherheitsbehörden nach einem Hinweis eines „befreundeten ausländischen Nachrichtendienstes“ gekommen. Das teilte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft mit. Seit Frühjahr 2019 soll der 26-Jährige in neun Fällen „in einer islamistisch geprägten und dem IS nahestehenden“ Gruppe des Messenger-Dienstes Telegram Anleitungen zum Waffenbau und zur Sprengstoffherstellung ausgetauscht haben. Zur Frage, ob der Verdächtige Komplizen in Deutschland hatte, machte Berlins Innensenator Andreas Geisel aus „ermittlungstaktischen Gründen“ keine Angaben.

Die Frage nach möglichen Komplizen oder gleichgesinnten Freunden besorgt auch den Studenten, der im Haus wohnt: „Natürlich frage ich mich jetzt, ob noch weitere in dem Haus wohnen, von denen eine Gefahr ausgeht.“

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