Mehr Pflegepersonal vereinbart: Der Streik an der Charité wird ausgesetzt
Der Streik an der Charité wird beendet - die Universitätsklinik kann ab Freitag die Betten belegen. Für die Pflegekräfte ist es ein Erfolg: Es soll mehr Personal geben. Nächstes Problem: Woher soll es kommen?
Die Streikenden an der Charité haben noch mal einen Schritt nach vorn gemacht – in zweifacher Hinsicht: Zunächst lud Verdi fünf Patienten der Universitätsklinik zu einer Pressekonferenz ein. Die Gewerkschaft wollte so zeigen, dass sich gerade chronisch Kranke mit den streikenden Pflegekräften solidarisieren. Ebenfalls am Mittwoch haben sich die Verdi-Verhandler und der Charité-Vorstand auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das „eine Verbesserung der Personalausstattung“ vorsieht – der Streik wird deshalb ab Freitag ausgesetzt. Dem Papier zufolge soll etwa eine Schwester auf der Intensivstation nur noch zwei statt im Schnitt vier Patienten betreuen müssen.
Seit zehn Tagen befinden sich durchgehend hunderte Charité-Beschäftigte im Ausstand – sie fordern mehr Pflegekräfte an den Krankenbetten. Und während es sogar Solidaritätsadressen aus Kliniken in den USA gegeben hat, haben sich nun auch Berliner Patienten mit den Streikenden solidarisch erklärt.
Kein Patient habe sich gefährdet gesehen
Das berichtete am Mittwoch auf dem Campus in Mitte ein Vater eines schwerkranken Fünfjährigen unter Tränen: Schwestern und Pfleger seien so etwas wie eine „ungewollte Familie“ – die sich viel Mühe gebe. Doch die Heilung seines Sohnes funktioniere eben viel besser, wenn die Pflegekräfte mehr Zeit hätten. Eine Rentnerin, seit Jahren auf dem Charité-Campus in Steglitz in Behandlung, erzählte von „flitzenden Schwestern“, die für das Füttern gebrechlicher Patienten kaum Zeit hätten, von aufbauenden, die Therapie unterstützenden Gesprächen ganz zu schweigen. Das sei in Kanada besser gewesen. Woher sie das weiß? „Ich war dort selbst Krankenschwester!“
Ungewöhnlich deutlich sagte Karin Stötzner, die Patientenbeauftragte des Landes, dem die Charité gehört: „Ich unterstütze den Streik aus tiefstem Herzen.“ Sie habe von keinem Patienten gehört, der sich durch den Streik gefährdet gesehen hätte. „Heilung kann nur durch Zuwendung gelingen“, sagte Stötzner. „Dazu aber fehlt die Zeit.“ Dies ist auch die Argumentation der Streikenden.
Woher die Fachkräfte nehmen?
Dass Pflegekräfte in wenigen Ländern des Westens unter so viel Druck arbeiten wie in Deutschland, bestreitet im Gesundheitswesen kaum jemand. Und der Charité-Vorstand hatte immer eingeräumt, er würde bei ausreichend Mitteln der zuständigen Krankenkassen mehr Schwestern und Pfleger anstellen. Man müsse nun die Frage beantworten, wie die Klinik die personelle Aufstockung finanzieren könne, sagte Charité-Chef Karl Max Einhäupl, da das Finanzierungssystem dies nicht hergebe. Der Charité-Vorstand geht gegenüber Krankenkassen und Senat quasi in Vorleistung.
Zudem bleibt eine zweite Frage unbeantwortet: Woher die Fachkräfte nehmen? Die Patientenfürsprecherin des Charité-Campus in Mitte, Bärbel Irion, sagte nicht zu Unrecht: Selbst wenn man die einst als Maximalzahl diskutierten 600 Zusatzpflegekräfte wollte – der Arbeitsmarkt gebe sie derzeit nicht her. Die Löhne sind vergleichsweise knapp, wegen des steigenden Durchschnittsalters der Bevölkerung aber wächst der Bedarf, weshalb es viel zu wenig Pflegeazubis gibt. Hochqualifizierte Schwestern sind in den vergangenen Jahren außerdem oft nach Skandinavien gegangen – dort werden 1000 Euro mehr im Monat gezahlt.