Meine Woche (54): Depression
Der Syrer Ahmad Al-Dali, 25,ist seit Mai 2015 in Berlin. Hier erzählt er, wie ihm die Stadt begegnet.
Ahmad, wir haben ganz vergessen, Ihnen zu gratulieren! Vorletzte Woche war es ein Jahr her, dass wir mit dieser Kolumne begonnen haben.
Schon ein Jahr? Wahnsinn.
Wie geht es Ihnen denn derzeit?
Nicht so gut. Ich habe häufig die Sprachschule verpasst und bin rausgeflogen.
Das hört sich gar nicht gut an. Warum sind Sie denn nicht hingegangen?
Lange wollte ich es mir selbst nicht eingestehen, weil ich es als Schwäche sehe, aber ich habe Depressionen. Schon vor sechs oder sieben Monaten wurde mir alles zu viel und ich konnte nicht mehr. Mein Kopf war wie leer. Von einem auf den anderen Moment wurde ich traurig – immer wieder und ohne Grund. Mir ist klar geworden, dass ich Hilfe brauche.
Haben Sie die gefunden?
Es hat Monate gedauert. Zuerst war ich in einem Traumazentrum. Dort übersetzte ein Dolmetscher für die Therapeutin. Die wollte immer wissen: „Denken Sie an die Bomben, den Krieg?“ Aber das ist es nicht. Jetzt habe ich eine englischsprachige Therapeutin, die ist besser. Sie hilft mir, mich selbst kennenzulernen.
Die Depressionen waren der Grund, dass Sie die Schule so häufig verpasst haben?
Ja. Ich habe auch ein Schreiben von meiner Therapeutin. Aber die Schule wollte das nicht akzeptieren. Die haben dann beim Jobcenter angerufen, als ob ich zwölf Jahre alt wäre und sie meine Eltern informieren. Nächste Woche habe ich einen Jobcenter-Termin. Der wird für mich richtig unangenehm.
Aber die werden Ihnen hoffentlich eine zweite Chance für die Schule geben?
Wenn nicht, bin ich geliefert. Dass ich ein gewisses Sprachniveau erreiche, ist wichtig für meinen Aufenthaltsstatus.
Wir denken an Sie. Welches Wort geben Sie uns diese Woche mit?
Ehbat – das ist Arabisch für Depression.
Die Fragen stellte Maria Fiedler.
Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.
Ahmad Al-Dali