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Impro-Küche. An Siripen Lingks mobilem Stand gibt es Spezialitäten aus Thailand.
© Florian Niedermeier

Markthalle Neun in Kreuzberg: Das Beste vom Bürgersteig

In der Markthalle IX in Kreuzberg gibt es jetzt jeden Donnerstag Street Food. Die Premiere in der vergangenen Woche war ein voller Erfolg. Auf diese einfache, aber vielfältige Küche hat die Stadt schon lange gewartet.

Bürgersteig-Delikatessen – na, wie klingt das denn? Der ungewohnte Begriff steht hier aber nicht in despektierlicher Absicht, sondern wird von den Erfindern selbst in die Internet-Welt geworfen, als plakative Übersetzung für den in vielen Teilen der Welt verbreiteten „Street Food Market“, jenen Ort also, an dem sich verschiedene Köche unter einfachsten Bedingungen zusammenfinden, um ihren Gästen Vielfalt zu bieten, authentisch, einfach, aber mit Schmackes.

Berlin hatte so etwas bisher nicht, aber es musste irgendwann auffallen, dass die alte Eisenbahn-Markthalle, die frisch gewendete „Markthalle IX“, sich ganz gut dafür eignen würde. Denn immer am Freitag und Sonnabend, wenn dort regulärer Betrieb ist, läuft die Sache ja schon ein wenig in diese Richtung. In der vergangenen Woche feierte also der „Street Food Thursday“ erfolgreiche Premiere, und es ist ganz sicher anzunehmen, dass es am heutigen Donnerstag ab 17 Uhr nicht anders aussehen wird.

Die englische Bezeichnung übrigens steht nicht nur aus Modegründen drüber, sondern passt gut zur kosmopolitischen Atmosphäre der Veranstaltung. Hier geht es wirklich kreuz und quer durcheinander – dafür steht schon Kavita Meelu, die als Tochter indischer Eltern in England geboren wurde und seit einigen Jahren in Berlin als Motor der Supper-Club-Bewegung und Gründerin der Internet-Plattform „Kitchensurfing“ bekannt ist. Ihr Motto: „Food eaten alone ist not delicious“, Essen allein gegessen ist nicht lecker. Die energiegeladene 29-Jährige zieht nun auch die Strippen in der Markthalle, redet englisch und deutsch durcheinander, wirbt, organisiert. Die drei Betreiber sehen es mit Vergnügen: Nikolaus Driessen, einer von ihnen, ist beglückt über den Wirbel von Anfang an – für ihn bietet das Konzept einen vielversprechenden Weg zu seinem Ziel: dem täglichen Hallenbetrieb.

Das Street-Food-Konzept funktioniert, weil Meelus Blickwinkel so ungewöhnlich ist. Sie versucht gar nicht erst, die üblichen Berliner Verdächtigen einzuberufen, sondern nutzt ihre Kontakte zu den schrägen Vögeln der Szene, die hier eine Chance bekommen, sich ganz ohne eigenes Restaurant und großes Startkapital zu präsentieren. Die beiden vom „Heißen Hobel“ mit ihren ganz wunderbaren Kässpätzle kommen aus dem Allgäu und rühren ihre Portionen in einem umgebauten Wohnwagen. Der Ire Matthew Minch reicht authentisch britische Pies in erstaunlicher Vielfalt aus, und „Fräulein Kimchi“, eine bekannte Größe der Kitchensurfing-Szene, bereitet im Dirndl etwas höchst Köstliches zu, was mit dem Begriff „koreanische Tacos“ nur sehr unzulänglich umschrieben ist.

Auch Siripen Lingk aus Thailand hat sich einen nicht unbedingt nahe liegenden Namen gegeben: „Glücksmädchen Catering“ heißt ihr Betrieb, und es trägt ein wenig zur Übersicht in der Halle bei, dass sie tatsächlich thailändisch kocht, beispielsweise famose Tapioka-Dumplings. „Stadtschönheit“ ist wirklich ein deutsches Projekt, der Catering-Service von Stefanie Rothenhöfer, die eine schön gedeckte Tafel anbietet, und dann gibt es noch Tacos, die tatsächlich aus Mexico kommen, zubereitet von Adan Narvaez, der als „Tortilla Atomica“ schon allerhand Wirbel macht.

Und dann sind da ja noch die ständigen Köche der Markthalle, die Freitags und Sonnabend ohnehin da sind und den zusätzlichen Donnerstagabend gern drauflegen: Michael Wickert, der als Foodblogger szenebekannt wurde, nun aber in der Halle die Fischräucherei „Glut&Späne“ betreibt und den Donnerstag mit Spezialitäten wie einer perfekten südamerikanische Ceviche bereichert. Anna Lai und Tobias Bürger betreiben „Big Stuff Smoked BBQ“, das heimliche Herz der Halle – sie sind auch Mitveranstalter und stehen mit ihren saftigen Spezialitäten zwar örtlich am Rand, geschmacklich aber durchaus im Mittelpunkt der Veranstaltung. Im Keller braut Johannes Heidenpeter drei Sorten Bier, das ergänzt das Angebot vortrefflich, wenn selbstverständlich auch Wein zu haben ist oder normannischer Cidre. Am ersten Donnerstag half zudem auch einer aus der ersten Garde der Berliner Gastronomie mit, nämlich Stefan Hartmann, der als Kreuzberger ja direkt am kulinarischen Aufschwung des Bezirks interessiert ist – andere Kollegen werden folgen.

Der Reiz der Sache liegt natürlich darin, für wenig Geld viele Kleinigkeiten aus den verschiedensten Ecken der Welt zu probieren – erschwinglich für alle. Kavita Meelu legt auf diesen Aspekt besonderen Wert, weil natürlich ständig gewispert wird, hier dringe die Gentrifizierung nun auf besonders raffinierte Weise in den Bezirk vor. Irgendwie trage jeder, der etwas verändert, zur Gentrifizierung bei, meint sie, das sei nun mal so. So gut schmeckt dieser viel diskutierte Vorgang allerdings selten – das müsste auch den Gegnern gefallen.

Jeden Donnerstag 17-22 Uhr, Markthalle IX, Eisenbahnstr. 42/43, Kreuzberg

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