Auseinandersetzung um Berliner Wahrzeichen: Denkmal- und Naturschützer lehnen Ausbaupläne für Gasometer ab
Das Interesse an der Bürgerbeteiligung für den Ausbau des Schöneberger Gasometers war groß. Auch Behörden und Verbänden gaben ihre Stellungnahmen ab.
Die Stellungnahmen sind eindeutig: Sowohl das Landesdenkmalamt als auch die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz, der sieben Umweltverbände angehören, lehnen den beinahe kompletten Innenausbau des Schöneberger Gasometers ab. Dies haben sie in ihren Stellungnahmen im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens des Bezirks Tempelhof-Schöneberg deutlich gemacht. Die öffentliche Beteiligung im Rahmen des Verfahrens ging vergangene Woche zu Ende.
Der Gründer des Euref-Campus, Reinhard Müller, will den Gasometer innerhalb der Stahlkonstruktion ausbauen, um Büroräume für rund 2000 Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei will er von einer alten Planung abweichen und nicht nur bis zu einer Höhe von 57 Metern hoch bauen, sondern bis zu 71 Metern; die Entwürfe sehen auf dem Rundbau auch eine Art Kuppel für eine „Skylounge“ vor. Damit bliebe zwischen den obersten Stahlringen des 77,5 Meter hohen Stahlgerüsts nicht einmal ein ganz Feld frei.
Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg gibt es eine breite politische Mehrheit für das Projekt; lediglich die Linke positioniert sich klar dagegen. Auch Baustadtrat Jörn Oltmann unterstützt das Vorhaben ebenso wie Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (beide Grüne) – trotz der Bedenken der Landesdenkmalschutzbehörde. Einziehen soll in den Rundbau dem Vernehmen nach die Digitalsparte der Deutschen Bahn. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür aber bisher nicht.
Das Landesdenkmalamt schreibt in seiner Stellungnahme, dass es selbst den alten Plänen, die zwei Freiflächen vorsahen, 2009 „nur unter Zurückstellung erheblicher denkmalpflegerischer Bedenken zugestimmt“ habe. Einen weitergehenden Ausbau lehnt das Amt ab; es sehe „keine Veranlassung“, die damalige Position zu verändern. „Es ist nach wie vor unsere Auffassung, dass eine höhere Bebauung die stadtbildprägende Wirkung und die Ablesbarkeit der technischen Konstruktion des Gasometergerüsts erheblich beeinträchtigen würde“, schreibt das Amt. „Auch jegliche Dachaufbauten auf einer zukünftigen Bebauung im Gasometer müssen ausgeschlossen bleiben.“
Die Denkmalschützer widersprechen auch der in der Begründung des Bebauungsplans genannten Einschätzung, „dass die filigrane Stahlkonstruktion erst mit der Außerbetriebnahme im Jahr 1995 erkennbar und zur Landmarke geworden ist“. „Auch wenn der teleskopartige Druckausgleichsbehälter im Zeitraum des Betriebs nicht immer ganz heruntergefahren war, sich seine Höhe vielmehr je nach Füllstand regelmäßig änderte, stellte das Stahlgerüst stets das identitätsstiftende Element des Denkmals dar“, schreiben sie.
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Der Zusammenschluss der Naturschutzverbände führt in seiner ablehnenden Position unter anderem an, dass der Artenschutz nicht berücksichtigt werde. Durch die Planungen könnten Vogelarten wie Turmfalke und Kolkrabe – beides geschützte Arten - betroffen sein. Ein Falke habe im vergangenen Jahr dort genistet; und nach Beobachtungen seien auch im vergangenen Monat Kolkraben auf dem Gasometer gesichtet worden. „Es ist nicht auszuschließen, dass sie dieses Jahr dort wieder versuchen zu brüten“, heißt es.
Außerdem weisen die Naturschützer auf die Verschattung der Nachbarschaft durch einen hohen Bau hin. Auch sie thematisieren den Denkmalschutz und nennen es „doch immer wieder erstaunlich, wie in Berlin Investoreninteressen vor Allgemeininteressen gestellt werden“. Die Umweltverbände bezweifeln zudem, ob überhaupt so viele Büroflächen gebraucht werden.
Ehemalige Schöneberger Bürgermeisterin gehört zu den Kritikerinnen
Viel Kritik kommt aus der Nachbarschaft auf der Roten Insel. Eine Online-Petition der Bürgerinitiative „Gasometer“ wurde inzwischen von rund 8500 Menschen unterzeichnet. Zu den Kritikern zählt auch die ehemalige Schöneberger Bezirksbürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Grüne) und jetzige Vorsitzende des Vereins „Denk mal an Berlin“, die sich nicht nur gegen die Pläne ausspricht, sondern auch einen Architekturwettbewerb für den inneren Ausbau fordert.
Das Interesse an der öffentlichen Beteiligung war überdurchschnittlich groß. Mehr als 700 Stellungnahmen von interessierten Bürgerinnen und Bürgern gingen laut Baustadtrat Oltmann ein. Teilweise hätten diese auf mehreren Seiten Stellung zu den Plänen genommen. Er bezeichnete es als „Herkulesarbeit“, die Positionen auszuwerten und zu bewerten. Oltmann konnte noch nicht sagen, ob die Stellungnahmen mehrheitlich für oder gegen das Projekt seien. Dies wisse er erst in ein paar Tagen.
Derzeit ist seinen Angaben zufolge noch nicht absehbar, wie lange die Auswertung dauern werde. Oltmann gab sich aber zuversichtlich, dass die Bezirksverordnetenversammlung noch bis zum Herbst über den Bebauungsplan abstimmen kann.