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Ein Mann steht mit Hammer und Meißel an der Berliner Mauer und schlägt einen Brocken heraus.
© Imago/Jürgen Black

Vor 25 Jahren: Berlin wächst zusammen: DDR-Grenzsoldaten reißen die Mauer ab

Am Abend des 19. Februar 1990 begann der großflächige Abriss der Mauer. Als Erstes fielen 174 Meter am Brandenburger Tor. Die Berliner feierten das Ereignis wie ein Volksfest.

Am Brandenburger Tor rücken die DDR-Grenztruppen wieder mit schwerem Gerät an. Im Dezember 1989 war an diesem symbolischen Ort der Teilung ein erster provisorischer Grenzübergang eingerichtet worden. Am Abend des 19. Februar 1990 soll hier der endgültige Abriss der Mauer beginnen, im ersten Abschnitt auf einer Länge von 174 Metern. Doch bevor das erste Segment fällt, vergehen Stunden. Ein Radlader rammt mehrmals das Betonelement, bevor es sich schließlich aus dem Fundament löst. Nicht einmal drei Jahre zuvor hatte hier US-Präsident Ronald Reagan seinen Appell an den sowjetischen Staatschef gerichtet: „Mr. Gorbatschow, tear down this wall.“ Dass die rhetorische Kraft dieser Worte so bald von der Wirklichkeit eingeholt würde, konnte damals niemand ahnen.

Auch der DDR-Bürgerbewegung, die mithalf, Grenzregime und Schießbefehl friedlich zu überwinden, geht alles etwas zu schnell. Enttäuschung herrscht an diesem denkwürdigen Montag, dem 19. Februar 1990, am zentralen Runden Tisch, an dem Bürgerrechtler, Kirchenvertreter und die DDR-Führung über die demokratische Umgestaltung im Land beraten. Hans Modrow, letzter Regierungschef der gewendeten SED/PDS, ist mit leeren Händen aus Bonn zurückgekehrt. Bei Helmut Kohl hat Modrow vergeblich um Geduld beim Vereinigungsprozess geworben - und seine Bitte um einen Kredit von 15 Milliarden D-Mark erneuert. Die DDR steht vor dem wirtschaftlichen Ruin, es droht der Staatsbankrott. Doch der Bundeskanzler hat ihn abblitzen lassen. Der Runde Tisch fühlt sich von der Bonner Regierung düpiert. Werner Schulz vom Neuen Forum bringt die Stimmung auf den Punkt: „Wir sind nicht der kleine Michel.“ Am Ende der Sitzung lehnt der Runde Tisch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes ab und fordert ein entmilitarisiertes vereintes Deutschland.

Die DDR verkauft die 2,6 Tonnen schweren Mauersegmente für bis zu 500.000 Euro

Aber die Teilung lässt sich nicht mehr verlängern. Was unzählige Mauerspechte begonnen haben, bringen nun Bautrupps der Nationalen Volksarmee zu Ende. In vier Bauabschnitten sollen zwei Kilometer des Betonwalls vom Reichstagsgebäude bis zum Grenzübergang Checkpoint Charlie geschleift werden. West-Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper (SPD) freut sich über das groß angelegte Abrissprojekt. Und er ist überzeugt: "Die Mauer wird schon sehr bald in Berlin nur noch Geschichte sein." Am Abend des 19. Februar machen sich DDR-Grenzsoldaten mit Presslufthämmern an die Arbeit, um zunächst ein 174 Meter langes Teilstück am Brandenburger Tor abzutragen. Kräne heben die Mauerteile auf Lastwagen. Die DDR-Außenhandelsfirma Limex soll die 2,6 Tonnen schweren Segmente verkaufen, für bis zu 500.000 Mark das Stück.

Die Berliner feiern den Abriss wie ein Volksfest. Tausende Schaulustige begleiten den Abriss, immer wieder klettern Neugierige auf Baufahrzeuge und posieren für Erinnerungsfotos. Die West-Berliner Polizei eilt zur Hilfe und sichert die Großbaustelle mit Absperrgittern. Und auch die Mauerspechte, die ihren Steinbruch großflächig schwinden sehen, sind in diesen Wochen im Großeinsatz mit Hammer und Meißel.

Bis Jahresende 1990 sind die Reste der fast 160 Kilometer langen Berliner Mauer fast vollständig aus dem Stadtbild getilgt. Zahlreiche Baufirmen ebenso wie Einheiten der DDR-Volkspolizei helfen bei der Demontage. Für die Angehörigen der DDR-Grenztruppen endet mit dem Abriss der Mauer, die sie 28 Jahre lang bewachten, der Dienst am "antifaschistischen Schutzwall", der hunderte fluchtwillige DDR-Bürger das Leben kostete. Aber nicht nur die Grenzsoldaten müssen sich nun neu orientieren. 2.500 Fährten- und Schutzhunde, die an der Mauer im Einsatz waren, warten in Tierheimen auf neue Herrchen. Die Nachfrage ist groß. Vor allem Schäferhunde, aber auch ein paar Riesenschnauzer und Dobermänner, sind im Angebot. Tierarzt Walter Schindler vom Veterinäramt Mitte hat keine Bedenken, die Hunde ziviler Obhut zu überantworten. „Unsere Schäferhunde sind nicht mannscharf, die können voll integriert werden.“

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