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Checkpoint-Jahresrückblick: Der tägliche Berliner Wahnsinn 2017

Diese Stadt bringt einen schon morgens zum Haareraufen. Dabei war nicht alles schlecht 2017. Und nie langweilig – beweist unser Checkpoint Best-of.

Das Jahr ist fast vorüber, beenden wir es also wie wir es begonnen haben: mit einer "insgesamt positiven Bilanz". Es war nicht alles schlecht 2017! Aber fangen wir doch einfach vorne an, nämlich im ...

... Januar

2.1.

Wie Berlin ins neue Jahr gekommen ist: Die Polizei teilt mit: „Insgesamt positive Bilanz“. Mal abgesehen von den Folklore-typischen Verletzten, abgetrennten Fingern, abgefackelten Autos, sexuellen Belästigungen, Wohnungsbränden und einer Frau, die mit ihrem BMW an der Oberbaumbrücke aus Versehen in die Menge fuhr (fünf Verletzte – muss erwähnt werden, dass die Fahrerin betrunken war? Nein, versteht sich von selbst). Ach ja, die Straßenschlacht in Neukölln nicht zu vergessen – der ganz normale Wahnsinn also.

5.1.

Wir beginnen mit Neuigkeiten aus der Abteilung „Rad ab“: Noch liegen Opfer des Anschlags vom Breitscheidplatz im Krankenhaus, trauern Angehörige und Freunde um die Toten – da redet der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn auch schon darüber, sich den Terrorlaster als Ausstellungsstück zu sichern (bevor’s jemand anderes tut). Die Selfie-Ikonisierung eines Attentats als Beleg für die Idiotie der Gegenwart – das dürfte tatsächlich in die Geschichte eingehen.

9.1.

Am Freitag endet bei den Grünen die Urabstimmung der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. Anders als bei Toiletten in öffentlichen Gebäuden hat hier allerdings die exakte Bestimmung der Geschlechtsidentität enorme Bedeutung: „Dein Stimmzettel ist ungültig, wenn du zwei männliche Bewerber wählst“, heißt es in der Gebrauchsanweisung. Irgendwie ist diese Unisex-Sache noch nicht ganz ausgereift.

19.1.

Wer im Auto Wert aufs Wieher-Gefühl legt, fährt mit Pferd. So wie das Ehepaar im possierlichen Opel Corsa, den die Brandenburger Polizei bei einer Kontrolle stoppte. Da das Shetland-Pony korrekt gesichert und wohlauf war, blieb die Gesellschaft auf freiem Huf. Bei dem pannenträchtigen Frostwetter zurzeit dürfte die 1-PS-Reserve im Kofferraum mehr wert sein als ein Tiger im Tank.

23.1.

„Wir planen doch keine Mondlandung“, sagt entnervt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zur Absage der BER-Eröffnung 2017 wegen neuer, alter Probleme – Mondlandung mit dieser Projektleitung? Schreckliche Vorstellung.

27.1.

Wenn Ihnen ein Nazi zugelaufen ist – bitte geben Sie ihn bei der Justiz ab. Die sucht derzeit nach 27 Rechtsextremen, gegen die zwar Haftbefehle vorliegen, aber von denen ansonsten jede Spur fehlt. Im Oktober galten noch 50 als verschollen.

Februar

1.2.

Und siehe da, Kaiser’s war nackt. Rewe und Edeka machen die Frischetheken frisch. Wer stellt künftig im einst beliebt-berüchtigten „Single-Kaiser’s“ an der Marienburger Straße in Prenzlauer Berg die entscheidende Frage: Sammeln Sie Herzen?

13.2.

Neuer BER-Geheimplan (veröffentlicht von der „BamS“): Flughafenchef Mühlenfeld will am 30. Juni 2018 aufmachen. Super Datum! Da ist nämlich auch der 125. Geburtstag von Walter Ulbricht – und damit eine gute Gelegenheit gekommen, den erbarmungswürdigen Namensgeber Willy Brandt („Jetzt wächst zusammen ...“) zu erlösen. Neuer Slogan: „Niemand hat die Absicht …“

28.2.

