zum Hauptinhalt
Studium oder Kind? Die beiden Frauen, die über ihre Erfahrungen als junge Mütter berichten, waren beide Studentinnen, als sie schwanger wurden. Bei einer von ihnen klappte es mit dem Studium gut, bei der anderen nicht.
© Getty Images/iStockphoto

Junge Mütter: „Das war wohl ein Unfall?!“

Es ist ungewöhnlich, mit Anfang 20 schon Kinder zu haben. Zwei Frauen berichten im Rückblick, wie es war, jünger als andere Mutter zu werden.

In Berlin sind Mütter im Schnitt 30 Jahre alt, wenn sie ihr erstes Kind auf die Welt bringen. Wer diesem Durchschnittswert nicht entspricht – also wesentlich früher oder später Kinder bekommt – dem fehlt es häufig an gesellschaftlicher Akzeptanz. Nicht selten müssen sich sehr junge oder relativ alte Mütter für ihre Entscheidung rechtfertigen. Der jungen Mutter wird fahrlässige Naivität vorgeworfen, die alte Mutter als egoistische Karrierefrau abgetan. Und auch Väter werden von solchen Vorurteilen nicht verschont. Da stört es auch nicht, wenn Studien zeigen, dass Elternliebe keine Altersgrenze kennt. Das Alter von Mutter oder Vater relativ irrelevant ist, vergleicht man es mit andern Faktoren: So beeinflussen stabile Partnerschaften der Eltern oder eine liebevolle Erziehung das Wohlbefinden eines Kindes weitaus mehr, sagen Experten. Rein biologisch betrachtet sind Frauen, die mit Anfang 20 ihr erstes Kind bekommen, im idealen Alter, was häufig nur Frauenärzte und Hebammen freut. Denn auch Frauen, die etwa während des Studiums schwanger werden, müssen gegen viele Vorbehalte kämpfen, und nicht selten werden ihnen auch im Berufsleben Steine in den Weg gelegt. Hier berichten zwei Frauen im Rückblick, wie sie die frühe Mutterschaft – beide haben während des Studiums das erste Kind bekommen – erlebt haben.

„ICH HATTE DIESE LEICHTIGKEIT“

Als ich mit 23 Jahren schwanger wurde, war dies eine bewusste Entscheidung, die mein Freund und ich gemeinsam getroffen hatten. Auch wenn ich noch mitten im Studium steckte und mein Freund gerade auf Jobsuche war, hatten wir uns von ganzem Herzen ein Kind gewünscht. Wir wollten unbedingt eine Familie gründen. Doch was für uns ganz normal erschien, wurde an der Uni und von manchen Bekannten mit großem Unverständnis aufgenommen. „Das war wohl ein Unfall?“, bekam ich häufiger zu hören. Ein Kommentar, der mich jedes Mal sehr verletzte. So wurde aus mir das naive Mädchen gemacht, das nicht bemerkt, wie es sich gerade seine berufliche Zukunft verbaut. Meistens waren es Frauen, die mir ungefragt mitteilen mussten, warum sie meine Entscheidung, so früh Mutter zu werden, nicht nachvollziehen konnten. Wollt ihr Euch denn nicht noch als Paar finden? Eine große Reise machen? Im Beruf Fuß fassen? Nochmal umziehen? Und wie könnt ihr Euch so sicher sein, dass ihr auch zusammenbleiben werdet? Das waren nur einige der Argumente, die uns damals entgegenschlugen. Erst als ich mit 27 das zweite Kind bekam, verstanden alle in unserem Umfeld, dass wir es tatsächlich ernst meinten mit unserer Familiengründung – die erste Schwangerschaft also kein Ausrutscher war.

Klar, die Situation war von außen betrachtet nicht ideal. Ich hatte mein Studium noch nicht beendet, mein Freund hatte zwar seinen Abschluss, doch ihm fiel es als Architekt damals nicht leicht, eine feste Anstellung zu finden. Und auch das Geld war immer knapp. Doch die Frage, ob wir uns ein Kind überhaupt leisten konnten, haben wir uns zum Glück überhaupt nicht gestellt. Wir waren glücklich und wir hatten den Mut, ein Kind in die Welt zu setzen. Mit diesem Urvertrauen, fiel es uns dann auch nicht schwer, unsere Töchter zu erziehen. Jedenfalls empfand ich mich selbst als eine wenig gestresste Mutter, ich besaß diese gewisse Leichtigkeit, die man eher hat, wenn man noch so jung ist.

Mit Mitte 30 wäre uns die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, wahrscheinlich schwerer gefallen. Heute würde ich mich viel eher fragen, ob mich eine weitere Schwangerschaft nicht vielleicht den Job kosten könnte. Und auch bei anderen Leuten stelle ich fest, dass sie genau darauf achten, den idealen Zeitpunkt abzupassen. Erst muss noch dieser oder jene Karrieresprung abgewartet werden, noch diese Reise gemacht werden oder eine größere Wohnung gefunden werden. Alles muss perfekt sein. Bei uns gab es dafür eine stetige Entwicklung, die wir gemeinsam als Familie durchlebt haben.

