Buch über DDR-Dissidenten: Der doppelte Havemann
Der Enkel des DDR-Kritikers Robert Havemann führt ein Bistro in Moabit – dort wird ein Buch über den Großvater vorgestellt.
Robert Havemann hätte an diesem Abend wohl sein Vergnügen gehabt: Freunde und Dissidenten, Verehrer und Nachfolger sitzen beim Wein im Geiste vereint, aber nicht in irgendeinem Salon, sondern in Volkes Mitte, unter dem Gestänge der Markthalle 10 in Moabit. In diesem prächtigen Bau von 1891 betreibt ein junger Mann eines der freundlich-rustikalen Restaurants in der Arminiushalle, die Feinkost & Gourmetküche Rosa Lisbert. Dies Etablissement ist der Stolz von Robert Havemann. Nanu? Havemann starb im April 1982, aber eine der Frauen von Havemann sen. meinte, es müsse auf jeden Fall wieder einen Robert in ihrem Leben geben. So kam Havemann jun. zu dem Vornamen. Hat er etwas vom Großvater geerbt? Ja, die Liebe zur Musik, den Optimismus, die einfache Erklärung komplizierter Sachverhalte, die Kochkunst. „Ich stehe schon ein bisschen in seinem Schatten“, sagt Robert, „vielleicht bin ich auch so ein Rambo.“
Als Kommunist baut die DDR mit auf - was ihn zum Gegner werden lässt
Im Mittelpunkt des Abends steht ein Wälzer mit 666 Seiten, in dem namhafte Autoren eine „Annäherung an Robert Havemann“ versuchen (Verlag Vandenhoeck & Ruprecht). Wie schwierig das sein kann, wird zum Erlebnis: Der Naturwissenschaftler und Philosoph war ein widersprüchlicher Mensch, kämpferisch und leidenschaftlich bei allem, was er sagte und tat. „Robert Havemann ist sicherlich eine der Gestalten des 20. Jahrhunderts, die mit ihrer Biographie dessen Höhen und Tiefen, dessen Gipfel, Verwerfungen, Untiefen und Abgründe nicht schlechthin durchlitten. Er war auch deren Abbild und in dem Maße, in dem ein einzelner Mensch daran Anteil haben kann – deren Schöpfer“ schreibt der Herausgeber Bernd Florath im Vorwort seiner biografischen Studien und Dokumente. Was für ein Leben! Als Kommunist war Havemann 1943 zum Tode verurteilt, aber 1945 von der Roten Armee in Brandenburg befreit worden. Als Kommunist baut er an führender Stelle die DDR auf, angetrieben vom Ideal der Überwindung sozialer und politischer Knechtschaft – was ihn schließlich zum Gegner seiner Genossen werden ließ. Die schonungslose Kritik am SED-Regime ging nicht zuletzt auf seine im Widerstand gegen die Nazis gewachsene Haltung zurück. Der freie Kopf hat gesagt, was viele Leute dachten. So wurde sein Haus in Grünheide Tag und Nacht von der Stasi überwacht, jeder Besucher gefilmt. Der Staatsfeind „hatte keine Angst, Angst hatten jene Leute, die auf uns aufpassten, damit sie ja nichts verpassen“, sagt Katja Havemann, die Witwe.
Und der kochende Enkel lädt am Schluss des aufschlussreichen Abends alle ein zum „Original Havemann’schen Königsberger Klops“ zu drei Euro fünfzig – Klopse, die meine Mutter immer für ihn gekocht hat, sagt Robert und gießt sich ein Bier ein.