Krisen, Gewalt, fehlende Hilfsorte: Das sind die Sorgen vor dem zweiten Lockdown
Der Teil-Lockdown rückt näher – für viele Menschen bedeutet das Isolation und Einsamkeit. Auch die Angst vor häuslicher Gewalt nimmt zu.
Die Pandemie ist mit voller Wucht zurückgekehrt und zehrt an den Nerven vieler Menschen. Ab Montag wird das öffentliche Leben erneut stark heruntergefahren. Neben wirtschaftlichen Problemen haben viele Menschen Angst vor Einsamkeit und Depressionen, Experten fürchten auch, dass die häusliche Gewalt wie bereits zu Beginn des Jahres wieder deutlich steigen wird.
Berliner Hotlines stehen bereit, um bei persönlichen Krisen zu helfen. Im Sommer habe man festgestellt, dass das Thema Corona in den Hintergrund getreten ist, sagt Bettina Schwab von der Telefonseelsorge Berlin: „Inzwischen spüren wir aber, dass die Einschläge wieder näher kommen.“ Während sich im September lediglich 4,45 Prozent der Gespräche um Covid-19 drehten, seien es im Oktober bereits 11,89 Prozent gewesen.
In der Telefonseelsorge arbeiten vor allem ehrenamtliche Kräfte. Viele Berlinerinnen und Berliner haben sich wegen der Coronakrise gemeldet, um zu helfen – in den vergangenen Wochen wieder vermehrt. „Wir haben Leute, die seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr dabei waren und die jetzt zurückkommen“, sagt Schwab. In der kommenden Zeit gehe es für die Mitarbeiter nun vor allem darum, sich nicht mit der Angst zu verbünden.
Karin Wieners ist Referentin des Signal e.V., der sich in seiner Arbeit mit der Prävention häuslicher Gewalt beschäftigt. Die Zahlen der Polizei hätten deutlich gezeigt, dass die familiäre Gewalt während des Lockdowns im Frühjahr gestiegen seien, sagt sie. „Es gibt keinen Grund dafür, anzunehmen, dass es nicht wieder zu einem Anstieg an häuslicher Gewalt kommen wird“, sagt sie.
Der Verein wird nun Plakate an medizinische Einrichtungen schicken, die für die kommende Herausforderung sensibilisieren. Ärzte und Krankenhelfer sollen während des Lockdowns besonders aufmerksam auf Hinweise häuslicher Gewalt achten. „Im Idealfall hängen in jeder Praxis Infoblätter, die das Problem adressieren und Hilfe anbieten“, sagt Wieners.
Wichtige Treffpunkte fallen weg
Für die queere Community fallen durch Lockdown wichtige Treffpunkte weg. Der Sonntags-Club in Prenzlauer Berg ist ein Ort, an dem normalerweise Lesben, Schwule und andere queere Menschen zusammenkommen. Das Café wird vom gleichnamigen Verein betrieben, der als Beratungsstelle fungiert. Man werde die Beratung auch während des Lockdowns über den digitalen Weg weiterführen, sagt Stefan Mehnert, Leiter des Projekts. Das Lokal muss wegen der Auflagen ab Montag geschlossen werden.
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Laut Mehnert handelt es sich zwar um keine existenzbedrohende Lage. Doch: „Wenn solche Sachen wie die Treffen der schwulen trockenen Alkoholiker wegfällt, dann ist das nicht ganz einfach.“ Der Verein versuche nun, die einzelnen Gruppen zu kontaktieren und aus der Ferne zu unterstützen. Die Einsamkeit sei dennoch ein großes Thema: „Ältere schwule Männer beispielsweise haben nicht unbedingt so viel Familie um sich herum.“
Wenn die Gastronomie schließt, ist das auch für viele obdachlose Menschen problematisch. Weniger öffentliches Leben heißt auch: Weniger Möglichkeiten, andere auf der Straße um Hilfe zu bitten. Und die üblichen Essensspenden von Restaurants gehen ebenfalls zurück. Aus den Erfahrungen aus dem Frühjahr allerdings wurden vielerorts Lehren gezogen, von denen Hilfsorganisationen nun profitieren. So hat beispielsweise die Caritas Berlin einen Food-Truck gegründet, der Essen an Bedürftige verteilt.
Wie der Wohlfahrtsverein mitteilte, könne man für die nächsten Wochen außerdem auf eine erheblich ausgebaute Online-Beratung zurückgreifen. Seit der ersten Welle seien mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geschult worden. Wichtig sei es nun, „zusammenzuhalten und nach vorne zu blicken“.
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