Streit um Hauptstadt-Kathedrale: Denkmalschützer protestieren gegen Umbau-Pläne
Kardinal Woelki will St. Hedwig grundlegend umgestalten. Kunsthistoriker sprechen von "Teilzerstörung" und haben in einem Offenen Brief die Bischofskonferenz um Hilfe gebeten
Namhafte Denkmalschützer aus ganz Deutschland protestieren gegen die geplante Umgestaltung der St. Hedwigs-Kathedrale. In einem Offenen Brief appellieren sie an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, „diesen bedeutsamen Fall noch einmal zu prüfen, öffentlich zu diskutieren und die sich abzeichnende Fehlentwicklung zu verhindern“.
Zu den Unterzeichnern gehören die Vorsitzende des Berliner Landesdenkmalrates, Kerstin Wittmann-Englert, Landeskonservator Jörg Haspel und der Direktor des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, Wolf Tegethoff. Auch die Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in Deutschland sorgt sich wegen der geplanten „Teilzerstörung der St. Hedwigs-Kathedrale“, ebenso der katholische Theologe und Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal von der Universität Tübingen.
Die geplante Umgestaltung sehe die „vollständige Beseitigung der derzeitigen weitgehend intakten und denkmalgeschützten Raumfassung aus den Jahren 1952 bis 1963 vor“ und sei mit dem Status als eingetragenem Baudenkmal „unvereinbar“, schreiben die Denkmalschützer. Ein derart weitgehender Umbau sei „weder gottesdienstlich erforderlich noch im Hinblick auf den finanziellen Aufwand in vielstelliger Millionenhöhe gerechtfertigt, zumal vor dem Hintergrund des überkonfessionell begrüßten Kurses der materiellen Bescheidenheit von Papst Franziskus und der Limburger Bauaffäre“.
Am 30. Juni war ein von Erzbischof Rainer Maria Woelki ausgelobter Architekturwettbewerb entschieden worden. Die Preisträger des Architekturbüros Sichau & Walter aus Fulda wollen die umstrittene Bodenöffnung des Architekten Hans Schwippert aus den fünfziger Jahren schließen und den Altar in die Mitte der Rotunde rücken. Die Besucher sollen in konzentrischen Kreisen um den Altar herumsitzen. Dass die Denkmalbehörde damit nicht einverstanden ist, wurde bereits bei der Vorstellung des Siegerentwurfs deutlich. Landeskonservator Jörg Haspel hat den Entwurf als Jury-Mitglied dennoch mitgetragen.
Das Bistum ist "erstaunt" über die Kritik der Denkmalpfleger
Das Erzbistum reagierte am Dienstag „mit Erstaunen“ auf den Brief der Denkmalschützer, den auch Haspel unterschrieben hat. „Wir dachten, dass wir in gutem Konsens mit der Denkmalpflege sind“, sagte Bistumssprecher Stefan Förner. Erstaunt sei man auch, dass der Brief an die Bischofskonferenz gerichtet sei und versucht werde, „die Debatte auf die moralisierende Ebene zu ziehen“.
Der Architekt Hans Schwippert gestaltete die im Krieg stark beschädigte Kathedrale in den fünfziger Jahren neu. Durch die Verbindung von Unter- und Oberkirche soll auch das Andenken an kirchliche Märtyrer wie Widerstandskämpfer Bernhard Lichtenberg in den Gottesdienst oben einbezogen werden. Lichtenberg ist in der Unterkirche beerdigt.
Kardinal Woelki hat von Anfang an klargemacht, dass er sich die Schließung der Öffnung wünscht. Durch Schwipperts Öffnung nach unten sei ein Gottesdienst nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils in den sechziger Jahren nicht möglich, argumentierte er. Der Altar könne nicht umschritten werden.
Kunsthistorikerin Kerstin Wittmann-Englert, die Vorsitzende des Landesdenkmalrates, hat sich viel mit Kirchenbau und speziell auch mit den Vorgaben des Konzils beschäftigt. Sie sagt: „Der von Schwippert gestaltete Innenraum entspricht diesen Vorgaben.“
In den römischen Instruktionen steht: Der Hochaltar soll so errichtet werden, „dass man leicht um ihn herumgehen und an ihm zum Volk hin zelebrieren kann“. Was das konkret bedeutet, sei Interpretationssache, sagt Wittmann-Englert. Man könne den Altar trotz der Öffnung umschreiten – in einem größeren Radius. Das Entscheidende der Liturgiereform sei auch nicht das Umschreiten des Altars, sondern dass der Priester zum Volk hin predigt. Das ist ohne Zweifel in St. Hedwig möglich.
Es geht grundsätzlich um die Frage: Wie gehen wir mit der Architektur der 50er Jahre um?
Für Wittmann-Englert geht es bei der Umgestaltung der Kathedrale um die grundsätzliche Frage, „wie wir mit der Architektur der Nachkriegsmoderne umgehen“. In Berlin werde sehr viel rekonstruiert und historisiert. Dabei gerate in Vergessenheit, dass auch die fünfziger Jahre Teil des zu bewahrenden Erbes seien. Deshalb fordern sie und die anderen Unterzeichner des offenen Briefes eine „moderate“ Veränderung der Kathedrale, „eine, die von Schwippert her denkt und nicht gegen Schwippert“.
Er habe ja Schwipperts Grundgedanken aufgenommen, verteidigt Architekt Peter Sichau seinen Siegerentwurf für die Umgestaltung. Die Verbindung von Ober- und Unterkirche sei künftig zwar nicht mehr sichtbar, aber „spürbar“ – als „Kraftlinie“.
Bei der Präsentation des Siegerentwurfs hatten Kirchenvertreter zu erkennen gegeben, dass sie sich eine allzu starke Einmischung durch die Denkmalpfleger verbitten und als Eingriff in die staatlich garantierte kirchliche Selbstbestimmung deuten würden. „Die Kathedrale ist ein liturgischer Ort, aber auch Teil des kulturellen Erbes und somit nicht alleine Eigentum der Kirche“, hält Kerstin Wittmann-Englert dagegen.
„Wir nehmen grundsätzlich zu offenen Briefen keine Stellung“, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz. Die Zukunft von St. Hedwig sei Sache des Berliner Erzbistums. Die Kathedrale sei schließlich kein nationales Heiligtum. Man bleibe in Kontakt mit dem Denkmalamt, sagte Bistumssprecher Förner. Die endgültige Entscheidung über die Umgestaltung liege sowieso bei Woelkis Nachfolger. Wer das sein wird, ist noch nicht bekannt.
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