Tierpark Berlin: Der giftige Sand stammt vom Hauptbahnhof
Schutt und Aushub der Großbaustelle Europacity wurden im Tierpark abgeladen. Die Entsorgung ist teuer - und könnte am Tierpark hängen bleiben.
Der giftige Sand im Tierpark stammt zum Teil von der Großbaustelle Heidestraße in Moabit. Auf dem rund 40 Hektar großen Areal nördlich des Hauptbahnhofs entsteht zurzeit die Europacity, ein Quartier mit Geschäftshäusern und Wohnungen. Im Zuge der Baustellenüberwachung hatte die zuständige Behörde festgestellt, dass dort zu viel Baumaterial schon zu lange lagerte, und dessen Beseitigung verfügt, erfuhr der Tagesspiegel aus Verwaltungskreisen.
Eine Charlottenburger Firma bot den Abtransport des Materials an. So gelangten vor etwa einem Jahr rund 18 000 Kubikmeter Sand und anderer Bodenaushub in den Tierpark, der sich brieflich bereit erklärt hatte, die Lieferung anzunehmen. Allerdings ging man dort offenbar davon aus, dass das Material verbaubar sei. Erst später zeigte sich dann, dass es zu stark mit Schadstoffen belastet ist.
Wo der größte Teil des Sandes herkommt, ist unklar
Das erklärt aber nur einen Teil der riesigen Menge von Bauschutt und kontaminiertem Sand, die im Tierpark liegt – insgesamt lagern rund 55 000 Kubikmeter Material auf dem Gelände. Woher der Rest stammt, ist bisher nicht klar. Es soll ein Zwischenlager geben, das die erwähnte Charlottenburger Baufirma errichtet haben soll und auf dem außerdem Aushub von der U 5 und einer Baustelle in der Flottwellstraße gelagert worden sein sollen. Von diesem Lager aus sollen dann rund 5000 Lastwagen in Richtung Tierpark gefahren sein und den Sand dort abgeladen haben. Die beschuldigte Firma wollte sich nicht äußern.
In jedem Fall geht von diesen Haufen nicht nur eine Umweltgefahr aus, sondern auch ein wirtschaftliches Risiko. Seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es dazu: „Das Verwaltungsverfahren zur Klärung der nachweisbaren Verantwortung ist noch nicht abgeschlossen. Als Eigentümer des Geländes droht es dem Tierpark, dass er die Entsorgungskosten aufbringen muss. Mit Glück bekommt er zumindest einen Teil zurück, wenn er Regress nimmt.“
Die Entsorgung kostet 2,4 Millionen Euro
Mit anderen Worten: Die schönen fünf Millionen Euro, die eben erst vom Hauptausschuss für die Attraktivitätssteigerung des finanziell so gut wie mittellosen Tierparks freigegeben wurden, könnten im schlimmsten Fall zur Hälfte für die Entsorgung der Altlast draufgehen. Ein Bodengutachten, das der Tierpark in Auftrag gegeben hatte, ergab nämlich wie berichtet, dass die fachgerechte Entsorgung etwa 2,4 Millionen Euro kosten würde. So hatte sich der Hauptausschuss das sicher nicht gedacht, als er für die Pläne des neuen Zoochefs Andreas Knieriem zur Verschönerung des Tierparks kürzlich fünf Millionen Euro lockermachte. Das Geld wird dringend gebraucht.
Die Chance, einen Teil der Entsorgungskosten wiederzusehen, sind ungewiss. Zwar läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen drei Beschuldigte, nämlich den früheren Zoochef Bernhard Blaszkiewitz, dessen Technikchef Andreas A. und den Chef der Baufirma aus Charlottenburg, die den Schutt transportierte. Doch von einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz war bisher keine Rede. Zoochef Andreas Knieriem wollte sich zu dem Sachverhalt am Mittwoch nicht äußern.
Der Vorstand wurde nicht entlastet - wegen des Sandes
Grünen-Umweltpolitikerin Silke Gebel fordert, den Fall schnellstens aufzuarbeiten. „Bis spätestens Ende des Jahres muss geklärt werden, wie es zu der eklatanten Fehleinschätzung der Verwaltung kommen konnte, die schließlich dazu führte, dass die Leitung Tierparkabfälle unter den gelieferten Schuttbergen vergraben ließ. Unser im Sommer gestellter Antrag auf Akteneinsicht ist aber bis jetzt unbeantwortet“, sagte Gebel. Sie hatte durch Akteneinsicht auch schon in Erfahrung gebracht, dass die Entsorgung des Schutts viel teurer wird als gedacht.
„Die Allgemeinheit darf nicht auf den Entsorgungskosten für den mit Sulfaten, PAK (Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen) sowie Blei und Quecksilber belasteten Boden sitzen bleiben“, fordert Gebel. „Die Verantwortlichen, allen voran der ehemalige Zoochef Blaszkiewitz, aber auch die Firma und andere Verursacher müssen zur Verantwortung gezogen und in Regress genommen werden und die Sandberge müssen vollständig und fachgerecht entsorgt werden.“ Auf der Hauptversammlung der Zooaktionäre im Juli wurde der frühere Vorstand nicht entlastet – wegen der Unklarheiten im Zusammenhang mit den Sandhaufen.