Star-Architekt Hans Kollhoff über den Alexanderplatz: „Den großen Klumpen aufbrechen“
Hans Kollhoff wird mit der Senatsbaudirektorin Lüscher die Pläne für denn Alexanderplatz umgestalten. Hier regt der Star-Architekt einen Durchbruch am Hotel an und hält an einer "Stadtkrone" von Türmen fest.
Herr Kollhoff, jetzt überarbeiten Sie doch Ihre eigenen Pläne zum Umbau des Alexanderplatzes. Ein unverhofftes Glück, oder?
Ob das Glück ist, weiß ich nicht. Aber wir haben vor dem Jahresende ein gutes Gespräch mit der Senatsbaudirektorin Frau Lüscher geführt, das mich optimistisch stimmt. Es geht nicht um einen vollkommen neuen Bebauungsplan, sondern darum, Konfliktpunkte auszuräumen. Da will ich mich nicht verschließen. Vor allem im Bereich des Forum-Hotels muss nachgearbeitet werden.
Weil die Zeit über Ihren Entwurf hinweggegangen ist?
Unser Bebauungsplanentwurf ging damals davon aus, dass das Hotel abgerissen wird und zwei Türme entstehen. Nun sieht es so aus, als sollte das Forum-Hotel bleiben in seiner jetzigen Form. Deshalb muss man sehen, wie man den Bebauungsplan anpassen kann. Als vor zwanzig Jahren der Wettbewerb zum Alexanderplatz lief und später der Bebauungsplan diskutiert wurde, war man optimistischer, dass dort neue Verhältnisse geschaffen werden könnten. Ich hatte als Alternative die Erhaltung des Forum-Hotels in die Debatte eingebracht. Der Bebauungsplan wurde aber anders gestaltet.
Störend wirkt vor allem der lang gestreckte Flachbau am Fuße des Hotels, der den Platz von den nördlich gelegenen Quartieren abschneidet. Wird dort eingegriffen?
Natürlich geht es um diesen Sockel, das ist der Hauptpunkt. Wir werden uns gemeinsam mit der Senatsbaudirektorin, den Eigentümern und Nutzern an einen Tisch setzen und sehen, wie man zu einer Lösung kommt. Im Bebauungsplan ist dort eine Straße vorgesehen, die auch als Passage gestaltet werden kann. An diesem Konzept werden wir versuchen festzuhalten, weil ja diese Barriere die fußläufige Verbindung nach Norden blockiert. Das ganze Bauwerk sitzt wie ein großer Klumpen da. Den wird man aufmachen können, ohne dort die Nutzer allzu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen.
Sie meinen, ohne die Renditen der Investoren zu schmälern?
Alles tendiert an so einem Ort dazu, sich möglichst auf einer oder zwei Etagen auszubreiten, weil das den größten Profit bringt. Es ist schon schwierig, die Menschen in das fünfte Geschoss eines Kaufhauses zu locken. Andererseits zeigt der Kaufhof am Alexanderplatz, dass auch das funktionieren kann. Nach dem Gespräch mit Frau Lüscher bin ich optimistisch, dass wir zu einer Lösung finden.
Wenn das Hotel stehen bleibt, bricht das den ersten Zacken aus der Stadtkrone am Alexanderplatz, weil dann nicht mehr alle weiteren Türme kommen können. Ist Ihr Gesamtentwurf mit zehn Hochhäusern damit schon gescheitert?
Nein, das Forum-Hotel kann ohne Weiteres zu einem der Türme aus der Konfiguration des Bebauungsplans werden. Das zweite dort vorgesehene Hochhaus muss dann vielleicht etwas nach Osten verschoben werden. Die städtebauliche Konzeption und die Intention des Bebauungsplans werden bleiben.
Hochhäuser sind teuer – der Bau, der Betrieb. Wird sich überhaupt noch ein Bauherr an ein solches Projekt heranwagen?
In europäischen Städten werden überall Türme gebaut. Natürlich gehört dazu das entsprechende wirtschaftliche Umfeld. In Berlin wurden seit dem Fall der Mauer eine Reihe von Hochhäusern gebaut. Heute ist es sogar möglich Wohntürme zu bauen, das zeigt der gerade laufende Wettbewerb von Investor Hines für den Neubau am Alex. Man wird sehen, ob es ein tragfähiges Konzept ist, aber es ist vernünftig, in alle Richtungen zu denken.
Sie haben den Masterplan für den Alexanderplatz in einer Zeit entwickelt, als Berlin boomte. Ist es nun wieder soweit?
Sicher ist, dass der Alexanderplatz ein Ort ist für eine hohe Verdichtung. Und das gilt nicht nur für den Einzelhandel. Das ist jedem klar. Die Frage ist, was die ökonomische Situation hergibt – und da kann man in Berlin optimistisch sein. Es war richtig, eine Denkpause einzulegen, nachdem der erste Boom beim Bau von Bürohäusern vorüber war. Aber ich glaube, dass der Alexanderplatz auch wieder attraktiv werden wird, auch für den Bau von Geschäftshäusern. Man braucht Zeit und darf nicht nur die Jahre berücksichtigen, die seit dem Ende des Wettbewerbs vergangen sind. Schließlich hat es danach lange gedauert bis der Bebauungsplan festgelegt war. Einzelne Teile davon sind gerade mal fünf oder sechs Jahre alt.
Es braucht als Architekt also einen langen Atem in unserer kurzlebigen Zeit?
Man darf nicht ungeduldig werden. Städte sind eine Angelegenheit, die sich nicht nach Moden oder wirtschaftlichen Ausschlägen richten, sondern eine langfristige Betrachtung verdienen. Zehn Jahre sind gar nichts, und das ist gut so. Jeder, der von außen nach Berlin blickt, ist sprachlos angesichts dessen, was in kürzester Zeit hier entstanden ist. Darauf können wir stolz sein. Die Friedrichstraße, die Linden, der Potsdamer Platz, der Leipziger Platz – es hat sich unglaublich viel getan. Und Gott sei Dank so, dass das Vorkriegs-Berlin in seiner räumlichen Struktur bis heute spürbar bleibt. Berlin ist keine asiatische Stadt geworden.
Das klingt so, als hätten Sie Ihren Frieden mit der Entwicklung der Stadt gemacht?
Natürlich, denn das, was nach dem Fall der Mauer geschaffen wurde, war eine grandiose städtebauliche und architektonische Leistung. Dass das nicht der Normalfall sein kann, ist vollkommen klar. Natürlich bin ich auch nicht mit allem zufrieden, was gebaut wurde, auch nicht am Alexanderplatz. Aber in diese Kerbe muss ich nicht mehr hauen, es geht jetzt um die Zukunft des Alexanderplatzes.
Das Gespräch führte Ralf Schönball.