Matthias Platzeck: Der Menschen-Mitnehmer
Matthias Platzeck wird heute 60 Jahre alt. Der frühere Ministerpräsident von Brandenburg hat nach seinem Schlaganfall ein neues Leben begonnen. Eine Würdigung.
Elogen zum 60. Geburtstag gibt es in der Zeitung eigentlich nicht. Mit 60 ist man noch mittendrin im Berufsleben, mindestens fünf Jahre von der Rente entfernt. Für Würdigungen ist das nicht der rechte Zeitpunkt. Wird mal eine Ausnahme von der Regel gemacht, muss schon was Einschneidendes geschehen sein. Bei Matthias Platzeck war das so. Der Schlaganfall, der ihn im Sommer traf, wirklich wie ein Schlag, war eine in jeder Beziehung für ihn schmerzliche Zäsur. Ende der Politik, das sagte ihm die Familie, sagten die Ärzte, verstand er auch selbst. Und deshalb ist er heute, an seinem 60. Geburtstag, nicht mehr Ministerpräsident, sondern nur einfacher Abgeordneter des Brandenburgischen Landtags, und erneut für den kandidieren wird er im nächsten Jahr auch nicht mehr. Schichtende, so nennt man das wohl.
Aber eben nicht Ende des Lebens. Vielleicht, hoffentlich, jetzt sogar mehr Zeit für das, was Matthias Platzeck ganz besonders ist: Mensch sein.
Matthias Platzeck ist nie frei von Selbstzweifeln gewesen, aber er war trotzdem immer bei sich, unverbogen, frei von Dünkel. Sich seiner Macht als Ministerpräsident bewusst, aber nie Machtmensch, eher der Überzeuger, Argumentierer, der Menschen-Mitnehmer. So einer hat Gegner, aber keine Feinde. Was er machte, hat er ganz gemacht. Als er von Klaus Wowereit den Posten des Aufsichtsratschefs der Flughafengesellschaft übernahm, übernehmen musste, weil Brandenburg in der Pflicht war, das ist so ein Moment gewesen. „Entweder der Flughafen fliegt, oder ich fliege“, hat er da gesagt und es auch genau so gemeint.
Matthias Platzeck wird nicht untätig sein
„Nah bei den Menschen“ – so hat seinen Politikstil charakterisiert. Das hat ihm in allen Ämtern geholfen, ob als Umweltminister, Oberbürgermeister von Potsdam oder eben als Regierungschef in der Nachfolge von Manfred Stolpe. Wenn man, bei einem der Brandenburger Feste, die zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls so wichtig sind, plötzlich eine Hand auf der Schulter fühlte und sich umdrehte, blickte man oft in das Gesicht von Platzeck, für den dieser auch körperliche Kontakt, verbunden mit einem „Schön, das Sie da sind“, eine Geste der Zuwendung war.
An solchen Gesten wird sich vermutlich nichts ändern, wenn er jetzt in der Uckermark in sein Haus zieht, eine Streuobstwiese anlegt und sich auf den Trecker setzt, von dem er träumt. Das kann man nicht alleine bewirtschaften. Und auch beim Segeln, das will er wieder aufnehmen nach langer Zeit, muss man sich verlassen können auf den Vorschotter. Und ob es so viel wird mit dem abendlichen Hock in der Dorfkneipe, wird man sehen. Denn den stellvertretenden Vorsitz in der Jerusalem-Foundation hat er nicht niedergelegt, die Verbesserung der israelisch-palästinensischen Beziehungen ist ihm wichtig, und da gibt es noch das deutsch-russische Forum und die Ebert-Stiftung, und für die Töchter und für Enkelkinder soll auch mehr Zeit sein. Also wünscht man ihm, was für all das am meisten zählt: Keine Elogen, sondern Gesundheit.
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