Lebenslange Haft für Ku’damm-Raser – zum ersten Mal wurden zwei Männer nach einem illegalen Autorennen mit tödlichem Ende wegen Mordes verurteilt. Bisher sind in ähnlichen Fällen oft absurd anmutende Bewährungsstrafen verhängt worden – falls das Urteil vom BGH bestätigt wird, kann der Führerschein endlich umbenannt werden: in Waffenschein.

März

17.3.

Es gehört zur Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wie Frank Castorf – das rostige Rad auf zwei Beinen vor dem Theater. Genau das wird jetzt zum Problem: Weil der eine bald fort ist, soll das andere gleich mit weg. Was sich wie der finstere Plan des künftigen Hausherrn Chris Dercon anhört, ist aber eine Idee aus dem Theater selbst: Der ungeliebte Neue solle sich bitte nicht mit fremden Rädern schmücken.

28.3.

Heute auf allen Titelseiten: die geklaute 100-Kilo-Goldmünze aus dem Bodemuseum. Obwohl die Beute fast vier Millionen Euro wert ist, klingt die Geschichte wie „Ocean’s Eleven“ für Arme: Die Täter kamen über die S-Bahn-Gleise, kletterten mit einer Alu-Leiter über ein Vordach durchs Fenster, zerdepperten in der Ausstellung „Muse, Macht, Moneten“ die Vitrine der „Big Maple Leaf“ (2007, Feingoldstandard 999,99/1000), packten den Brocken in eine Schubkarre – und weg war’n sie. Der Checkpoint-Tipp: Besondere Vorsicht, falls Sie in den kommenden Tagen gefragt werden, ob Sie wechseln können (aber wahrscheinlich wird das Ding ja schnell eingeschmolzen).

April
18.4.

Wir schauen bei der gerade eröffneten IGA vorbei – da wird natürlich schon wieder gemeckert: Zu braun, zu teuer, zu kalt, und am Service hapert’s auch (Berlin, ey!). Kann sich noch irgendwer daran erinnern, wie’s am 26. April 1985 bei der Eröffnung in Britz war? Da mussten die Pflänzchen aus dem Schnee geschaufelt werden, damit Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen irgendwas Blühendes entdecken konnten. Also, Marzahn: Wird schon.

24.4.

Großer Auftritt des Senatsensembles auf der Baustelle Staatsoper – gespielt wird eine Pressekonferenz in folgender Besetzung: Stadtentwicklungssenatorin Lompscher, Kultursenator Lederer, Baudirektorin Lüscher, Staatssekretär Wöhlert, Noch-Intendant Flimm und Bald-Intendant Schulz. Zur Aufführung kommt ein Klassiker, der bereits in der Regentschaft Friedrichs II. Premiere hatte: „Die Eröffnungsschließung“. Der Inhalt: Weil die Oper auch zum 3. Oktober noch nicht fertig ist, wird sie nach einer Pseudo-Wiedereröffnung mit ein bisschen Tschingderassabum gleich wieder dichtgemacht bis zum 7. Dezember (in der Hoffnung, dass dann aber wirklich alles steht). Zum allerersten Mal eröffnet wurde die Oper übrigens auch an einem 7. Dezember (1742) – auf Drängen von Friedrich II. Nach der Party wurde sie wieder geschlossen und in Ruhe zu Ende gebaut. Das Motto zur heutigen PK schenkt uns Richard Wagner: „Dir glaub’ ich nicht mit dem Ohr, dir glaub’ ich nur mit dem Aug’.“

26.4.

