Berlin-Wannsee: Das ist doch nicht Fähr’! Unterwegs mit dem neuen BVG-Schiff
Lust auf einen Sonntagsausflug? Wir sind mit dem neuen BVG-Boot über den Wannsee geschippert: Es gibt mehr Platz für Fahrräder und Kinderwagen, aber nirgendwo geht's raus. Viele Frühlingsausflügler vermissen ein Sonnendeck. Und Sie?
Rauf auf den Steg, ein bisschen vordrängeln in der Warteschlange und jetzt rasch an Bord: Tom und Elise schauen verdutzt. „Wo geht’s denn hier raus?“, fragt das zwölfjährige Zwillingspaar aus Steglitz. Ein Sonnendeck? Gibt’s nicht. Die Sonne strahlt zwar am Samstagvormittag vom blauen Himmel über dem Wannsee. Und die neue BVG-Fähre, die seit dem 20. Januar zwischen Wannsee und Kladow verkehrt, hat sozusagen ihre Frühjahrspremiere: Sie schippert erstmals in einen warmen, herrlichen Tag hinein. Also wollen schon vormittags hunderte Ausflügler aufs Schiff nach Kladow. Doch die Fährtour hat für sie nicht mehr den Charme einer kurzen Dampferfahrt, bei der man die Möwen füttert und von der Reling den Seglern zuwinkt.
Tom und Elise sind mit den Großeltern unterwegs, das Quartett will auf der Spandauer Seite die Havel entlangwandern. Aber jetzt lassen sich die Geschwister erst mal in die grauen Plastiksitze hinter den großen Scheiben des Passagierraumes fallen. Zuvor sind sie an Bord hoffnungsvoll auf die Tür zum offenen Heck zugerannt. Doch es bremste sie die Aufschrift: „Zutritt für Betriebspersonal“. Also zur nächsten Tür. Nur die Toilette, immerhin offen. Auf den früheren Fähren, die ausgemustert am Kai in Wannsee dümpeln, war das Klo meist verschlossen. Tom fühlt sich „wie in einem BVG-Bus“. Nur: Dieser hier schwimmt.
Es gibt viele, viele Fahrradständer auf dem neuen BVG-Schiff
Punkt 10 Uhr. Das Schiff vibriert. Der umweltfreundliche Dieselmotor legt los. Nun offenbaren sich auch die vielen modernen Qualitäten des im Sommer 2013 gebauten und auf den Namen „Wannsee“ getauften Fährbootes. Motorgeräusche? Ganz dezent, ganz leise. Ein Fährmann drückt auf den Knopf am Eingang. Die Hydraulik-Rampe zum Steg fährt lautlos ein. Keine sperrige Holzbrücke muss mehr zwischen Schiff und Steg gewuchtet werden. Das erleichtert nicht nur den BVG-Seeleuten die Arbeit, es hat an diesem Vormittag auch zwei Rollstuhlfahrer und etliche Eltern mit Kinderwagen gefreut. Barrierefrei kamen sie an Bord. Und auch die Schar der Radausflügler ist von der „Wannsee“ höchst angetan.
„Das ist für uns Radler ein Quantensprung“, sagt Stefan Traufelder (52) aus Steglitz. Der Touristikmanager fährt passioniert Mountainbike. Ein sportlicher Tag im Sattel liegt vor ihm. Bevor er sein Rad an Bord schob, hat er am Anleger in Wannsee noch eine Reminiszenz an stressige Zeiten fotografiert. Dort hat noch niemand das alte Schild entfernt: „Nur für 25 Räder“. Mehr durften auf die einstigen Fährschiffe, die MS „Tempelhof“ und MS „Lichterfelde“, nicht drauf. „Wir Radler kamen leider oft nicht mit“, erinnert sich Traufelder.
Doch diesmal hat er sein Rad problemlos gleich links in den großen Velobereich mit 60 BVG-gelben Ständern in der Mitte des Raumes geschoben. Auch für Radanhänger ist genug Platz. Und für die Flotte der Kinderwagen. „Das ist schon total komfortabel“, loben Lena Heukeshoven und David Goos aus Schöneberg. Sie wollen am Sonnabend mit ihrem sieben Monate alten Noah in den Frühling hinausspazieren.
Funktionalität war das Ziel der maritimen BVG-Planer. Deshalb die Reihen mit den Sitzschalen, ähnlich wie im Billigflieger; der verbreiterte Eingang, an dem sich keine Fahrgäste stauen; die großzügige Fläche für 300 Passagiere. Günter Schwanengel, Rentner aus Schöneberg, findet das „prima“. Ehefrau Ursula streichelt ihren Yorkshire Terrier und nickt. Auf der MS „Lichterfelde“ saßen die drei öfters draußen. „Ist auch ohne Sonnendeck okay“, sagt sie. Die Überfahrt ist ja nur kurz.
Christine und Matthias Hohlfeld aus Zehlendorf sahen hingegen Samstagvormittag in enttäuschte Gesichter. Ihre drei Kinder drückten die Nasen an die Scheiben der Fähre. „Lieber ’ne Mütze auf und raus als ohne Mütze hier drinnen“, sagt Christine. Der Trip am Oberdeck sei für die Kinder immer der Höhepunkt gewesen. Im Hochsommer, fürchtet sie, werde es drinnen ganz schön stickig sein. Die Scheiben lassen sich nicht öffnen, die aufklappbaren Oberlichter sind winzig. Lenias, der Älteste, hat aber einen kleinen Trost gefunden. Wie im BVG-Bus gibt’s auf der Fähre gelbe Haltestangen. Daran kann er wie ein Affe hochklettern.