Berlins Subkultur: Das Stattbad Wedding macht dicht
Und wieder verschwindet so ein magischer Ort: Sammelpunkt von Tagträumern, Nerds und Partybuddys. Die „Raumfahrtagentur“ hat am Mittwoch ein SOS gefunkt, weil sie nun endgültig die Räume des früheren Solariums im „Stattbad Wedding“ räumen muss.
Der Todesstoß für die Party- und Kreativlocation in dem früheren Stadtbad kam am Montag bei der Besichtigung desselben durch die Bauaufsicht. „Die Nutzung des Gebäudes ist derzeit nicht genehmigungsfähig“, sagt Mittes Baustadtrat Carsten Spallek. Es fehlt an Flucht- und Rettungswegen. Der Betrieb eines Clubs mit mehreren hundert Besuchern im Keller des Bades sei ohnehin in einem Allgemeinen Wohngebiet nicht genehmigungsfähig. Aber auch die notwendigen Maßnahmen, damit die gemeinschaftlich genutzten Büros und Werkräume der Raumfahrtagentur nicht vom Netz gehen müssen, seien nicht erfolgt – „und wenn hier einer die Schuld trägt, dann ist es der Projektentwickler“, wehrt sich Spallek gegen das Bild des Bezirks als Kreativitätskiller.
Der Besitzer will den schwarzen Peter nicht
Aber natürlich will auch Arne Piepgras, Besitzer des Gebäudes, den schwarzen Peter nicht annehmen: „Warum bin ich jetzt der böse Junge?“ fragt er. Er habe gerade erst die Betreibergesellschaft des Stattbades mit 60000 Euro aus der Insolvenz herausgekauft, „damit wenigstens die Löhne der Mitarbeiter bezahlt werden können“. Aber warum saniert er das Stattbad nicht wenigstens so notdürftig, dass die rund 70 Kreativen in den Büroräumen und Wohnungen weiter arbeiten können, die seit der Errichtung des Gebäudes in den 1950er Jahren nicht mehr angefasst wurden? „Ich bin nicht bereit, 600000 Euro zu investieren, wenn ich nicht weiß, wie es weiter geht“, sagt Piepgras. Im Wege stehen dem Unternehmer außerdem noch die Vorschriften der EU, bei der er Fördermittel beantragt habe: Und diese würden nur genehmigt, wenn die Realisierung des Projektes zuvor nicht bereits gestartet wurde.
Piepgras sagt, er habe eine Förderung beim Programm „Bildung im Quartier“ beantragt, das Kinder und Jugendlichen im Wedding fördern soll. In dem Stadtteil leben überdurchschnittlich viele Migranten, viele davon erwerbslos. Deren Kinder sind oft beim Spracherwerb und bei den Schulleistungen im Nachteil.
Der Chef der Raumfahrtagentur sendet ein SOS
Maximilian Bauer, Chef der Raumfahrtagentur hat in seiner Verzweiflung ein Aufruf zur Unterstützung der 2008 gegründeten Kreativen-Werkstatt gestartet. „Ende nächster Woche müssen wir alle raus sein“, sagt Bauer. Er und die Agentur mit 3D-Drucker, Laser Cutter, CNC-Maschinen, E-Bike Werkstatt und der ganzen übrigen technischen Infrastruktur. Drei Dutzend Nerds haben sich diese geteilt, vernetzt mit gleichgesinnten „Makerspace“-Anhängern rund um den Globus. Verloren geht außerdem das „Co-Laboradio 88,4 MHz“, das über eine offizielle Sendelizenz verfügte, der „Freifunk Berlin“, der ein kostenloses freies W-lan-Netz aufbaut. Und der Stadtjarten“, ein Urban-Gardening-Projekt im Hof.
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