Klaus Schütz: Der Entspannungsexperte
Klaus Schütz regierte Berlin von 1967 bis 1977. Er war populärer als Willy Brandt in seinen besten Zeiten. Jetzt diskutiert der Sozialdemokrat mit Tagesspiegel-Lesern über Vergangenheit und Zukunft der Stadt.
„Und das ist gut so“, sagte der Mann, der als Regierender Bürgermeister populärer war als Willy Brandt in seinen besten Berliner Zeiten. Nein, wir sprechen hier nicht von Klaus Wowereit. „Ich bin Klaus Schütz, und das ist gut so“, sagte der Sozialdemokrat einst, als die Genossen im Flügelkampf am Senatschef herummäkelten. Es waren zehn turbulente Regierungsjahre, von 1967 bis 1977, als die inneren und äußeren Grundfesten der Halbstadt bedroht waren, als die Studentenrevolte das eingemauerte West-Berlin erschütterte, aber auch die Sowjetunion die Zugehörigkeit zur Bundesrepublik bedrohte. Klaus Schütz wird am kommenden Mittwoch in der Tagesspiegel-Reihe als erster der ehemaligen Regierenden Bürgermeister über seinen Blick zurück auf die Stadt und ihre Zukunft diskutieren.
In jenen krisenhaften Jahren regierte Schütz mit einem pragmatischen Stoizismus, der auch aus seiner politischen Erfahrung an der Seite Willy Brandts erwuchs. Ein Volkstribun war er nie. Aber die Stimmung hochzuhalten und nah bei den Berlinern zu sein, bemühte sich Schütz; es war der Schlüssel zu seiner Popularität. Selbst ein Bundespräsident auf Besuch etwa musste darauf verzichten, am Flughafen abgeholt zu werden, weil Schütz sein traditioneller Gang über die Berliner Wochenmärkte wichtiger war.
Der spätere Bundeskanzler Brandt war schon für den jungen Klaus Schütz ein prägendes Vorbild. Im Bundestagswahlkampf 1961, in den der Schock des Mauerbaus hineinplatzte, leitete der 1926 geborene Schütz das Wahlbüro von Willy Brandt und diente in der CDU-SPD-Koalition dem Bundesaußenminister Brandt als Staatssekretär. Er war der erste Politiker der Bundesrepublik, der im Wahlkampf 1969 die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze propagierte – damals ein Sakrileg, und zugleich ein Wetterleuchten für die folgende Verständigungspolitik der sozialliberalen Koalition.
Geerdet in der Stadt, den Blick weit über sie hinaus gerichtet – das zeichnete Schütz als Regierenden Bürgermeister aus. Ins Amt musste er 1967 gedrängt werden, wider Willen; als Heinrich Albertz nach dem brutalen Polizeieinsatz gegen protestierende Studenten vor der Deutschen Oper und den tödlichen Schüssen auf Benno Ohnesorg zurücktrat. Der aufgeheizten Atmosphäre, die sich 1968 gegen die aufbegehrenden Studenten richtete, hat sich auch Klaus Schütz nicht entzogen. „Ihr müsst diese Typen sehen, ihr müsst ihnen genau ins Gesicht sehen“, rief er den Berlinern zu. Die Verschärfung des Klimas, das sich nach dem Attentat auf Rudi Dutschke gefährlich aufheizte, wurde auch Schütz angelastet. Später musste er erleben, dass 1975 die „Bewegung 2. Juni“ den Berliner CDU-Landesvorsitzenden Peter Lorenz entführte und Terroristen freipresste.
Es war eine Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, aber vor allem eine Zeit der außenpolitischen Bedrohung. Die Sowjetunion und die DDR beharrten darauf, dass West-Berlin kein Teil der Bundesrepublik sei. Mit regelmäßigen Provokationen versuchten sie ihr Konzept einer „selbstständigen politischen Einheit Westberlin“ durchzusetzen; als etwa im März 1969 die Wahl des Bundespräsidenten in Berlin anstand, wurden Militärmanöver angekündigt, die Transitautobahnen willkürlich gesperrt und Mitgliedern der Bundesversammmlung die Durchfahrt durch die DDR verweigert. Erst die Unterzeichnung des Vier-Mächte-Abkommens 1971, das die Existenz der Halbstadt sichert, nimmt den Druck aus dem Kessel. Schütz hatte schon früh die Kontakte auch zum sowjetischen Botschafter Abrassimow gesucht, um das Konfrontationspotenzial zugunsten von Verhandlungen abzubauen. Es gelang ihm auch, die DDR einzubinden, um die Situation der West-Berliner zu verbessern – durch die Sicherung der Transitstrecken oder durch erleichterte Reisemöglichkeiten.
Mit der Normalität und Entspannung nach dem Wegfall der Bedrohung traten die inneren Probleme der seit 1971 allein regierenden SPD um so deutlicher hervor. Heftigste Flügelkämpfe, „Filzokratie“, persönliche Verfehlungen von SPD-Senatoren und immer neue Skandale, etwa beim Bau des Steglitzer Kreisels, verleideten Schütz das Regieren. 1977 trat er zurück. Zwischen „Logenplatz und Schleudersitz“ lokalisierte er seine Amtszeit später in den Memoiren. Als deutscher Botschafter in Israel widmete er sich anschließend einer Herzenssache, der Versöhnung mit dem jüdischen Staat. Bei den Entwicklungen in Berlin ist der Ehrenbürger von New York ein aufmerksamer Beobachter und meldet sich regelmäßig publizistisch zu Wort.
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