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Berlin: Der Dichter und die Kampfblume

Tagesspiegel-Autorin Kerstin Decker las aus ihrem Buch über Heinrich Heine

Heinrich Heine war ein Papageienmörder. Und er verprügelte regelmäßig seine Frau Mathilde, meist montags als Erziehungsmaßnahme. Tagesspiegel-Autorin Kerstin Decker hat den Dichter trotzdem lieb gewonnen – und zu seinem 150. Geburtstag eine Biografie über ihn geschrieben („Heinrich Heine – Narr des Glücks“. Propyläen Verlag, 448 Seiten, 22 Euro).

An einem lauen Maiabend sitzt sie im ausverkauften Saal des Löwenpalais in Grunewald und liest aus dem Buch. Oft geht es um Heines Frau. „In anderen Biografien ist Mathilde nur ein ganz kurzes Kapitel“, sagt die Autorin. Dabei ist die Beziehung zwischen dem Dichter und der Frau, die nicht lesen konnte, sehr unterhaltsam – wenn man sie mit dem Augenzwinkern der promovierten Philosophin sieht. „Mathilde ist eine Kampfblume“, liest Kerstin Decker. „Groß und fleischig sowieso.“ Doch Heine, der „Frauen mag, die mehr wiegen als er“, nennt sie „ma petite – meine Kleine“. Und so entstand bei seinen Biografen das Missverständnis, sie sei zart gewesen. Dabei ist sie „dreimal so stark wie er, sie könnte ihn an der Wand zermalmen“. Aber Mathilde glaubt, dass Männer ein Gefühl der Überlegenheit brauchen.

Ob Kerstin Decker Heine als Mann anziehend gefunden hätte, möchte Tagesspiegel-Redakteur Wolfgang Prosinger wissen. Er moderiert die Veranstaltung. „Ich finde es schön, dass ich das niemals genau wissen werde“, antwortet Kerstin Decker. Hinter ihr hängt eine karikierende Bildermontage: Heine mit Bart und geschlossenen Augen, auf seinem Kopf ein grüner Papagei. Ein solcher Vogel spielte eine große Rolle in Heines Leben: Der äußerst lärmempfindliche Dichter hasste das ständig kreischende Haustier seiner Frau. Auch weil sie den Papagei mehr zu lieben schien als ihn. Also tötete er ihn voller Skrupel mit einem Schierlingstrank. Doch die Freude an der Stille hielt nicht lange vor. „Mathilde leidet“, liest die Biografin. Deshalb musste er einen neuen Vogel kaufen, aber einen, „der hässlicher ist als sein Vorgänger“, damit Heine eine Chance gegen ihn hat.

Zum Federvieh hatte Heine eine eigene Beziehung: „Es stand auf dem Tisch eine Gans, ein stilles gemütliches Wesen (...) sie blickte mich an (...) so innig, so wehe, besaß eine schöne Seele gewiss, doch war das Fleisch sehr zähe“, schrieb er in „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Das Liedermacher-Duo „Rose & Georgi“ hat diese Heine-Zeilen vertont, hat ein ganzes Programm zu seinen Texten komponiert und trägt es im Löwenpalais vor.

Das Lied über die Gans ist eine Art Einstimmung auf die Pause. Da servieren die literarischen Köche von eßkultur „nicht ganz koscheres“ Essen. Denn Heine war Jude, wenn er auch später konvertierte. Allerdings wird kein Vogel aufgetischt, sondern ein jüdisch-mexikanisches Sabbatgericht – Rindfleisch mit Backpflaumen, Süßkartoffeln und Mangostücken.

„Eigentlich hat Heine ja ein bisschen gesponnen“, sagt Tagesspiegel-Leserin Renate Weidinger. Sie bewundere ihn trotzdem. „Ich bin überrascht, wie viel man heute noch über ihn entdecken kann.“

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