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Luftbild von Tegel, dem geplanten Olympiaquartier im Norden Berlins.
© Tegel Projekt

Olympia in Berlin: Der Flughafen Tegel soll das Olympische Dorf werden

Auf dem Flughafen Tegel sollen bei Olympia die Sportler schlafen. In 5000 Wohnungen. Danach sollen vor allem Neu-Berliner nach Reinickendorf ziehen. Heute ist das Viertel allerdings vermüllt und trist. Kann das was werden?

"Niemand ist anbetungswürdig außer Allah und Muhammad ist der Prophet Allahs", steht auf einem schwarzen Transparent an einem Zaun in lateinischer und arabischer Schrift. Daneben schmucke und halbfertige Einfamilienhäuser, eine Kfz-Schätzungsstelle, die Tischlerei Holzkick.

Die Weststraße in Reinickendorf, nicht weit vom U-Bahnhof Scharnweberstraße, ist ein beschaulicher Planet. Doch nicht weit vom Araber-Treff „Kompakt Kauf“ könnte in zehn oder vierzehn Jahren der „Olympic Boulevard“ entstehen, der per Fußgängerbrücke die Zuschauer von einem als „Trainingsgelände“ ausgewiesenen 5,7-Hektar-Areal und den U-Bahnhöfen über den Köpfen der Athleten zu den Wettkampfstätten bringt.

Wer sich vor Ort am Tegeler Schützenvereinsheim 1905 und der Lärmschutzwand der Autobahn vorbei zur Jupiterstraße durchkämpft, wo sich Müll vom Rummelplatz türmt, mag das nicht glauben. Wer dagegen Engelbert Lütke Daldrup, den zuständigen Staatssekretär der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, über die Pläne für das Olympische Dorf schwärmen hört, ist bald überzeugt: Wenn überhaupt etwas für Schub an diesem unwirtlichen Ort sorgen könnte, dann die Spiele.

Denn woran nicht einmal mehr die Beteiligten am Neubauprojekt für das gescheiterte Tempelhofer Feld glaubten – dass dort ein Stadtquartier der Zukunft entstehen könnte –, ist bei einem Megaprojekt wie Olympia nicht nur möglich, sondern nötig: ein wegweisendes Stadtquartier zu schaffen, dass die Welt staunen lässt. „Wir wollen die Welt begeistern“, sagt Lütke Daldrup – und zwar durch ein sich selbst versorgendes, wandelbares „Stadtquartier der Zukunft“.

Wenn irgendwo so etwas klappen kann, dann in Tegel. Dort arbeitet die gleichnamige Projektgesellschaft schon seit Jahren am Aufbau eines Forschungs- und Produktionsstandorts der Zukunft, der „Urban Tech-Republic“. Und auf der Agenda der Firmen und Forscher, die deren Chef Philipp Bouteiller nach eigenem Bekunden bereits auf der Warteliste stehen hat, steht genau das, was man zum Bau einer solchen Siedlung braucht: innovative Baustoffe, neueste Solar- und Antriebstechnologien sowie solche für Daten-, Strom und Wassernetzwerke.

5000 neue Wohnungen für Neuberliner

So gesehen könnte die Vernetzung dieser beiden Berliner Großprojekte das in der Entwicklung Berlins ein wenig retardierte Reinickendorf sprunghaft nach vorne bringen. Denn die 5000 Wohnungen, wo zunächst bis zu 15.000 Athleten und Betreuer wohnen, sollen später etwa 10.000 Neuberlinern zur Miete angeboten werden. Die „Einsteiger auf dem Wohnungsmarkt“ hat der Senat als Zielgruppe im Auge: junge Neuberliner, gerne Studenten und Mitarbeiter der Start-ups auf dem Gelände in Tegel, oder auch ältere Menschen, die allein oder zu zweit günstigen Wohnraum suchen. Denn die Mieten von etwa der Hälfte der neu entstehenden Wohnungen sollen mit öffentlichem Geld gesenkt werden.

Si stellen sch die Planer im Senat ein Olympisches Dorf auf dem Flughafen Tegel vor.
Si stellen sch die Planer im Senat ein Olympisches Dorf auf dem Flughafen Tegel vor.
© tsp

Abgeschoben wird dort niemand, die neue Siedlung muss man sich eher komfortabel und trotz der eher kleinen Wohnungen mit rund 65 Quadratmetern im Durchschnitt kinderfreundlich vorstellen: Die Sportler-Klinik wird nach den Spielen zur Schule umgebaut, das Empfangsgebäude zur Kita – und im olympischen Bad halten sich die Forscher fit, nachdem die Tribünen für zehntausende Zuschauer abgebaut sind.

Wandelbar muss das neue Quartier also sein, eine Herausforderung für Planung und Bautechnik. Aber davor ist Engelbert Lütke Daldrup nicht bange: Kaum in ein anderes Bauprojekt drängen sich so viele Kamerateams und Reporter wie durch ein Olympisches Dorf. Deshalb reißen sich innovative Architekten, Planer, Forscher und Firmen darum, dabei zu sein. „Olympia bietet die Möglichkeit, ein solches Stadtquartier der Zukunft zu bauen“, sagt der Planer, der bereits für den Bund mit Großprojekten befasst war. Nur Olympia, jedenfalls im unter Spardruck heruntergewirtschafteten Berlin, könnte man auch sagen.

Ein Kamel auf der "Olympic Plaza"

Szenenwechsel: Gegenüber der Sackgasse Jupiterstraße im Rummelplatzmüll: ein morsches Pferdekarussel. An der Saturnstraße: ein gebührenpflichtiger Flughafenparkplatz mit dem Wächterschild „Komme gleich wieder“ und eine geheimnisvolle Antennenanlage: Wer eindringt, wird „strafrechtlich verfolgt“. Über die abknickende Nordlichtstraße geht’s rechtsherum in die nicht weniger geheimnisvolle „Straße 443“, zwischen Mietskasernen durch einen Park, und dort plötzlich, neben der Autobahnauffahrt, äst in seliger Wildbahn, zwischen Birken und Eichen – ein Kamel.

Das kann kein Zufall sein. Ungefähr hier dürfte in zehn oder 14 Jahren der „großzügige Eingang“ zum Dorf der Dörfer die Jugend der Welt anlocken: eine 1,4 Hektar große „Olympic Plaza“ mit „Welcome Centre“. Berlins Interessenbekundungspapier beschreibt die Koordinaten dieses Entrees als „nahe zum Kurt-Schumacher-Platz“: wo der BVG-Nutzer aus jenem Kombikasten tritt, der in einer vermurksten steinernen Wusellandschaft den U-Bahnhof und das Einkaufszentrum „Clou“ verbindet.

Die Olympischen Spiele könnten nicht nur in Berlin stattfinden - sondern auch in Rostock, Wolfsburg, Leipzig. Lesen Sie mehr unter diesem Tagesspiegel-Link.

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