Tegel-Volksentscheid: Das Ja ist ein Misstrauensvotum gegen den Senat
Das Pro-Tegel-Votum bringt Berlins Regierenden Michael Müller in die allermisslichste Lage. Und das hat auch mit der Bundestagswahl zu tun. Ein Kommentar.
Das ist ein Sieg, der die Stadt zerreißt. Die FDP und die Tegel-Freunde können jubeln – ohne dass annähernd sichtbar ist, wie es mit dem Flughafen weitergehen wird. Umso klarer ist, dass die eindeutige Mehrheit für einen Weiterbetrieb ein Misstrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller ist.
Viele Berliner hat kaum interessiert, dass die Pro-Tegel-Argumente wenig überzeugten. Es war eine Abstimmung gegen die unbeliebteste Landesregierung der Republik, eine Quittung für die BER-Versager. Die städtebauliche Vision, dass in einem Technologiestandort Tegel gleichermaßen gewohnt, geforscht und gearbeitet werden soll, kam dagegen nicht an. Dass der Senat das TXL-Thema zu lange ignorierte und zu spät begann, für seine Position zu kämpfen, kam hinzu. Da hatten Hunderttausende schon per Briefwahl für Tegel gestimmt.
Die Sorge vieler Berliner, dass der BER zu klein geplant ist, konnte der schnell aus der Schublade gezogene Masterplan für die künftige Entwicklung nicht entkräften. Zu viele bezweifeln, dass dieser Senat einen kolossalen Ausbau bewältigt, wenn schon die Fertigstellung des BER eine Geschichte des Scheiterns ist. Und warum sollten Wähler glauben, dass die tollen Nachnutzungspläne für Tegel wirklich umgesetzt werden?
Für Rot-Rot-Grün wird das Regieren nun absehbar schwieriger. Die FDP hat bereits einen Volksentscheid für Neuwahlen angekündigt. Mit dem Volksentscheid für mehr Videoeinsatz droht zudem eine Zerreißprobe für die Koalition. Für Michael Müller kann es deshalb auch in seiner eigenen Partei ungemütlich werden.
Eine FDP in der Bundesregierung könnte ganz anders denken
Für Berlin, wo es wirtschaftlich endlich voran geht, bedeutet das Votum, das nichts entscheidet, politischen Stillstand, unabsehbare Verzögerung und Verunsicherung für Entwickler und Unternehmen: Jede Zukunftsplanung für Tegel ist damit obsolet. Der Senat kann den politischen Druck nicht ignorieren – doch mehr als Gespräche mit den Flughafen-Gesellschaftern wird es nicht geben. Michael Müller kann aber nicht einmal seines stärksten Arguments sicher sein, dass nämlich Brandenburg und der Bund bei ihrer Position bleiben, Tegel zu schließen.
Ein Koalitionspartner FDP etwa mischt die Karten in der Bundesregierung ganz neu, und auch in Brandenburg, wo 2019 gewählt wird, könnte die Regierung Gefallen am Gedanken finden, den Fluglärm für die BER-Anwohner durch den Weiterbetrieb von Tegel zu halbieren.
Doch selbst bei einer Meinungsänderung der Gesellschafter ist unabsehbar, wie das höchstrichterlich formulierte Diktum umgangen werden kann, Tegel ein halbes Jahr nach Start des BER zu schließen. Gegen jeden Versuch, dies zu ändern, wird geklagt werden. Im Ergebnis heißt das: Geflogen werden kann nicht von Tegel – entweder, weil Klagen das blockieren, oder weil die notwendige Sanierung den maroden Airport Tegel jahrelang zur Baustelle macht.
Es bleibt ein Votum, das politischen Verdruss erzeugt – bei Freunden wie Gegnern von Tegel. Die Berliner, denen Lärmentlastung versprochen war, müssen an der Verlässlichkeit der Politik zweifeln. Ein Debakel für den Senat und ein Drama für Berlin, ganz demokratisch zustande gekommen.
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