Auf vielfachen Wunsch präsentieren wir hier heute ein Update unseres beliebten S-Bahn-Betriebsstörungs-Bingos inklusive aller Erweiterungsmodule – das Spiel der Wahl zum Zeitvertreib beim außerplanmäßigen Warten auf verspätete oder ausgefallene Züge (alle Begründungsbegriffe sind aus originalen S-Bahn-Meldungen): „Betriebsstörung, Weichenstörung, Signalstörung, Schrankenstörung, Stellwerksstörung, Technische Störung, Zugstörung, Fahrzeugstörung, Triebfahrzeugstörung, Bahnübergangsstörung, Bauarbeiten, Weichenarbeiten, Gleisarbeiten, Gleisverlegungsarbeiten, Gleisquerungsarbeiten, Schienenschleifarbeiten, Schwellenauswechslungsarbeiten, Brückenarbeiten, Brückenbauarbeiten, Hilfsbrückenausbauarbeiten, Ausrüstungsarbeiten, Ausbesserungsarbeiten, Vegetationsarbeiten, Stellwerksabnahme, Streckensperrung, Stromausfall, Stromnetzausfall, Polizeieinsatz, Feuerwehreinsatz, Notarzteinsatz, Fahrgastversorgung, Bahnsteigkantenschaden, Vandalismusschaden, Fahrgastfehlverhalten, Staatsbesuch, Böschungsbrand, Tiere im Gleis, Kabeldiebstahl, Überdurchschnittlicher Krankenstand, polizeiliche Ermittlung, Verzögerungen im Betriebsablauf, Der Prüfingenieur ist erkrankt, Türstörung, Oberbaummängel, Der Zug vor uns wurde fehlgeleitet, nicht zuzuordnender Gegenstand, Schienenbruch, kurzfristige Arbeitszugfahrten“.

Mai
15.5.

Union hat eisern und erfolgreich den Aufstieg in die 1. Liga abgewehrt: Nach dem 0:1 gegen Heidenheim ist jetzt selbst mit besten Pisa-Ergebnissen rechnerisch nichts mehr drin.

23.5.

Ein Blick in die Mailbox … Niklas Vogt schreibt: „Lieber Herr Maroldt, am 18.05.2017 hatte ich Ihnen eine Pressemitteilung zum Thema ‚Fit für den Sommer dank Sex!‘ geschickt. Haben Sie diese erhalten? Das Fitnessportal MeineFitness.net hat für Sie über 50 Stellungen analysiert und auf Ihre Abnehmtauglichkeit überprüft. Durch die verschiedensten Sexstellungen ist es möglich, in 10 Minuten bis zu 65 Kalorien zu verbrennen, was mit 10 Minuten Schwimmen gleichzusetzen ist!“ Uff. Bloß gut, dass Herr Vogt mich daran gerade noch mal rechtzeitig erinnert hat – ich war schon fast auf dem Weg ins Prinzenbad.

26.5.

Air Berlin könnte sich umbenennen in „Adventure Airlines“ – wer hier bucht, bringt immer ein Schokoherz und gute Geschichten mit nach Hause, zum Beispiel diese hier: In Düsseldorf stellten Passagiere beim Boarding ein Loch im Rumpf der gecharterten Maschine fest – aber erst nachdem sie hartnäckig insistiert hatten, inspizierte der Pilot noch mal sein Flugzeug und stoppte den Start. Wenn genug Flugbegleiter dabei gewesen wären, hätte er sie allerdings bitten können, das Loch bis zu Landung mit einem Bordmagazin abzudichten.

30.5.

... beginnen wir heute mal mit einem Blick durch die Mails – nichts … nicht s… tatsächlich: Keine Schertz-Post! Und auch sonst kein Advokatus Generated Content in Sicht. Tja, da müssen wir also wieder alles selber schreiben. Dabei hatte unser Gastautor für seinen Beitrag („Gegendarstellung“, CP vom 22., 24., 26. und 29. Mai) eine beachtliche Fangemeinde gewonnen, die schon vorausschauend wehmütig war: „Ich werde ihn vermissen“, bekennt Peter Ahrens, und Sigrun Albert schreibt: „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst. Ohne Schertz komme ich nicht durch den Tag!“ Na, mal schauen, vielleicht lässt sich da doch noch was machen.

Juni

6.6.

