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Extremes Gebäude. Die Kant-Garagen wurden 1929 bis 1930 gebaut.
© Thilo Rückeis

Bedrohtes Baudenkmal in Berlin-Charlottenburg: Der Retter kommt im Oldtimer

Ein Fan alter Wagen will die vom Abriss bedrohten historischen Kant-Garagen in Charlottenburg retten. Auch andere Ideen gibt es, von einem Kreativhaus bis zu einem Ort für Elektromobilität. Der Eigentümer schweigt dazu.

Dank der Rampen gelingt ein filmreifes Reifenquietschen. Im ehemaligen „Garagenpalast“ an der Kantstraße wurden Tatorte gedreht. Ninja-Streifen und „Matrix 3“ sollen hier angsteinflößende Kulissen gefunden haben. Im Keller tropft das Wasser, rostige Leitungen hängen unter der Decke, rote Pfeilmarkierungen, die aussehen wie Granaten, schwere Stahltüren mit uralten Vorhängeschlössern. „Ein extremes Gebäude“, sagt Günter Reinkober, der hier sein Taxi regelmäßig abstellt, „eigentlich gruselig und grottenhaft, aber es ist auch eine Art Heimat geworden.“

Die Kant-Garagen, das letzte erhaltene Parkhaus aus den 30er Jahren, sollen abgerissen werden. Was mal ein imposanter Ort für das mobile Großbürgertum war, ist heute fast eine Ruine. „Hier ist nie was gemacht worden“, sagt Reinkober. Die Rampen sind marode, Feuchtigkeit lässt die Stahlbewehrung rosten, die Glasfassade ist trübe, Müll steht auf den Treppen. Der Eigentümer, Immobilienunternehmer Christian Pepper, ist als Betreiber des Europa-Centers bekannt; er hat den Abrissantrag gestellt, obwohl die Kant-Garagen unter Denkmalschutz stehen. Er selbst will nichts dazu sagen. Ob es beim geplanten Neubau um ein Geschäfts- oder ein Wohnhaus geht, ist auch vom Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Marc Schulte (SPD) nicht zu erfahren, der sich in diesem Punkt zur Verschwiegenheit verpflichtet sieht.

Das Technikmuseum hat an einer Nutzung als Dependance kein Interesse. Doch jetzt gibt es einen Oldtimer-Fan und Immobilieninvestor, der Gefallen an den Kant-Garagen gefunden hat: Rüdiger Lange, Miteigentümer und Verwalter der „Classic Remise“, eines Dienstleistungs- und Ausstellungshauses für Oldtimer in Moabit. Die Remise wurde in einem denkmalgeschützten Straßenbahndepot errichtet, er habe Erfahrung mit verkommenen Denkmälern, sagt Lange. „Bei unserer Classic Remise in Düsseldorf wuchsen schon Bäume im Gebäude.“ Dass ein Gutachten eine Sanierung der Garagen für unwirtschaftlich hält, schreckt ihn nicht. „Man wird damit nicht reich.“ Lange will mit dem Bezirk über eine Rettung des Baus sprechen. „Es wäre sehr reizvoll, eine Nutzung mit alten Automobilen zu finden.“

Es gibt auch andere Ideen, für die allerdings bisher Investoren fehlen. Dirk Spender, Leiter des Regionalmanagements City West, schlägt ein Zentrum für Kreative und Künstler vor. Das würde zur Initiative „Designmeile Kantstraße“ des Design-Centers Stilwerk und weiterer Händler passen, die seit zwei Jahren Veranstaltungen organisieren.

Alternativ kann sich nicht nur Spender einen Fach-Standort für „E-Mobility“, die elektrische Mobilität, vorstellen. Diese Idee hatte ein Team aus TU-Baustudenten schon 2011 präsentiert. Die Grünen-Fraktion hat für die Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag einen Rettungsantrag gestellt, der ebenfalls eine Nutzung für E-Mobility anregt.

Denkmalexperten werfen Pepper vor, er habe das Gebäude verkommen lassen, um es abreißen zu können. Doch Pepper sei kein herzloser Spekulant, sagen Menschen, die ihn kennen. Ein Werkstattmieter lobt ihn als fair und sympathisch. Honorige Vertreter des alten West-Berlin wie Rolf Eden und Heidi Hetzer verstehen den Abrisswunsch. „Wer geht denn da rein? Werkstätten können nicht viel zahlen“, sagt Oldtimerfan Heidi Hetzer. Und Rolf Eden könnte auch gut ohne die Kant-Garagen leben. „Wenn Pepper was schönes Neues macht, freu’ ich mich.“

Das Garagenhaus war nie ein Schmuckstück, eher ein Prototyp der heraufziehenden Moderne mit ihrem Fokus auf Bequemlichkeit und Funktionalität. Im Zentrum der Wendelrampen wurden Autowaschplätze betrieben, heute verstauben dort Altautos und Ersatzteile. Werkstätten waren eigentlich nicht vorgesehen. Auch kein Taxibetrieb. Früher gab es mal 130 „Kant-Taxen“, erzählt Mitarbeiter Peter, heute seien es nur noch 15. Trotzdem gebe es keinen Leerstand. Eine Garagenbox, abschließbar, koste rund 100 Euro im Monat, vergleichsweise wenig. Edle Sportwagen und Limousinen stehen im Haus, geputzt und gewienert, obwohl um sie herum alles zerbröselt. Auch Playboy Eden stellte früher seine besten Karossen in den Kant-Garagen unter.

Mechaniker Peter, ein stiller, bescheidener Mensch, fände es schade ums Haus. Er stellt sich vor, wie viele Bauarbeiter es errichtet haben, „allein die Betonverschalung, das war alles von Hand“. Sein Kollege Andres Örtelt, im Hauptberuf Künstler, wünscht sich ein Oldtimermuseum. Bis es soweit ist, würde er seine großformatigen Ölgemälde ausstellen, die er in der Werkstatt lagert. Sie passen farblich gut in die düstere Umgebung.

Das Gebäude könnte auch noch zehn oder 20 Jahre überleben, trotz der Nässe und der Kälte im Winter, glauben die Mechaniker. Die Kantstraße in der Umgebung, das waren früher viele Bombenbrachen, ein nicht ganz koscherer Kiez mit Prostituierten und Zuhältern, erinnern sich die Garagenmieter. Die blickdichten Garagenboxen eigneten sich für krumme Geschäfte. In den 50er Jahren soll ein Lager für Schmuggelgut existiert haben. Bei der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz 1975 hätten die Täter die Garagen zum Tausch des Fluchtfahrzeugs genutzt, erzählt man sich. Belegt ist das nicht. Für die Charlottenburger Nachbarn sind die Garagen einfach eine günstig gelegene Werkstatt. Im Erdgeschoss sitzt seit 40 Jahren derselbe Pächter, Hans-Peter Luther. Er will in Rente gehen, wenn das Haus abgerisssen wird. „Ich werde das Buch dann zuklappen. Es gibt ja nur noch wenige Werkstätten im City-Bereich.“ Im Krieg sollen Bomben im fünften Stock liegen geblieben sein, wegen der soliden Stahlbetondecken, während links und rechts alles zerstört wurde. Die älteste Garagenpächterin ist jetzt 98, sie hatte gleich nach Kriegsende gemietet.

Cay Dobberke, Thomas Loy

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