Berlin: Das Erbstück seines Stammes
Der kanadische Künstler Carey Newman besucht in Dahlem die Maske seines Ururgroßvaters.
Der kanadische Künstler Carey Newman hat den sanften Händedruck, der typisch ist für die Ureinwohner Nordamerikas, fast ein Handstreichen. An diesem kühlen Sonntagmorgen ist er nach Dahlem gekommen, um im Ethnologischen Museum die Nulis-Maske zu sehen, die seinem Ururgroßvater gehört hat. Der Sammler Adrian Jacobsen hat sie 1881 als eines der ersten indianischen Objekte für das Museum über den Ozean gebracht. Damals durften Indianer keine traditionellen Gegenstände besitzen. Nulis, das war der Name der Familie Newman vor der Zwangschristianisierung.
Mit dabei ist auch Bodo Hombach, der den Besuch organisiert hat. Der langjährige SPD-Spitzenpolitiker und Manager sammelt Carey Newmans Kunst in seinem Haus auf Vancouver Island. Auch Newmans chinesische Frau Elaine und die anderthalbjährige Tochter Adelyn, Hombachs Patenkind, sind gekommen. Bevor das Museum öffnet, zeigt Newman, der auch Opernsänger ist, auf dem iPad Beispiele seiner Kunst: farbenfrohe Totems mit vielen Symbolen, Steinarbeiten, Schmuck. Kurz vor der Hochzeit mit Elaine habe er ein Schaffenstief gehabt, erzählt er. „Wovon willst du die Familie ernähren?“, habe die künftige Frau ihn gefragt. „Es werden Aufträge kommen“, sagte er. Hombach war der erste, der eine Woche vor der Hochzeit die Ausstattung seines Hauses in Auftrag gab. Inzwischen gibt es viele Sammler.
Nun möchte Newman eine Maske fertigen wie die, die seinem Ururgroßvater gehört hat. Ohne Umwege führt ein wissenschaftlicher Mitarbeiter die Gruppe direkt zu der Vitrine. Still betrachtet der Künstler die Maske des Ahnen, die auch eine spirituelle Bedeutung hat. Dann zeigt er sie seiner Tochter, macht viele Fotos. Der Bärenkopf oben drauf gehört zur Familienlegende. Danach konnten sich die Menschen während der heiligen Zeremonien, in denen die Träger der Masken zu Trommelklängen tranceartig tanzen, in Grizzlybären verwandeln. Die waren stark genug, Baumstämme, die den Fluss des Wohlstands behinderten, aus dem Weg zu räumen. Der vordere Teil der Maske ist aufgeklappt, zeigt innen Bärenklauen und das Gebiss eines Schwertwals. Bei der Einweihungszeremonie für sein Haus seien bei einem entsprechenden Tanz plötzlich ein Grauwal und ein Schwertwal zusammen aufgetaucht, erzählt Hombach. Das passiere normalerweise nie. „Die Zeremonien wirken“, lächelt Newman. Fast träumerisch vertieft er sich in die „Power Boards“ mit den filigranen Lochmustern, die seine Schmuckstücke inspirieren und ebenfalls seit 1881 zur Sammlung gehören. Er kennt sie aus Büchern, hat sie aber noch nie so aus der Nähe gesehen.
Schließlich schaut sich der 37-Jährige noch die Ausstellung „Indianische Moderne“ an, die bis zum 28. Oktober zu sehen ist. Verblüfft liest er die Namen von Freunden vor. „Ich war dabei, als das entstand“, sagt er und deutet auf ein Bild mit „Killerwalen“. Ein paar Kinder gehen mit großen Augen durch die Ausstellung. Sie haben keine Ahnung, wer ihnen da so sanft zulächelt. Noch ist der Onkel Häuptling seines Stammes, aber Newmans indianischer Vorname lautet „Ha Yalth Kin Gumae“, was bedeutet: „Hat das Gesicht eines Häuptlings.“
Elisabeth Binder
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