Lichtenberg: Denkmal für Nazi-Widerständler der „Roten Kapelle“
Lichtenberg ehrt die Nazi-Widerständler der „Roten Kapelle“ mit einem Denkmal. Es besteht aus einer hochragenden Stahlplatte und ist das erste Denkmal für dieses Netzwerk seit der deutschen Einheit.
In Lichtenberg, südlich der Frankfurter Allee, sind mehrere Straßen nach Mitgliedern der Gruppe „Roten Kapelle“ benannt. Am Dienstag wurde ein Denkmal enthüllt, das an diesen Zusammenschluss von Widerständlern gegen das Naziregime erinnert. Es ist „bundesweit das erste Denkmal für dieses Netzwerk“, wie Kulturstadträtin Katrin Framke betonte. Genauer gesagt: das erste Denkmal seit der deutschen Einheit 1990. Denn in der DDR wurde die „Rote Kapelle“ als Musterbeispiel für den Kampf gegen die Nazis „unter Führung der KPD-Parteileitung“ bezeichnet und ideologisch instrumentalisiert. In der Bundesrepublik hingegen galt die „Rote Kapelle“ ganz ähnlich, nur unter anderen Vorzeichen, als kommunistischer Spionagering.
Als „Netzwerk von Freunden“ soll die erst von der Spionageabwehr der Wehrmacht und anschließend der Gestapo so bezeichnete „Rote Kapelle“ gesehen werden, sagte die Lichtenberger Stadträtin Franke in ihrer Ansprache vor rund 100 Teilnehmern. Doch der seit jeher bekannte Name bleibt, auch für das „Denkmal für die Mitstreiter der Roten Kapelle vor der Mildred-Harnack-Oberschule“ in der Schulze-Boysen-Straße, beide benannt nach führenden Mitgliedern dieses zunächst als Freundeskreis entstandenen Geflechts von Gleichgesinnten. Beschlossen wurde das Denkmal von der Bezirksverordnetenversammlung und finanziert aus dem „Lichtenberger Fonds für Erinnerungskultur“. Der ist mit 10 000 Euro jährlich nicht üppig ausgestattet, „aber wir machen viel daraus“, wie Framke hervorhob. Aus dem künstlerischen Wettbewerb ging der seit 1967 in Grünau tätige Metallbildhauer und Kunstschmied Achim Kühn als Sieger hervor.
Sein Denkmal besteht aus einer hochragenden Stahlplatte, in die ein stilisiertes Gefängniszellenfenster eingelassen und durch drei Gitterstäbe kenntlich gemacht ist. Ein blecherner Stapel auf der Bodenplatte erinnert an Flugblätter, der Stapel ragt in die Höhe, entfaltet sich und lässt so an die Verbreitung von Aufrufen gegen Hitler denken, die Mitglieder der „Roten Kapelle“ unter Einsatz ihres Lebens unternahmen, zumal nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941.
Auf der Rückseite der rostbraunen Stahlplatte sind drei Schrifttafeln angebracht, die über die „Rote Kapelle“ in der heutigen Einschätzung der Geschichtswissenschaft informieren. Nach der Enthüllung des Denkmals legten zahlreiche Anwesende Blumen nieder. Von manchen wurde die Gefahr der Beschädigung durch Rechtsradikale erwogen, doch der zuständige Abschnittsleiter der Polizei, René Behrendt, beruhigte gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Bürger hier sind unheimlich aufmerksam. Die kratzen sogar rechtsradikale Zettel von den Laternen!“ Die regelmäßigen Streifen seien für die mögliche Gefährdung „sensibilisiert“.
Die „Rote Kapelle“ nahm ein furchtbares Ende. Nach der Entschlüsselung des Funkcodes, unter dem das Ehepaar Coppi geheime Informationen nach Moskau gesendet hatten, und der folgenden Entdeckung einer Liste mit Klarnamen und Adressen aller Gruppenmitglieder wurden 130 Männer und Frauen verhaftet. Viele starben durch Freitod oder im Gefängnis, 77 wurden vor dem Reichskriegsgericht angeklagt, 45 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Als das Lichtenberger Neubaugebiet Anfang der siebziger Jahre erschlossen wurde, erhielten einige Straßen Namen führender „Kundschafter“, wie sie in der DDR genannt wurden. Nach der Wiedervereinigung gab es Bestrebungen zur Änderung der Straßennamen, ein Reflex auf die Instrumentalisierung der „Roten Kapelle“ für das Geschichtsbild der SED. Dagegen setzten sich Anwohner zur Wehr. Die „Interessengemeinschaft der Bürger Frankfurter Allee Süd“ machte dann vor einigen Jahren den Denkmalsvorschlag, den die Lichtenberger Bezirksverordneten aufgriff.