Aus Anlass des Fünfjährigen habe ich (Lorenz Maroldt) mir noch mal die Kommentare von damals angeschaut – die Illusion einer nur knapp verpatzten Eröffnung war weitverbreitet. Im Tagesspiegel-Leitartikel zum Desaster z. B. hieß es unter der Überschrift „Berliner Luftnummer“ zwar, das Scheitern war vorherzusehen, aber: „Zwanzig Jahre wurde geplant und gebaut, für die kommenden fünfzig Jahre, Milliarden haben die Gesellschafter investiert – da erscheinen die Extrawochen und Extramillionen irgendwann zwangsläufig als Anekdote.“ Tja, da hatte ich mich wohl um ein paar Tausend Milliönchen vertan.

15.6.

Anders als Neukölln (z. Zt. nicht nur bei der Auszahlung des Elterngeldes vorbildlich) leistet sich der zubetonierte Bezirk Mitte zur Imagepflege ein Grauflächenamt – Bürgerengagement zur Baumscheibenbegrünung unerwünscht. In einem Schreiben aus dem Haus der Stadträtin Sabine Weißler (Grüne) heißt es: „Es ist wichtig, dass eine solche Begrünung fachgerecht angelegt und vom Amt begleitet wird“, mit anderen Worten: Der Bürger ist zu blöd (die Bürgerin natürlich auch). In jedem Fall erforderlich ist „ein Bepflanzungskonzept“, die Dauer der Antragsbearbeitung dürfte sich in Jahresringen messen lassen. Schließlich der Hinweis: „Alles, was man hier im Bezirk noch sehen kann, ist nicht genehmigt und wird von uns entfernt.“ Tja, was soll man davon halten? Fragen wir einfach mal ein von wild entschlossenen Grauflächenhütern rausgerupftes Gänseblümchen: „Die spinnen, die spinnen nicht, … die spinnen.“ Mal so ganz unverblümt gesagt.

27.6.

Für die Quatschidee, wegen atmosphärischer Störungen bei Hertha das multifunktionale Olympiastadion zu einem Fußballstadion umzubauen und infolgedessen den Jahn-Sportpark zu einem Leichtathletikstadion, gibt es jetzt auch eine Zahl (die der Steuerzahler zahlen müsste): 360 Millionen Euro kostet das Ganze (mindestens). Und dafür steht dann auch noch ein Teil der Fans im Regen. Klare Sache (ohne Videobeweis): Eigentor.

28.6.

„Erste G-20-Chaoten nach Hause geschickt“ titelt der „Kurier“, und die „B.Z.“ begrüßt ihre Leser mit der Zeile „Prost Prollizei“ – alle sind empört über die Hundertschaften aus Berlin, die vor ihrem Hamburg-Einsatz Party gemacht haben. Aus dem Bericht der geschockten Wachschützer: „Ein Polizistenpärchen hatte Sex an einem Zaun“, andere „urinierten wild“, es gab eine „Schlägerei mit einer Einheit aus Wuppertal“, und dann tanzte eine Beamtin „in einem Bademantel mit einer Waffe in der Hand auf dem Tisch“. So ähnlich liest sich das im Chatverlauf von Beteiligten: Da ist die Rede von „Tanzen auf Containern“, „Fickerei“ und „Strippen mit Waffen“, außerdem: „Pissen im Zugverband“ (Q: rbb) – etwas Restordnung gab es also noch. Der Senat erklärte, dass sich die Polizisten nicht mit Ruhm bekleckert hätten – wenigstens das also blieb uns erspart.

Juli
3.7.

War ja klar – mal wieder kein W-Lan im ICE Köln–Berlin. Erste Erklärung der Zugbegleiterin: Das war auf der Hinfahrt auch schon so. Zweite Erklärung: Die zuständige Abteilung wurde informiert, aber es ist ja Sonntag, Sie verstehen: Sonntag! Dritte Erklärung: Weil das W-Lan (das es nicht gibt) gratis ist, gibt’s auch keinen Anspruch darauf, dass es eins gibt (logo).

4.7.

Auf der nächtlichen Heimfahrt mit dem Rad durch den Gleisdreieck-Park (Teil des überregionalen Radroutennetzes) wäre ich (Stefan Jacobs) beinahe als Mettbrötchen geendet, weil die Grün Berlin GmbH den an dieser Stelle unbeleuchteten Weg unter dem U-2-Viadukt mit einem filigranen Metallgitterzaun versperrt hat. Etwas Sichtbares wie Schild oder Bake war nicht drin – dafür eben ich, beinahe jedenfalls.

