Neutrino Deutschland GmbH: Der geheimnisvolle Sponsor des Bundespresseballs
Zu den Sponsoren des Bundespresseballs zählt eine bisher völlig unbekannte Firma: Neutrino. Sie will Energie aus Winzigteilchen ernten. Experten sind sehr skeptisch.
Die Veranstalter des Bundespresseballs hatten es nicht leicht in diesem Jahr: Die Karten seien zu teuer, hieß es. Daher gab es mit dem Bundesmedienball erstmals eine Konkurrenzveranstaltung. Auch die Sponsorensuche soll zunächst schwierig gewesen sein. Schließlich aber fanden sich doch noch namhafte Unternehmen, die dieses gesellschaftliche Großereignis finanziell unterstützen: Mercedes-Benz, British American Tobacco (BAT) – und „Project Neutrino“. Der Tagesspiegel verantwortet die Ballzeitung.
Während die Daimler-Tochter die wohl bekannteste Automarke der Welt ist und BAT auch den meisten Gästen bekannt sein dürfte, sorgte das „Projekt Neutrino“ schon im Vorfeld zumindest für Stirnrunzeln. Dahinter steckt das noch junge Unternehmen Neutrino, registriert als Neutrino Inc. in den USA und als Neutrino Deutschland GmbH am Leipziger Platz in Berlin-Mitte.
Hinter Neutrino steckt der Geschäftsmann Holger Thorsten Schubart. Der will – sehr verkürzt gesagt – Batterien quasi aus dem Nichts aufladen. Der 49-Jährige sagt, die Firma Neutrino suche nach einem Weg, mit Neutrinos – das sind kleinste, fast massenlose Teilchen – unendlich viel Energie gewinnen. Das wäre wohl die Lösung der meisten Energieprobleme der Menschheit. Präsentiert sich den führenden Köpfen aus Politik und Medien des Landes hier etwa so etwas wie eine Weltsensation?
Sehr unwahrscheinlich, mit diesen Teilchen Energie zu gewinnen
Die Idee, mithilfe von Neutrinos Strom zu gewinnen, klingt für Experten abenteuerlich. Neutrinos sind elektrisch neutrale und sehr leichte Elementarteilchen, die vor allem von der Sonne zur Erde kommen. Das Besondere: Sie reagieren nur extrem selten mit Materie und können mühelos ganze Planeten durchdringen. In jeder Sekunde sausen Milliarden von ihnen durch eine Fläche, die so groß ist wie ein Daumennagel – die absolute Mehrheit ohne dabei an die Atome anzustoßen. Erst vor wenigen Jahrzehnten gelang es Physikern, diese Teilchen überhaupt nachzuweisen. Weil sie so schwer zu fassen sind, hält sich nach wie vor der Begriff von „Geisterteilchen“.
Wenn sie praktisch nie mit Materie reagieren, wie will man sie dann zur Energiegewinnung nutzen? Physiker wie Heiko Lacker von der Humboldt-Universität Berlin sind extrem skeptisch. „Mir ist völlig unklar, wie das funktionieren soll“, sagte er dem Tagesspiegel. Auch die spärlichen Informationen auf der Webseite der Firma Neutrino Inc. geben dazu keine Hinweise. Verweise auf wissenschaftliche Publikationen oder namhafte Neutrinoforscher sucht man vergebens.
Lacker hat überschlagen: Bezogen auf die Teilchen aus der Sonne würde man in einem Kubikmeter Wasser 0,0002 Neutrinoreaktionen pro Sekunde erwarten. Selbst im günstigsten Fall ließe sich damit nur ein winziger Bruchteil der Energie gewinnen, die im selben Zeitraum in Form elektromagnetischer Strahlung – also vor allem Licht – von der Sonne kommt. „Es ist offensichtlich, dass diese Energiequelle nicht sinnvoll nutzbar ist“, sagte Lacker. Lothar Oberauer, Neutrinospezialist an der TU München, kommt zu der gleichen Einschätzung. Aus physikalischer Sicht sei es sehr unwahrscheinlich, mit diesen Teilchen Energie zu gewinnen. „Da müsste schon eine umwälzende Entdeckung gemacht werden, die alles, was wir bisher über Neutrinos gelernt haben, auf den Kopf stellt“, sagte er.
Sponsoring abhängig von Beziehungen
Schubart ließ dem Tagesspiegel am Freitag ausrichten, er habe mit seinen „anderen Beteiligungen oder Firmen“ das Geld verdient, das die Forschungen, die von der Neutrino in Auftrag gegeben wurden – und werden – möglich gemacht werden. „Es ist, wenn Sie so wollen, mein Lieblingsprojekt, meine Vision. Und ich fand, dass der Bundespresseball eine gute Möglichkeit ist, diese Vision der Öffentlichkeit vorzustellen.“ Kritiker würden sich immer finden, schrieb Schubart weiter, „wenn es darum geht, etwas völlig Neues zu schaffen.“ Er kenne diese Vorwürfe alle, doch er investiere „ Geld, das ich verdient habe, in eine Vision, an die ich glaube – und das seit vielen Jahren.“ Die Neutrinoforschung sei eine der zukunftsweisendsten Energienutzungsformen unserer Zeit. „Und auch wenn es noch ein weiter Weg ist: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir eines Tages erfolgreich sein werden.“ Sein Geld legt Schubart jetzt also unter anderem durch Sponsoring des Bundespresseballs an. Allerdings nicht alles: Nach Recherchen des Tagesspiegels hatte Neutrino bis Freitag Nachmittag lediglich eine Anzahlung des abgemachten Sponsoring-Betrags geleistet.
Alfred Gertler, Leiter der Organisation des Bundespresseballs, sagte, er habe zwar im Netz gesehen, dass Neutrino nicht unumstritten sei, habe aber nicht weiter nachgeforscht: „Was die produzieren wollen, können wir nicht beurteilen.“ Sicher, man wisse noch nicht, ob das etwas wird. „Aber wenn es funktioniert, wäre es doch eine tolle Sache.“ Außerdem mache Neutrino Inc. ja nichts Schlechtes. „Es geht ja schließlich nicht um Waffenhandel.“
Wer Sponsor beim Presseball wird, hängt laut Gertler vor allem von persönlichen Beziehungen ab: „Es gibt da kein standardisiertes Verfahren. Das ergibt sich, wenn man mit Leuten spricht.“ So sei es auch bei Neutrino gewesen. Das Sponsoring habe keinen Einfluss auf das Programm: „Man sieht nur das Logo der Firma, mehr nicht.“ Die anderen Sponsoren hätten sich prominenter platziert: etwa mittels der Mercedes-Bar oder der an die Tabakindustrie gekoppelten Raucherlounge. Schubart hat schon die nächste Feier im Blick: Neutrino engagiert sich auch für das „Cinema for Peace“-Festival.
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