Zur Grünen Woche: Das Kuhleben, damals und heute
Früher gab es viel mehr Kühe in Berlin. Außerdem hatten sie ein spannenderes Leben. Eine Glosse.
Man ist ja so dankbar, wenn sich in diesen verrückten Zeiten irgendwo ein Zipfel Stabilität erhält, und sei es auch nur beim Rinderbestand. 762 Rinder gab es am 3. November 2016 in der Hauptstadt, so verkündete es jetzt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, im Vergleich zum Mai 2016 habe sich nichts verändert. 129 Tiere waren Milchkühe, den Rest rechnet das Amt zu den „sonstigen Kühen“.
Betrachtet man es jedoch historisch, sieht die Sache schon anders aus, und das statistisch beflügelte Gefühl der Sicherheit geht wieder flöten. So gab es im Oktober 1965 allein in West-Berlin rund 2600 Milchkühe, die von allen bundesrepublikanischen Kühen die meiste Milch gaben. Zudem war das Leben eines Rindviehs in den wilden Sechzigern offenbar weitaus aufregender als heutzutage. Wann verirrt sich schon mal eine Kuh in aktuelle Zeitungsspalten, die heute ganz anderen Trampeln vorbehalten sind.
Damals aber waren ausgebüxte Wiederkäuer zwar nicht an der Tagesordnung, aber doch wiederkehrende Figuren im lokalen Nachrichtenfluss. Sechs Funkwagen jagten etwa im Februar 1964 einen beim Entladen auf dem Bahnhof Grunewald entlaufenen Ochsen, der schließlich im nahen Wald von vier Pistolenschüssen niedergestreckt wurde. Einige Monate später versuchten schon elf Funkwagenbesatzungen, eine in Avus-Nähe herumstromernde Kuh wiedereinzufangen, was erst zwei Tage später zwei berittenen Beamten in Cowboy-Manier gelang.
Ein Jahr zuvor ergriff eine Kuh auf dem Güterbahnhof Moabit die Flucht, rammte eine Ampel und raste durch die angrenzenden Straßen. Am Nordhafen stieß sie einen Angler ins Wasser, hechtete selbst hinterher und durchschwamm das Hafenbecken. Hat aber nichts geholfen, die Kuh endete dann doch auf dem Schlachthof.
Aber es ging auch anders: Im April 1965 brachte eine auf dem Luftweg in Berlin angekommene Kuh auf dem Tempelhofer Rollfeld ein Kälbchen zur Welt.
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