18.7.

Eilmeldung aus dem Berliner Zoo: „Heute ist Meng Meng laut den beiden Pflegern an ihrem Gehege noch gar nicht rückwärts gelaufen“, hieß es verheißungsvoll. Kein Wunder, das Panda-Weibchen kommt ja aus dem kommunistischen China: Vorwärts immer, rückwärts nimmer.

August

14.8.

Übrigens: „Icke“ steht jetzt im Duden.

31.8.

Genuss ohne Reuse versprechen die einst eingeschleppten „Tiergarten-Hummer“, die der viele Regen des Sommers aus ihren Verstecken trieb. Die Umweltverwaltung versucht gemäß EU-Recht, sie abzufischen, was mühsam ist. Die erwischten werden zu Fischfutter verarbeitet. Vermarktet werden dürfen sie nicht. Mein Kollege Bernd Matthies – Gourmetguru, kein Jurist – rät Köchen, die Gelegenheit am Schwanz zu packen und sich nicht darum zu scheren, was genau Wilderei ist. Dann ab in Salzwasser mit viel Dill und nach dem Kochen ein paar Tage darin marinieren. „Falls es zur Gerichtsverhandlung kommt, werden wir sehr wohlwollend darüber berichten.“

September
1.9.

53 Prozent der neu eingestellten Lehrer an den Berliner Grundschulen sind Quereinsteiger. Das ist ja, wenn ich richtig gerechnet habe, fast die Hälfte! Pädagogen sehen darin eine „in diesem Ausmaß noch nie da gewesene Entqualifizierung“ des Berufs. Inwieweit dadurch auch die Kinder entqualifiziert werden, wird sich wohl erst in mehreren Jahren erweisen. Sofern dann überhaupt noch genug qualifiziertes Personal da ist, um es herauszufinden. Dazu 2016 Sigmar Gabriel, Parteifreund der Bildungssenatorin (und ihrer drei Vorgänger): Nicht Bankentürme, sondern Schulen sollten Deutschlands Kathedralen werden! Manchmal hilft nur beten. Meistens allerdings nicht.

12.9.

Der Landesrechnungshof (Leitbild: „Wir tragen zu einem verantwortungsvollen, effizienten und effektiven Umgang mit öffentlichen Mitteln bei“) hat mal wieder einen Skandal aufgedeckt: Die gesamte Führungsebene des Kontrollgremiums (15 Leute) verdient zu wenig! Einfach ungeheuerlich – wie soll man derart sparsam motiviert die Sparsamkeit in der Verwaltung vorantreiben? Die Präsidentin will deshalb beim Senat eine kräftige Gehaltserhöhung durchsetzen – und hat auch einen Finanzierungsvorschlag: Damit ihre komplette Behördenleitung jeweils eine Gehaltsstufe nach oben klettern kann, sollen auf der mittleren Ebene zwölf Stellen gestrichen werden. Dazu auch der Kommentar von Zoodirektor Robert Gernhardt: „Die schärfsten Kritiker der Molche sind ebensolche.“

25.9.

Eine spannendere Wahlnacht hat es schon lange nicht mehr gegeben. Die Folgen dieses Bebens sind noch längst nicht absehbar – weder bundespolitisch, noch was die Situation in Berlin betrifft. In der Hauptstadt dauerte die Auszählung der Stimmen sowohl zur Bundestagswahl als auch zum Tegel-Volksentscheid (56,1 Prozent für die Offenhaltung) besonders lange (bundesweit Schlusslicht hinter Darmstadt und Duisburg) – schuld war, wie könnte es auch anders sein, ein „Systemausfall“ bei der Landeswahlleiterin. Erst am frühen Morgen standen hier die Ergebnisse fest. Am Ende rutschte die SPD mit 17,9 % auf Platz 3 – hinter der CDU (22,7) und den Linken (18,8).

