Können die Prüfungen so durchgeführt werden?: Der Berliner Abi-Plan wirft viele Fragen auf
Müssen Schüler ein Attest bringen, wenn sie nicht zur Prüfung gehen? Wo soll das Desinfektionsmittel herkommen? Schulleiter sprechen von einer „Groteske“.
Die Pläne der Bildungsverwaltung zur Abwicklung der Abiturprüfungen treffen auf erhebliche Widerstände. Es geht um rechtliche Bedenken und um Fragen der Praktikabilität, die sich aus dem siebenseitigen Schreiben aus dem Hause von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ergeben.
Manche Schulleiter sprechen inzwischen von einer „Groteske“, wenn es um das Schriftstück geht. Es geht um angeblich kaum umsetzbare Sicherheitsbestimmungen sowie um die vielfältigen Möglichkeiten, den Prüfungen fernzubleiben.
„Mit den Regelungen vom 3. April ist das übliche Prüfungsrecht für 2020 de facto grundsätzlich außer Kraft gesetzt“, urteilt Ralf Treptow von der Vereinigung der Oberstudiendirektoren (VOB). Als Leiter des Pankower Rosa-Luxemburg-Gymnasiums hat Treptow 30 Abiturjahrgänge begleitet und kennt sich entsprechend aus mit den Formalitäten.
Daher verweist er darauf, dass es normalerweise nötig sei, die Nichtteilnahme an einer Prüfung mit einem ärztlichen Attest zu begründen. Dies aber sei in dem Schreiben der Senatsverwaltung nicht vorgesehen.
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Tatsächlich erwähnte Scheeres’ Behörde nichts von einem Attest, sondern führt aus, dass Schüler von den Prüfungen „auszuschließen“ seien, wenn sie innerhalb der letzten 14 Tage aus dem Ausland zurückgekehrt sind, Kontakt zu Infizierten hatten oder Symptome aufweisen. Auch mit einer „erhöhten Körpertemperatur“ habe man einen Grund, „nicht in der Schule zur Prüfung zu erscheinen“. Von einer ärztlichen Bestätigung war nichts zu lesen.
Schulen stellen selbst Desinfektionsmittel her
Die Bildungsverwaltung widerspricht Treptows Darlegung: Die Prüflinge sollten durchaus ein Attest vorweisen. Das sei nicht extra erwähnt worden, weil ja nur Abweichendes aufgeführt worden sei. Das überzeugt Treptow nicht. Er legt dar, dass das bisherige Verfahren auf den Kopf gestellt werde, wenn die Schule Schüler ausschließen müsse, die etwa angeben, Kontakt zu Infizierten gehabt zu haben.
Nachprüfen können Schulen das nicht. Er hält es unter diesen Umständen für eine „Illusion“, dass dieses Jahr jeder Abiturient alle fünf Abiturprüfungen ablegen wird. Man brauche eine neue Abiturberechnung – je nachdem, ob jemand ein, zwei, drei, vier oder alle fünf Prüfungen absolviert habe.
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Andere Schulleiter regen sich über weitere Aspekte auf, etwa über die Vorschriften hinsichtlich der Reinigung. Die Schulen sollen alles desinfizieren und in ihren zahlreichen Prüfungsräumen Desinfektionsmittel bereitstellen, aber nicht alle Bezirke können etwas liefern. Mehrere Schulen berichteten, dass sie sich große Mengen Alkohol beschafft hätten, um Desinfektionsmittel selbst herzustellen.
Schulleiterin: Verwaltung hat „jeden Bezug zur Realität verloren“
Dennoch sehen sie sich nicht gerüstet: „Wir müssten die ersten Schüler schon um 7 Uhr erscheinen lassen für eine Prüfung, die um 9 Uhr beginnt, moniert eine Schulleiterin: Das liege daran, dass die Prüfungsgruppen in einem Abstand von zehn Minuten kommen sollen.
Eine erfahrene Oberstufenkoordinatorin spricht gar von einer „Groteske“, der sie da beiwohne. Die Verwaltung habe „jeden Bezug zur Realität verloren“. Es sei ein Dokument der Verzweiflung“, wenn es etwa heiße, dass jeder Prüfling vorher und hinterher die Hände zu waschen habe, wenn Desinfektionsmittel fehle. Die Schlangen vor den Toiletten möchte sie sich nicht ausmalen.
Ihr Plädoyer lautet ebenso wie das von Treptow und des Landesschülerausschusses: Keine Abiturprüfungen im Jahr 2020
Angesichts der massiven Kritik kündigte die Verwaltung inzwischen an, die Anweisungen zu entschlacken.