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Rücktritt von Klaus Wowereit: Delius: "Hauptsache, die CDU fliegt aus der Regierung"

Martin Delius will künftig mitregieren, lehnt aber Neuwahlen ab. Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht der Fraktionschef der Piraten über Klaus Wowereits Rücktritt, Führungsprobleme am BER - und die Frage, warum sich Jan Stöß und Raed Saleh um den falschen Job streiten.

Herr Delius, wirft der Rücktritt von Wowereit auch als Aufsichtsratsvorsitzender das Projekt BER noch weiter zurück?
Nein, das ändert dort nichts, dafür war Wowereits Einfluss auf den Baufortschritt längst zu schwach.

Wäre es besser, einen Experten auf den Posten zu holen?
Nein, an dieser Stelle brauchen Sie einen Politiker. Ob es jetzt Nußbaum macht oder ein Staatssekretär: Es muss jemand sein, der politisch wirkmächtig ist, sich mit Finanzen auskennt und die Interessen Berlins gut vertreten kann. Der Experte hingegen gehört in die Geschäftsführung.

Da ist ja schon einer: Hartmut Mehdorn.
Mehdorn hat nicht getan, wofür er geholt wurde. Er hat den Konflikt mit Horst Amann gesucht und die Technik an sich gezogen. Damit ist er aber überfordert.

Dafür ist ja jetzt der Siemens-Manager Jörg Marks da.
Der hat unter Mehdorn doch keine Freiheit. Die wäre aber nötig, um erfolgreich arbeiten zu können. Außerdem ist er ehemaliger und wahrscheinlich nach seiner BER-Zeit auch künftiger Mitarbeiter von Siemens, einem Unternehmen, das maßgeblich am Flughafen mitbaut. Daher kommt ein Compliance-Problem dazu.

Ist Mehdorn Partner oder Gegner des Aufsichtsrats?
Er hat sich als Gegner etabliert.

Sollte es wegen Wowereits Abgang Neuwahlen geben?
Nein, denn ich habe wenig Hoffnung, dass dadurch ein Senat ins Amt käme, der in puncto Arbeitsfähigkeit und Wirklichkeitsnähe besser abschneiden würde als der jetzige. Neuwahlen bedeuten erst einmal politischen Stillstand, und den kann sich die Stadt nicht leisten.

Wie soll es dann weitergehen?
Wir wollen mit SPD und Linkspartei eine Regierung der linken Mehrheit bilden. Die Gelegenheit ist ideal. Wir könnten uns aber auch ein Tolerierungsmodell vorstellen. Hauptsache ist, dass die CDU aus der Regierung fliegt. Perspektivisch halte ich Grün-Rot-Orange für ideal, also eine Koalition mit Grünen und Linkspartei – für mindestens zwei Legislaturperioden. SPD und CDU regieren seit Jahrzehnten, alle Verwaltungen sind entsprechend geprägt. So wird viel zu vieles behindert und verhindert. Auch die Grünen sind zwar in Teilen immer konservativer, aber die Schnittmengen sind noch groß genug.

Sind die Piraten regierungsfähig?
Wir wären es am Anfang nicht gewesen. Aber inzwischen haben wir uns eingearbeitet und verfügen über die notwendigen Kontakte. Wir sind nicht etabliert, aber wir haben uns professionalisiert. Problematisch ist allerdings, dass unser Bundesverband mittlerweile umfassend politikunfähig ist. Da bleibt nur ein Kurs der Berliner Eigenständigkeit.

Das Regieren in Berlin ist auch wegen des schwierigen Verhältnisses zwischen Bezirken und Senat kompliziert. Wie kann es neu geordnet werden?
Entweder werden die Bezirke zu vollwertigen Einheiten gemacht, mit einem richtigen Parlament, oder es wird alles zentralisiert. Das Beispiel Hamburg zeigt, dass das funktioniert. In Berlin wird viel zu viel verschleppt, und dann gibt man sich mit Scheinlösungen zufrieden.

Klaus Wowereit möchte die Berliner über Olympia abstimmen lassen – und Sie?

Wir wollen, dass das Parlament – nicht der Senat – die Frage formuliert und dass Bürgerinitiativen alternative Fragestellungen zur Abstimmung bringen können. Aber wenn ein neues Instrument der Bürgerbeteiligung eingeführt wird, dann auf keinen Fall ausschließlich für Olympia.

Sollten die Piraten tatsächlich eines Tages regieren: Würden Sie gerne Senator werden?
Abgeordneter bin ich lieber, das Parlament ist toller. Die schönste Aufgabe ist es, als Vorsitzender einer Regierungsfraktion dem eigenen Senat auf die Füße zu treten.

Das heißt, Jan Stöß und Raed Saleh streiten sich um den falschen Job?
Aus meiner Sicht schon.

Karin Christmann, Lorenz Maroldt

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