Derweil spielen die Aktivsten, die die Volksbühne besetzt haben, ein bisschen Kulturrevolution – was Kunst ist, entscheidet jetzt das mit Späti-Bier gedopte Plenum. Als Erstes wurde eine „Hausordnung“ verteilt, und auf deren Einhaltung achtet ein „Awareness-Team“ – die Verspießerung des einstigen Castorf-Theaters ist offenbar nicht mehr zu stoppen.

28.9.

Die BSR lädt Sonnabend zum Tag der offenen Tür ins Müllheizkraftwerk Ruhleben. Das feiert nämlich 50-Jähriges. Hin und weg kommt man per Traditionsbus-Shuttle von Stresow (S 5) und Ruhleben (U 2). Zum Rahmenprogramm gehören Mitfahrten in Müllwagen (vorn) und Kehrmaschinen sowie Essen vom Food-Truck. Hoffentlich gerät da nichts durcheinander.

Oktober

5.10.

In unserer Rubrik „Amt, aber glücklich“ liegt das BA Tempelhof-Schöneberg meistens in der Spitzengruppe – heute reicht’s aber nur für die Blechmedaille (Gravur: „Amt, aber ärgerlich“): Vor zwei Monaten hatte eine alleinstehende Mutter einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss gestellt (ist zuweilen existenziell wichtig). Eine Mail-Nachfrage zum Stand der Dinge Wochen später blieb unbeantwortet, eine abermalige Bitte um Auskunft wurde jetzt so beschieden: „Ihre Anträge sind eingegangen. Derzeit kann über die Bearbeitungsdauer keine Aussage getroffen werden. Bitte sehen Sie von weiteren Anfragen ab.“ Tja, so werden lästige Bittsteller abgekanzelt, aber nicht Behördenkunden mit Rechtsanspruch behandelt.

10.10.

Niemand hat mehr ein Herz für Air Berlin. Bis 28. Oktober kann sich Berlins größte Fluglinie ihren letzten Kunden noch einmal von ihrer Schokoladenseite zeigen, danach wird die Insolvenzmasse eingeschmolzen. Für die mehr als 1000 Mitarbeiter hat sich der Himmel längst verdunkelt, sie stehen vor der Arbeitslosigkeit, dem Abschied vom Fliegen oder Lohnabstürzen beim Lufthansa-Billigflieger Germanwings. Einen Sozialplan gibt es immer noch nicht, und Berlins Politik schaut hilflos am Boden zu, wie die Hauptstadtpläne eines Flugdrehkreuzes in der Luft zerrissen werden. So bitter kann keine Schokolade sein.

12.10.

Die in Hamburg beim G-20-Gipfel als Berliner Pinkel-Polizei aufgefallene Einheit 23 sorgt weiter für dicke Luft. Denn ihr Gruppenleiter hatte, wie hier schon berichtet, in der Rigaer Straße einen pupsenden Linksaktivisten angezeigt. Der Vorwurf: „Beleidigung und Ehrverletzung einer Beamtin durch Flatulenz.“ Gegen den dafür verhängten Strafbefehl von 900 Euro klagte der Mann vorm Amtsgericht. Die Richterin nahm schnell Luft aus der Sache und stellte das Verfahren nach fünf Minuten ein. Nun aber wollte der Linke-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg noch wissen: Wie viel Anstrengung hat die Stadt diese Luftnummer gekostet? Antwort des Justizverwaltung: Insgesamt wendeten 23 Dienstkräfte für das Verfahren 17 Stunden und 13 Minuten Arbeitszeit auf.

17.10.

Zoodirektoren aus mehr als 40 Ländern tagen zurzeit in Berlin. In rund 70 Vorträgen und Workshops geht es u. a. um Artenschutz, Tierhaltung, Verschmutzung der Meere, Wildtierhandel und Palmöl. Offizielles Oberthema der Tagung: „Die Zukunft“. Offizielles Rahmenprogramm: Trabi-Safari. Immerhin Safari. Mit Fiat als Sponsor hätten sie sogar eine Panda-Safari hinbekommen.

26.10.

Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Die türkische Justiz hat Peter Steudtner freigelassen. Der Heimreise des 45-jährigen Menschenrechtlers aus Prenzlauer Berg steht nach mehr als 100 Tagen Haft nichts mehr im Wege. Überraschend hatte der Staatsanwalt am Mittwoch beantragt, Steudtner auf freien Fuß zu setzen.

November
2.11

„Police Academy“ hieß mal eine US-Kinoklamotte aus den Achtzigern, die es trotz unterirdischer Witze auf sechs Fortsetzungen gebracht hat. Derzeit ist offenbar ein Remake in Arbeit, allerdings nicht als Komödie, sondern als Stück aus dem Tollhaus. In den Hauptrollen: echte Polizeischüler und ein Ausbilder. Letzterer beklagte sich via WhatsApp bei einem Kollegen über die Azubis der Police Academy Spandau: „Der Klassenraum sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau. Dumm. Konnten sich nicht artikulieren.“ Und zieht ein noch drastischeres Fazit: „Das sind keine Kollegen, das ist der Feind. Das ist der Feind in unseren Reihen.“ Der Kollege leitet die Nachricht weiter, bis sie bei der Presse und endlich im Polizeipräsidium landet.

27.11.

Amt, aber glücklich: Einer CP-Leserin wurde mittags das Portemonnaie gestohlen. Der Nachmittag lief dann so: BVG stellt neue Jahreskarte aus (10’), TK fertigt Ersatzbescheinigung für Krankenversicherung und bestellt neue Karte (10’), Bank teilt Versand einer neuen EC-Karte mit und sperrt die alte (5’), Polizeiabschnitt 41 nimmt Anzeige auf (45’ inkl. Wartezeit), freundlicher Azubi im Bürgeramt im Rathaus Schöneberg erfasst Antrag für neuen Ausweis und Führerschein inkl. Fotos an Ort und Stelle und provisorischem Perso to go (45’, davon nur 2’ Wartezeit trotz großen Andrangs). Läuft doch, Berlin!

28.11.

Weil die alten U-Bahn-Züge zunehmend gleisbettlägerig werden, hat die BVG jüngst 80 Neuwagen bei Stadler bestellt – der Eile wegen ohne Ausschreibung, obwohl der 112-Mio.-Auftrag die EU-weite Peanuts-Grenze um Faktor 267 übertrifft. Dagegen geht Konkurrent Siemens (der nebenbei gemeinsam mit Stadler neue S-Bahnen baut) nun juristisch vor. Das passende Gutachten gibt’s schon – dummerweise von der BVG vorab selbst bestellt, aber dann mutig ignoriert. Jahrelanges Verschlafen sei jedenfalls kein gerichtsfester Grund, sich die Ausschreibung zu sparen, schreiben die Juristen. CP-Prognose: Die Einfahrt der Züge verzögert sich um ca. 1–3 Jahre.

Dezember
1.12.

Berlin soll einen zusätzlichen Feiertag bekommen – bloß welchen? Die AfD plädiert für den Reformationstag (haben wir dieses Jahr, Luther sei Dank, ja schon mal probiert), aber das lehnen alle anderen ab. Die SPD kann sich nicht zwischen 27. Januar (Befreiung von Auschwitz), 8. Mai (Befreiung vom Faschismus) und 23. Mai (Tag des Grundgesetzes) entscheiden, die Grünen wollen den Religionsgemeinschaften einen „Feiertag nach Wahl“ spendieren oder einen „multireligiösen Feiertag“, und die FDP will erst mal abwarten, bis die Wirtschaftskraft Berlins auf Bundesdurchschnitt ist. Team Checkpoint schlägt natürlich den Tag der BER-Eröffnung vor (bis dahin ist auch das mit der Wirtschaftskraft geschafft).

8.12.

Vor genau einem Jahr startete der Senat – und wir schauen mal beim repräsentativen „Berlin-Monitor“ von Civey rein, was die Stadt so davon hält.

1. In der Kategorie „sehr zufrieden“ scheitert die Koalition knapp an der Fünf-Prozent-Hürde – und eine Zweidrittelmehrheit kann mit der Landesregierung gar nichts anfangen (Tendenz: steigend).

