Reichstagsbrand: Das Mündungsfeuer der Diktatur
Vor 80 Jahren brannte der Reichstag – für Hitler willkommener Anlass, seine Gegner auszuschalten. Jetzt hat die Feuerwehr erforscht, warum die Flammen so verheerend wirkten.
Für effektvolle Untergänge mit großem Theaterdonner zeigte Hitler zeitlebens glühende Leidenschaft. Wenn bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth zum Finale des Rings „die Götterburg unter musikalischem Aufruhr brennend in sich zusammenstürzte, ergriff Hitler die Hand der neben ihm sitzenden Frau Winifred Wagner und verabreichte ihr bewegt einen Handkuß“, schreibt Joachim C. Fest in seiner Hitler-Biografie unter Berufung auf dessen Leibarchitekten Albert Speer.
Die Nachricht vom brennenden Reichstagsgebäude weckt am Abend des 27. Februar 1933 schon auf der Fahrt zum nächtlichen Schauplatz den Flammeneifer des „Führers“. Angesichts des Infernos entdeckt Hitler, seit einem Monat Reichskanzler, sein Herz für das bisher verhasste Parlament – und erkennt sogleich die Chance zum finalen Schlag gegen die Gegner: „Die kommunistischen Abgeordneten müssen noch in dieser Nacht aufgehängt werden“, brüllt er sich in Rage. „Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen, wo er angetroffen wird.“
Die Vollmacht für radikale Maßnahmen erhält er schon am nächsten Tag. Mit der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, der sogenannten Reichstagsbrandverordnung, werden zentrale Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, die Gewaltherrschaft der Nazis ist legalisiert. Eine Verhaftungswelle folgt, politische Gegner werden bedroht, verschleppt, geprügelt, ermordet, Zeitungen verboten. Deutschland wird zur Diktatur. Die Ruine des ausgebrannten Reichstags wird noch lange von diesem Fanal künden, sie überdauert Terror und Krieg. Erst 40 Jahre nach der Brandnacht, im Jahr 1973 wird das Gebäude provisorisch wieder hergestellt sein.
Bis heute schwelt der Streit um die Schuldfrage der Brandstiftung: War der holländische Rätekommunist Marinus van der Lubbe, der gestand, das Feuer gelegt zu haben, der einzige Täter – oder hatte er Helfer, Anstifter, Mitwisser. Linksextremisten oder gar die Nazis selbst? Stichhaltige Beweise gegen die Alleintäterschaft van der Lubbes, der als Brandstifter zum Tode verurteilt und im Januar 1934 hingerichtet wird, gibt es nicht – weil mögliche Spuren zerstört oder Mittäter sie verwischt haben, oder weil es schlicht keine gab? Eine Frage, die Historiker in geradezu verfeindete Lager gespalten hat.
Der Reichstagsbrand bleibt deshalb ein delikates Kapitel der deutschen Geschichte. Diese Erfahrung machte auch die Feuerwehr, die sich anlässlich des Erinnerungsjahres „Zerstörte Vielfalt“ zur NS-Vergangenheit an ein Ausstellungsprojekt wagte. Unter dem Titel „Der Reichstag brennt!“ ist die Schau vom heutigen Mittwoch an im Feuerwehrmuseum in Tegel zu sehen. „Von der Idee bis zur Konzeption haben wir eine ganze Menge gelernt“, sagt Museumsleiter und Feuerwehrsprecher Stefan Sträubig, vor allem dies: „An dem Thema kann man sich ganz schnell die Finger verbrennen.“ Und darum betonen Sträubig und sein Kollege Günter Strumpf, Vorsitzender des Fördervereins Feuerwehrmuseum und Experte für Brandschutzgeschichte zu Anfang jedes Gesprächs über die Ausstellung: „Zur Täterfrage äußern wir uns nicht.“ Stattdessen konzentriert sich ihr Interesse auf das eigene Fachgebiet: Die Erforschung der Brandursache und ihrer Wirkung.
Was den Verlauf des Großfeuers angeht, ist die Faktenlage dünn, die damaligen Ermittlungen blieben oberflächlich, die Akten sind lückenhaft, die Augenzeugenberichte widersprüchlich. Die Forscher der Feuerwehr vermuten, dass infolge der Brandstiftung eine „Rauchgasentzündung“ im Gebäude einen Feuersturm ausgelöst hat. Sie stützen sich vor allem auf die Aussagen des Brandmeisters Waldemar Klotz. Als er um 21.30 Uhr am Reichstag eintrifft und mit Kameraden ins Gebäude vordringt, sind viele kleine Brandherde schon erloschen. Beim Öffnen einer Tür zum Plenarsaal schlägt ihm ein heißer Luftzug entgegen. Der Feuerwehrmann schließt die Tür. Als er sie kurz darauf ein zweites Mal öffnet, droht ihn ein Sog in den Raum zu reißen, dass er sich nur mit Mühe festhalten kann. Wenig später steht der mit Holz ausgekleidete Sitzungssaal in Flammen.
Gegen das Inferno ist die Feuerwehr machtlos. In der Ausstellung sind einige ihrer damaligen Einsatzmittel zu sehen, eine Eimerspritze mit Handbetrieb, aber auch eine Motorspritze MS 20. Daneben sind Tondokumente zum Reichstagsbrandprozess zu hören. Auch die Rolle des damaligen Feuerwehrchefs Walter Gempp wird beleuchtet. Der Oberbranddirektor, am Tag nach dem Brand vom NS-Blatt „Völkischer Beobachter“ noch für sein „Meisterstück“ beim Löscheinsatz belobigt, wird kurz darauf vom Dienst suspendiert. Er gilt als politisch unzuverlässig. Dass Gempp, der später wegen angeblicher Amtsvergehen vor Gericht steht und 1939 erhängt in einer Zelle der Untersuchungshaft aufgefunden wird, selbst mehr über mögliche Hintermänner des Reichstagsbrandes gewusst haben soll, wie Anhänger eines Verschwörungsszenarios später mutmaßen, bleibt ebenfalls unbewiesen.
„Der Reichstag brennt!“ Die Ausstellung im Feuerwehrmuseum, Veitstraße 5 in Tegel, läuft bis 27. September. Geöffnet: Di. und Do. jeweils von 9-16 Uhr, Mi. 9-19 Uhr, Fr. und Sa. 10-14 Uhr. Weitere Informationen unter feuerwehrmuseum-berlin.de
Stephan Wiehler
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