Prenzlauer Berg: Dem Guggenheim-Lab folgt die Kunsthalle
In zwei Wochen schließt das temporäre Denklabor sein Provisorium in Prenzlauer Berg. Die Nachfolger haben ihre Container schon aufgestellt: Grenzgänger zwischen Kunst und Kommerz.
Ein Offener Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, eine „Bus-Expedition“ nach Lichtenberg und Marzahn – das Guggenheim-Lab bringt sich wieder ins Gespräch, zwei Wochen vor dem Ende seiner Berliner Zeit. Das Denkprovisorium aus New York hat im gentrifizierten Prenzlauer Berg mit Vorträgen zu „Urban Gardening“, Yoga- Workshops und Fahrradfahren für Frauen nach Veranstalterangaben knapp 20 000 Besucher angelockt. Und am gestrigen Freitag schien man mit einer Veranstaltung zur Liegenschaftspolitik wirklich angekommen zu sein in der urbanen Kampfzone – bis die Senatsverwaltung für Finanzen die Notbremse zog.
Die Verwaltung habe die Veranstaltung „wirksam gefährdet“, beklagten sich die Lab-Macher in dem Brief über die kurzfristige Absage von Finanz-Staatssekretärin Margaretha Sudhof. Aber konnte man wirklich annehmen, dass Sudhof im Lab öffentlich den schwelenden Konflikt austragen würde, der mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung besteht über die Kosten von sozialen und kulturellen Freiräumen auf städtischen Brachen und über den Preis des politischen Bündnisses für bezahlbare Mieten? Das Thema spaltet schließlich den Senat und zersplittert sogar Initiativen wie Mediaspree. Im Vorteil ist da, wer mit Berliner Befindlichkeiten vertraut ist – das neue soziokulturelle Container-Experiment von Platoon vielleicht? Dessen „Kunsthalle“ öffnet am kommenden Donnerstag in der Alten Schönhauser Allee 9 – und übernimmt gleichsam die Staffel vom Lab.
Bildergalerie: Das Guggenheim-Lab in Prenzlauer Berg
Anders als vor der Eröffnung des Labs wird über dieses Kunstprojekt nicht gestritten. Dabei ist Platoon letztlich auch ein kommerzielles Unterfangen: eine Kommunikationsagentur für Markenkunden ist die treibende Kraft. „Spannend und richtig“, nennt Platoon-Mitbegründer Christoph Frank das Guggenheim-Lab. Den anfänglichen Widerstand gegen das Projekt, der das Lab zum Austausch des ursprünglich geplanten Standorts in Kreuzberg gegen den Pfefferberg im arrivierten Prenzlauer Berg zwang, erklärt Frank mit „schlechter Kommunikation“. Wenn Marken wie BMW oder Guggenheim New York im Spiel sind, dann müsse man wirklich allen erklären, was man da so plant.
Platoon jedenfalls sucht mit Anwohnern, Bezirksbürgermeister und -parlament, mit örtlichen sozialen, kulturellen und subkulturellen Netzwerken oder Initiativen den Dialog, bevor die Container mal wieder abgebaut werden und durch die Stadt rollen. Alle paar Jahre passiert das, wenn es einen neuen Investor für die Brache gibt, auf der man gerade die Container abgeworfen hat – und Beton die Lücke für alle Zeiten schließt. Schon drei Mal zog Platoon seit seiner Gründung im Jahr 1999 um – nun steht die Containerburg in Prenzlauer Berg und ist noch einmal auf nunmehr 34 Container angewachsen – und nun eine echte „Kunsthalle“.
Was sich da abspielen wird? Performances, Videos, Events, Diskussionen – zwei bis drei Veranstaltungen pro Woche, zwei Jahre lang. In zwei Schaufenstercontainern an der Straße sollen wechselnde Künstler ausstellen. In Planung etwa: eine „Transparenz-Granate“, Hacker-Kunst, mit der alle Daten im Umkreis von zwei Kilometern abgesaugt und veröffentlicht werden. Hinter dem Containertor wird es drei Künstler-Laboratorien geben und eine „Factory“ im Geiste Warhols.
„Wir wollen Kultur verändern und weiterentwickeln“
Platoon besetzt die Schnittstelle zwischen Kunst und Kommerz. Die Kommunikationsagentur ist schließlich selbst ein gewerbliches Unternehmen. In Korea war man sogar als „Kreativagentur“ für den Sportartikelhersteller Adidas tätig. Dort baute Platoon vor drei Jahren die erste Kunsthalle aus Containern. Aber Frank ist eben auch ein Abgänger der Stuttgarter Kunstakademie und sagt: „Wir wollen Kultur verändern und weiterentwickeln.“ Marken seien identitätsstiftend für Jugendliche und Erkennungszeichen von Bezugsgruppen. Deshalb tragen die Hersteller auch eine Verantwortung für das Image, das sie schaffen. Andererseits saugen die Labels ihr Image aus Kunstszene und Subkultur. Diesen Prozess moderiert Platoon.
Video: Das Guggenheim-Lab
Dass die Vermählung von Kunst und Kommerz auch Einerlei gebären kann, auch dieser „Selbstreflexion“ unterziehen sich die Kreativschmiede und ihr Netzwerk von 6000 Mitgliedern: „Sellout – ist das Verhältnis von Kunst und Marken ein Ausverkauf?“ lautete der Titel einer Veranstaltung der Gruppe. Inwiefern Graffiti die Gentrifizierung vorantreibt, indem Straßenkünstler jenen Baugrund hip machen, der dann teuer verkauft wird, war eine weitere. Mit Zwischenrufen und Aktionen zu den Freiräumen der sozialen Stadt ist also auch aus der neuen Kunsthalle zu rechnen. Zumal sich Platoon damit gleichsam seiner hauseigenen Supervision unterzieht: Das erste Container-Quartier in der Weinmeisterstraße hatte die Menschen auf das Feld des berüchtigten Bauherrn des skandalumwitterten Spreedreiecks gelockt: Spekulant Harm Müller-Spreer hat dies inzwischen gewinnbringend bebaut.
Die Konstruktion der neuen Platoon- Basis stammt von Graft-Architekten, die in Berlin Mehrfamilienhäuser in der Torstraße, Villen in Biesdorf und auf der Pfaueninsel, den Boulevard der Stars und in den USA oder Asien Hotelbauten und Siedlungsprojekte realisiert haben. Wolfram Putz, einer der drei Graft-Köpfe sagt, außer einer „bautechnischen Expertise“ habe man zur Kunsthalle der „guten alten Freunde“ aber nicht wirklich viel beigetragen. Die Optik des Container-Tors im tarngrünen Military-Look ist eh schon das Markenzeichen der Kreativschmiede, die für ihre Halle in Korea den „Deutschen Designpreis“ erhielt. Putz nennt die Platoon-Container ein „prominentes Beispiel für die improvisierte Stadt“, die Berlin im Kern nun einmal sei. Sogar ein temporäres Schwimmbad hatte Platoon in Mitte in einem Container untergebracht: Wände verstärkt, Dach herausgeschnitten, Wasser eingelassen, Reinigungsanlage angeschaltet – sogar einen Bademeister gab es.
Und während sich die Ablösung des Labs formiert, zieht dessen Programm- Manager Lutz Henke positiv Bilanz: ein gemischtes Publikum aus allen Altersgruppen und erfolgreiche Vorträge etwa zu den „Grundlagen der Wahrnehmung“ nennt er – und auch den Streit um den Standort des Labs. „Wir können zufrieden sein“, so Henke, zumal sich die Früchte von Debatten und Diskussionen oft erst später zeigten. Ralf Schönball
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