Im Nachhinein betrachtet, war das Studium sogar ein guter Zeitpunkt für eine Schwangerschaft. Ich konnte problemlos zwei Semester aussetzen und in dem Jahr danach meinen Diplomabschluss machen. Ein Praktikum und einen Job fand ich auch ohne weiteres. Mein Glück war allerdings, dass Chefs und Kollegen mir immer viel Verständnis entgegengebracht haben – keine Selbstverständlichkeit für die Kommunikationsbranche, in der ich arbeite. Beispielsweise dürfte ich bei meinem ersten Praktikum in einer Designagentur zweimal die Woche früher Schluss machen, um meine Tochter von der Kita abzuholen. Auch meine Mutter hat mich viel unterstützt. Dennoch frage ich mich noch heute, weshalb es ein gesellschaftliches Tabu zu sein scheint, eine junge Mutter zu sein. Und weshalb meine persönliche Lebensentscheidung überhaupt ständig von Außenstehenden bewertet werden musste.

(aufgezeichet von Saara von Alten)

„WIE EIN VULKAN VOR DEM AUSBRUCH“

Als mein erster Sohn auf die Welt kam, wollte ich eigentlich noch keine Mutter sein. Ich komme aus einer konservativ muslimischen Familie und heiratete mit 18. Ich fing an zu studieren. Aber nach zwei Jahren Ehe machte es meinem Mann zu schaffen, dass wir noch kein Kind hatten. Ich ließ mich überreden, denn ein Leben alleine konnte ich mir damals nicht vorstellen. Ende des zweiten Semesters war ich kugelrund. Meine Mutter freute sich, unterstützte mich. Mein Vater war traurig, dass ich mein Studium aufgeben musste. Denn wir zogen in die Nähe meiner Schwiegereltern, weg von meiner Uni. Durch den Umzugsstress und die Umstände bekam ich Vorwehen. Ich lag drei Tage im Krankenhaus, erst da wurde mir bewusst, dass sich mein Leben, wie ich es kannte, schlagartig ändern würde: Mein Mann arbeitete Vollzeit. Ich würde allein mit einem Säugling in einer fremden Stadt sein, in der ich niemanden außer den Schwiegereltern kannte.

Ich bekam bald nach der Geburt eine Wochenbettdepressionen. Sobald ich mich dafür fit genug fühlte, ging ich viel spazieren und stand um fünf Uhr morgens auf, ging joggen, lief innerlich weg und nahm stark ab. Nach außen waren wir eine heile, kleine Familie. Aber ganz so war es nicht.

Ich hätte gerne wieder studiert. Ich wollte, dass mein Sohn schnell in den Kindergarten kommt, mein Mann zunächst nicht, denn er selber war nie im Kindergarten, kannte es nicht. Aber dann stimmte er einer Halbtagsbetreuung zu. Doch der Weg zur Uni wäre zu weit gewesen, die Betreuungszeiten zu kurz. Die Beziehung lief nicht glatt, ich dachte, ein weiteres Kind könnte etwas daran ändern. Ich wurde also wieder schwanger und zwei Jahre später zum dritten Mal.

Drei kleine Kinder – das bedeutete: Ich war sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag Mutter. Die Depression holte mich nach beiden Geburten wieder ein. Dabei hatte ich immer das Gefühl, ich müsste doch verdammt noch mal glücklich sein. Das wurde erwartet, vor allem von meinem Mann und seiner Familie. Aber auch von der Gesellschaft.

Natürlich leidet nicht nur die Ehe, sondern auch die Beziehung zu den Kindern unter solchen Umständen. Ich war frustriert, war damals wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch. Ich führte ein Leben, das ich nicht mit Mitte Zwanzig führen wollte. Was ich wollte, war: studieren, selber denken, mich weiterentwickeln – auch unabhängig von meinen Kindern. Schließlich ließen mein Mann und ich uns scheiden. Das war weder für mich, noch für meine Kinder einfach. Heute leben sie bei ihm und seiner neuen Frau, mehr als hundert Kilometer von mir entfernt. Ich würde meine Kinder gerne öfter sehen, aber das geht nicht. Ich versuche mit ihnen darüber zu reden - über unsere Beziehung und die Distanz, denn es tut mir leid.

Oft werde ich dafür verurteilt, dass meine Kinder bei ihrem Vater leben und nicht bei mir. Andersherum wäre es nicht einer Erwähnung wert. Heute lebe ich ein Leben, das ich gerne als Zwanzigjährige geführt hätte, das einer Studentin. Einen Partner zu finden, der akzeptiert, dass ich mit Mitte Dreißig studiere, geschieden bin und drei Kinder habe, ist schwer. Aber: Was geschehen ist, ist geschehen und ändern möchte ich es nicht.

(aufgezeichnet von Lilith Grull)

Zur Startseite