Vom Sammler zum Designer: Der mit dem Schuh-Tick
Daniel Kokscht ist eigentlich ein ganz normaler Typ aus Mitte, allerdings mit einem speziellen Hobby: Er hat 200 Paar Sneakers – und jetzt sogar eins mit seinem Namen.
Der Grund für Herthas Abstieg ist blaugestreift und hat die Größe 43. Vorsichtig zieht Daniel Kokscht den Schuh aus dem Regal und balanciert ihn auf der Handfläche. Er hat ihn immer getragen, wenn etwas Wichtiges anstand, ein Bewerbungsgespräch oder das nächste Spiel seines Lieblingsvereins – am Tag der Relegation trug er die Glücksschuhe nicht, das Spiel eskalierte. Kokscht zuckt die Achseln. Aufregen lohnt nicht, findet er. Auf seine Fußknöchel hat er sich zwei Worte tätowiert: „What“ und „ever“. Wenn er einmal quer durch seine 50-Quadratmeter-Wohnung läuft, sagen seine Füße etwa fünfmal „Was soll’s?“
Der kurze Weg zwischen Küchenzeile und Fenster in der nahe dem U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz gelegenen Wohnung zeigt auch: Der 29-Jährige sammelt alte Adidas-Schuhe und stapelt sie in einem Regal bis unter die Decke. Etwa 200 Paar hat er, genauer kann er den Bestand nicht angeben – „was ja immer schon ein gefährliches Zeichen ist“. Die besten Schuhe seien um die 40 Jahre alt, Vintage, denn „heutzutage wird bei der Produktion geschludert“. Lackschuhe trage er nur zu Hochzeiten und Beerdigungen, sagt Kokscht, schmale Augen, breites Grinsen. Er setzt sich auf seine Ledercouch und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. „Die Sneakers sind mein einziger Besitz. Wenn’s mir mal dreckig gehen sollte, muss ich welche verkaufen.“
So weit dürfte es nicht kommen, denn Kokschts Leidenschaft für die gestreiften Turnschuhe hat ihn gewissermaßen berühmt gemacht. So berühmt, dass Adidas bei ihm anrief und fragte, ob er nicht Lust hätte, seinen eigenen Schuh zu designen.
Und das kam so: Kokscht besitzt ein Fotoarchiv, in dem er 1500 Turnschuhe, ihre Namen und Geschichten auflistet. So etwas spricht sich herum, sagt er. Wer eine Schuhkrise hat, fragt Kokscht um Rat. Im Jahr 2008 eröffnet Adidas den Szene-Laden „No74“ in der Torstraße. Kokscht ist dabei – ein Offizieller der Firma auch. Von dem Verrückten mit dem legendären Regal hat er schon gehört. Die beiden bleiben in Kontakt.
Im Herbst 2011 klingelt Kokschts Handy, Adidas sucht fünf Schuh-Designer für eine Kampagne – auch in Berlin. Kokscht sagt zu und hat von nun an „übelst Action“. Die Firma gibt nur die Silhouette des Schuhs vor, den Rest entscheidet er selbst. Er könnte einen goldenen Schuh entwerfen oder einen in Leopardenoptik. 50 Farben gibt es zur Auswahl. „Ich dachte, bevor ich am Rad drehe und das ein Clownsschuh wird, mach ich’s lieber klassisch.“ Am Computer entwirft Kokscht zehn Designs. Am Ende gewinnen klare Linien, royales Blau, zwei Grautöne. Warum diese Farben? Weil es im Olympiastadion eine blaue Laufbahn gibt und graue Sitze. Der Kaufpreis: 120 Euro. Der Schuh trägt den Namen „Quote“ – so nannten sie Kokscht zunächst in der Fußballszene, weil er dort einst „der einzige Ossi“ war. Der Quoten-Ossi halt. Inzwischen wissen die Wenigsten, dass Quote eigentlich Daniel heißt.
Aus Kokscht, dem Sammler, wird Quote, der Kultdesigner. Auf der Innenseite seines Schuhs prangt eine Faust mit seinem Spitznamen. Er gibt Radio-Interviews, lässt sich für Sneaker-Fachmagazine ablichten, dreht einen Werbefilm, in dem er mit seinem Roller durch den Kiez fährt und Bratwürste aus einem Holzimbiss reicht. Der Name der Bude: „Chez Quote“. Bei Quote. An der Wand hängt ein alter Hertha-Schal.
Das Sammeln begann als „unbewusstes Ding“, erzählt Kokscht. Seine ersten Sneakers kaufte er vor 15 Jahren in einem Second-Hand-Laden, trug sie, bis sie auseinanderfielen und wunderte sich über die Prägung „made in West-Germany“, als er das Paar nachkaufen wollte. Von da an muss es Vintage sein, er will sich vom „Turnschuh-Einheitsbrei“ auf der Straße absetzen. Gekauft wird, was gefällt. Auf Flohmärkten, in Retroläden, im Internet – auch Frauenschuhe.
Kokschts Sammlung reicht von Badelatschen bis zu einem Turnschuh mit dem futuristischen Namen „Micropacer“, in dessen Sohle ein kleiner Computer eingebaut ist. Ein Paar Sneakers hat er mit Stahlkappen ausrüsten lassen – die sind in seinem bürgerlichen Beruf als Lichtreklame-Hersteller manchmal Vorschrift.
Inzwischen ist das Regal voll und Kokscht beschränkt sich auf Größe 43, zwei Drittel seiner Sammlung zieht er regelmäßig an. Sein Vater fasst sich an den Kopf, seine Mutter lacht, seine Freundin ist tolerant. Aus Fürsorge hat sie kürzlich Kokschts Ebay-Passwort sperren lassen: Er will jetzt weniger Schuhe kaufen – stattdessen einen Mercedes.
Der „ZX 500 Quote“, Kokschts Erstlingswerk, ist bereits ausverkauft, es gab nur 500 Exemplare in ausgewählten Läden. „Wenn alle, dann alle“, sagt Kokscht. Für ihn selbst sprangen – „außer Ruhm und Ehre natürlich“ – zehn Paar Quote-Schuhe heraus. Die hat er in unterschiedlichen Größen bestellt, um sie an Freunde zu verschenken. „Ich bin halt ein Wohltäter.“ Auf Ebay werden seine Schuhe schon für 500 Euro gehandelt. Kokscht erhebt sich vom Sofa. Auf seinem Esstisch liegt ein Lieferbescheid vom Paketdienst DHL. Kokscht muss noch zur Post. Er hat Schuhe bestellt.
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