TXL-Volksentscheid: Das denken die Kieze über Tegel
Wo sitzen die Fans von Tegel und wo die Gegner? Ein Blick in die bequeme City West – und gen Südosten, wo sich alle einig sind.
Am Tag nach dem Volksentscheid hat das Statistikamt sowohl die Fans als auch die Gegner von TXL durchschaut: „Deutliche Befürworter der Offenhaltung finden sich unter den älteren Bürgern in Charlottenburg und in den Regionen nahe dem BER.“ Dagegen seien die Gegner der Offenhaltung „weder partei- noch sozialstrukturspezifisch zu identifizieren. Ihr Hauptmerkmal ist die Lage in der Einflugschneise des Flughafens Tegel.“
Im Klartext: Wer den Lärm hat, will endlich Ruhe. Wer mehr Lärm befürchten muss, will ihn fernhalten. Und wer den TXL schnell erreicht, ohne unter dessen Lärm zu leiden, hätte es gern weiter so bequem. Ein Blick aufs Abstimmungsverhalten der Kieze bestätigt diesen Befund – und zeigt teils krasse Ausschläge.
Die Statistiker haben das Ergebnis auch mit lokalen Parteipräferenzen abgeglichen. Erkenntnis: Während SPD und Grüne auch in ihren Hochburgen nicht genug Wahlberechtigte vom Nein zu Tegel überzeugen konnten, sei das zumindest den Linken gelungen. Dagegen sei in den Hochburgen von FDP und CDU die Quote der Ja-Sager besonders hoch.
Treptow-Köpenick
Der Südostbezirk rückt wegen seines extremen Abstimmungsverhaltens in den Fokus: Während im Norden am Treptower Park die Mehrheit für die Schließung von Tegel votierte, nimmt nach Süden die Zahl der TXL-Fans zu – und gipfelt im stadtweiten Rekord von 92,1 Prozent für den Weiterbetrieb in Schmöckwitz und Rauchfangswerder. Diese schön am Wasser gelegenen Einfamilienhausgegenden bekommen gerade eine Ahnung davon, was ihnen droht: Sie liegen genau in Verlängerung der neuen – noch bis Oktober temporär genutzten – Südbahn des BER.
Das Votum für den eineinhalb ÖPNV- Stunden entfernten Flughafen TXL ist eine Notwehr wie schon bei der Abstimmung zum Aus für Tempelhof: Im nebenan gelegenen, wegen seiner Lage nahe der Nordbahn schon bisher lärmgeplagten Karolinenhof stimmten 2008 fast 95 Prozent für THF. Zugleich lässt sich hier Politikverdrossenheit studieren: In dieser sozial völlig intakten Gegend wurde die AfD stärkste Kraft.
Pankow
Auch der Nordostbezirk ist geteilt: Um den Bahnhof Pankow und in Heinersdorf stimmten teils weniger als 20 Prozent für den Weiterbetrieb von TXL, dessen Einflugschneise diese Kieze verlärmt. Nach Norden wächst die Sympathie für den Flughafen, aber insgesamt ist Pankow der Bezirk mit dem deutlichsten Nein.
Mitte
Nur die an Pankow grenzende, von TXL verlärmte Nordostecke des Bezirks um die Wollankstraße stimmte für die Schließung. Sonst steht die Mehrheit pro Tegel, auch wenn sie nicht allzu deutlich ist.
Friedrichshain-Kreuzberg
Der etwa in der Mitte zwischen TXL und BER gelegene Bezirk stimmte überwiegend für die Schließung. Das mag mit der Stärke von Grünen und Linken zu tun haben, denn lokaler Fluglärm ist und wird hier absehbar kein großes Thema.
Charlottenburg-Wilmersdorf
In der City West war die Zustimmung für TXL insgesamt am größten – teilweise mit Zustimmungsquoten nahe 80 Prozent. Die Parteienpräferenz dürfte eine Erklärung sein, die Lage eine andere: Tegel ist schnell erreichbar, und vom Lärm der in Ost-West-Richtung gelegenen Flugschneisen bleibt der südliche Nachbarbezirk verschont.
Steglitz-Zehlendorf
Auch der Südwestbezirk stimmte ausnahmslos und dabei recht homogen für den Weiterbetrieb. Die Erklärung dürfte der von Charlottenburg-Wilmersdorf ähneln. Hinzu kommt die vergleichsweise schlechte Erreichbarkeit des weit entfernten Flughafens in Schönefeld.
Spandau
Berlins westlicher Außenposten ist gespalten: Während Kladow und Gatow (für die der BER kaum schneller erreichbar ist als Halle/Leipzig) klar pro TXL stimmten, dominiert um die nördlich gelegene Altstadt und noch mehr in Staaken das Nein zum lauten Cityflughafen. Grund: Einflugschneise.
Reinickendorf
Der Heimatbezirk von TXL ist ein Phänomen: Bis auf einen Kiez direkt nördlich des Flughafens stimmten alle für dessen Weiterbetrieb. Allerdings war das Ja in der Einflugschneise teils sehr knapp.
Tempelhof-Schöneberg
Während der citynahe Norden gegen TXL stimmte, wächst die Zustimmung zum Weiterbetrieb südwärts – bis hin zur Dreiviertelmehrheit in Lichtenrade, wo es mit dem BER-Start laut werden kann.
Neukölln
Während „Hipsterland“ Kreuzkölln Tegel schließen will, ist der gesamte Süden des Bezirks mit deutlicher Mehrheit für den Weiterbetrieb.
Lichtenberg
Der Bezirk ist dreigeteilt: In der Mitte wohnen die Tegelfans, im Süden Richtung Rummelsburg und Karlshorst – gut angebunden an den BER – eher die Kritiker. Im Norden, also in Hohenschönhausen und vor allem Wartenberg, zeigt sich der Effekt der TXL-Einflugschneise in Gestalt eines klaren Neins.
Marzahn-Hellersdorf
Auf dem platten Land im Norden des Bezirks stimmte die Mehrheit teils deutlich für den Weiterbetrieb. Dagegen ging es in den Siedlungsgebieten Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf überwiegend ganz knapp für die Schließung von TXL aus.