zum Hauptinhalt

Berlin: Den richtigen Ton getroffen

Rheinsberg feiert 20 Jahre Kammeroper mit einem Sängerfest und glänzt auch außerhalb des Schlosses

Rheinsberg – Die bunte Fahnengalerie im Rheinsberger Zentrum steht ausnahmsweise in keinem Zusammenhang mit der Fußball-WM. Das hat seinen guten Grund, sind doch im 80 Kilometer nördlich Berlins gelegenen Rheinsberg in den nächsten Wochen ganz andere Qualitäten als in Südafrika gefragt. Das Festival der Kammeroper will 45 Nachwuchskünstlern aus 17 Ländern bis Mitte August ein Sprungbrett für die internationale Karriere und dem vorrangig aus Berlin anreisenden Publikum viele vergnügliche Abende unter freiem Himmel oder im festlichen Rahmen bieten. „Wir hatten wieder fast 500 Bewerbungen, aus denen wir die besten jungen Opernsänger aussuchten“, sagt Siegfried Matthus, Komponist und Künstlerischer Leiter des 1990 gegründeten Festivals. „Von uns ist es nicht weit bis an die großen Bühnen in Mailand oder New York“, meint er. „Wir besitzen inzwischen einen ähnlich guten Ruf wie die Festspiele in Bayreuth.“

Zum 20-jährigen Jubiläum des Rheinsberger Festivals hat sich Matthus als Höhepunkt ein Rheinsberger Sängerfest ausgedacht, das vom nächsten Donnerstag bis Sonnabend an drei Abenden an Prinz Heinrich, den jüngeren Bruder des Preußenkönigs Friedrich II. erinnern soll. Dieser lebte fast ein halbes Jahrhundert in Rheinsberg und machte es zum Musenort. Die Zuschauer können zunächst zwischen Ausschnitten aus Christoph Willibald Glucks „Iphigenie auf Tauris“ im Schlosstheater, der deutschen Erstaufführung von Wassili Paschkewitschs Märchenoper „Fewej“ in der Laurentiuskirche, für die Zarin Katharina die Große das Libretto gedichtet hat, und Arien von Righini bis Sacchini im Spiegelsaal des Schlosses wählen, bevor sich dann alle zur großen Jubiläumsgala im Schlosshof treffen. Ein Feuerwerk über den Grienericksee soll den festlichen Abschluss bilden.

Der Erfolg des Festivals, das bislang 65 Inszenierungen, 8 000 Kandidaten, 500 auserwählte Teilnehmer und 310 000 Besucher zählte, hat nicht zuletzt Rheinsberg selbst verändert. So viel internationales Stimmengewirr ist sonst fast nirgendwo in Brandenburg zu vernehmen. Deshalb können sich die vor 20 Jahren im Stadtparlament sitzenden Abgeordneten heute noch über ihren weisen Beschluss freuen, die Hotelpläne für das damals leer stehende und jetzt wieder in schönster Pracht erstrahlende Schloss abgelehnt zu haben. „Seit 1991 haben wir rund 1,7 Millionen zahlende Besucher bei uns begrüßt“, sagt Detlef Fuchs von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten: „Mindestens genauso viele haben ohne Eintritt den Park genossen.“ So ein Ensemble aus Wasser, Wald und Kultur gebe es kein zweites Mal.

Bis zum Herbst soll das Schloss seinen barocken Eingangsplatz zurückbekommen. „Auf den jetzt ausgegrabenen Steinen dürften noch der Kronprinz, Prinz Heinrich und Kurt Tucholsky gelaufen sein“, meint die Schlossbereichsleiterin Helma Heldt. „Ohnehin sind wir gerade sehr glücklich, weil sich das Schloss erstmals seit 20 Jahren ohne Gerüst zeigt.“

Von diesem Anziehungspunkt profitieren nicht zuletzt die Hotels und Pensionen. „Immerhin kommen zu uns jährlich 136 000 Gäste, die 529 000 Übernachtungen buchen“, zählt Bürgermeister Jan-Pieter Rau auf. „Wir können mit der Entwicklung wirklich sehr zufrieden sein.“ Das Klima in der Stadt habe sich stark verbessert. Dabei kam es noch vor zehn Jahren zu ausländerfeindlichen Übergriffen auf einen Döner-Imbiss.

Zum neuen Klima haben nicht zuletzt die Gäste des größten Behindertenhotels Deutschlands beigetragen. „Unsere 183 Zimmer sind im Sommer zu 90 Prozent belegt“, berichtet Direktorin Corinna Fritz. „Auch die Stadt mit ihren Geschäften hat sich sehr auf die Rollstuhlfahrer eingestellt.“ Direkt vor dem Haus am Seeufer fährt das rollstuhlgerechte Boot „Rolly Tours“ zu Rundfahrten ab. Nicht weit davon weist ein Leuchtturm den Kapitänen von Hausbooten und Kanus den Weg. Wer hier von der südlichen Mecklenburgischen Seenplatte abbiegt, landet im Hafendorf mit 208 Ferienhäusern und Hotel.

Nur ein Problem plagt Rheinsberg. Für das 1990 abgeschaltete und weitgehend demontierte Kernkraftwerk gibt es keine Nachnutzung. „Am liebsten wäre uns ein Forschungsinstitut, das gut in unsere Seenlandschaft passt“, sagt Bürgermeister Rau. „Attraktiv sind wir jedenfalls.“

Informationen unter Tel. 033931/3 92 96 (Tourist-Information) sowie www.kammeroper-schloss-rheinsberg.de

Claus-Dieter Steyer

Zur Startseite