2. Die Partei des Regierenden Bürgermeisters, die SPD, kommt gerade noch auf 16,8 Prozent – das reicht knapp für Platz 3 vor den Grünen (15). Es führt die CDU (21,9), gefolgt von der Linkspartei (19,3); die AfD erreicht 10,1 und die FDP 8,6.

3. Bei einer Direktwahl des Regierenden käme der Kandidat „Jemand anderen“ mit weitem Vorsprung auf Platz 1 (42,4 %), Amtsinhaber Michael Müller mit 10,7 % nach Monika Grütters (11,2) und Klaus Lederer (10,8) nur auf Platz 4.

18.12.

Seit Freitag ist es also klar: Wir haben noch mindestens Tausendundeine Nacht vor uns, bis wir mit unserem Teppich am BER landen können – so lautet jedenfalls die Weissagung von Flughafen-Häuptling Engelbert Lütke Daldrup („Ein Flughafen ist nie fertig“, CP vom 19.5.17).

19.12.

Zu unserer Rubrik „Rechnen lernen mit dem Checkpoint“: Ein Schüler der 6. Klasse erklärt seiner verblüfften Mutter, im Unterricht gelernt zu haben, dass 1/8 mehr ist als 1/2 – die Lehrerin, von der Mutter damit konfrontiert, sagt: „Das kann ich so, aus dem Kontext gerissen, nicht beantworten.“ Richtige Antwort! Denn 1/8 Mathelehrer aus Bayern ist z. B. mehr als 1/2 Mathelehrer aus Berlin (im Durchschnitt jedenfalls).

31.12.

BER Count-up-Tage seit Nichteröffnung: 2035.

Das Checkpoint-Team

Die Mannschaft um Ober-Checkpointer Lorenz Maroldt ist auf ein „Team-Checkpoint“ angewachsen, mit dabei: Stefan Jacobs, Stephan Wiehler, Maria Kotsev, Björn Seeling, Robert Ide, Anke Myrrhe und Stefanie Golla, Mitgründerin und bis heute vor allem zuständig fürs Stadtleben und die Organisation.
Die Mannschaft um Ober-Checkpointer Lorenz Maroldt ist auf ein „Team-Checkpoint“ angewachsen, mit dabei: Stefan Jacobs, Stephan Wiehler, Maria Kotsev, Björn Seeling, Robert Ide, Anke Myrrhe und Stefanie Golla, Mitgründerin und bis heute vor allem zuständig fürs Stadtleben und die Organisation.
© Thilo Rückeis

Morgens ab 6 Uhr gibt der „Tagesspiegel Checkpoint“ einen Überblick zu allem, was in Berlin gerade läuft – und vor allem, was nicht. Informiert über die wichtigsten Nachrichten und die größten Aufreger der Stadt.

Vor drei Jahren hat Chefredakteur Lorenz Maroldt den werktäglichen und kostenlosen Newsletter gegründet. Seitdem ist aus dem Checkpoint eine digitale Lokalzeitung geworden mit Abonnenten in aller Welt. Immer wieder werden Meldungen aus dem Checkpoint im Berliner Abgeordnetenhaus zitiert, die Dauerserie „Berlins marode Schulen“ zeigte Wirkung, die McKinsey-Affäre begann mit einer Checkpoint-Meldung. Der Checkpoint berichtet über Missstände, auf die uns Leserinnen und Leser aufmerksam machen, und weist darauf hin, was man sich unbedingt noch ansehen sollte, bevor es zu spät ist.

Angewachsen ist in den Jahren auch die Mannschaft um den Ober-Checkpointer auf ein „Team-Checkpoint“, mit dabei: Stefan Jacobs, Stephan Wiehler, Maria Kotsev, Björn Seeling, Robert Ide, Anke Myrrhe und Stefanie Golla, Mitgründerin und bis heute vor allem zuständig fürs Stadtleben und die Organisation.

Mehrfach wurde der Checkpoint ausgezeichnet: mit dem Grimme Online Award, mit dem Lokalpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung, mit dem Preis „Goldener Blogger“ in der herrlichen Abteilung „Blogger ohne Blog, aber mit Newsletter“.

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